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Der gute Mensch von Sezuan

Das 1941 erschienene und 1943 erstmals aufgeführte Schauspiel »Der gute Mensch von Sezuan« ist eines der bekanntesten Werke Bertolt Brechts und ein klassisches Beispiel des »epischen Theaters«. Erzählt wird vom Schicksal der gutherzigen Shen Te in der chinesischen Provinz Sezuan, die auf Grund ihrer Lebenssituation gezwungen ist, in die Maskerade ihres skrupellosen Cousins Shui Ta’s zu schlüpfen. …

Werkdaten

Titel
Der gute Mensch von Sezuan
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1941
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Inhaltsangabe

Das 1941 erschienene und 1943 erstmals aufgeführte Schauspiel »Der gute Mensch von Sezuan« ist eines der bekanntesten Werke Bertolt Brechts und ein klassisches Beispiel des »epischen Theaters«. Der Autor thematisiert darin den Konflikt von Moral und Überleben und den Versuch ethische Grundsätze allen Umständen zum Trotz aufrechterhalten zu wollen. Erzählt wird vom Schicksal der gutherzigen Shen Te in der chinesischen Provinz Sezuan, die auf Grund ihrer Lebenssituation gezwungen ist, in die Maskerade ihres skrupellosen Cousins Shui Ta’s zu schlüpfen. Das Stück besteht aus zehn Szenen sowie einem Vorspiel, einem Epilog und sieben Zwischenspielen.


Vorspiel

Der Wasserverkäufer Wang in der Hauptstadt der Provinz Sezuan. Er berichtet von großer Armut und Verzweiflung. Drei Götter treffen ein. Sie sind auf der Suche nach guten, gottesfürchtigen Menschen. Wang zieht los, ihnen eine Unterkunft zu suchen. Einzig die Prostituierte Shen Te heißt die Götter trotz großer finanzieller Nöte willkommen. Am Morgen erfahren die Götter von ihrer Armut und den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten für sie, moralisch gut zu leben. Sie geben ihr daraufhin Geld.

1. Ein kleiner Tabakladen

Von dem Geld der Götter hat sich Shen Te einen Tabakladen gekauft. Eine Reihe von Hilfsbedürftigen trifft ein und erhält von ihr Obdach und Essen. Ein Schreiner erscheint und verlangt Geld für seine Stellagen. Die Hausbesitzerin erklärt, sie benötige eine Referenz. Unfähig, dies zu beschaffen, erfindet Shen Te kurzerhand einen Vetter, Shui Ta, welcher beides besorgen könne.

Zwischenspiel unter einer Brücke

Im Traum erscheinen Wang die Götter und beauftragen ihn, zurück in die Hauptstadt zu kehren, um dort ein Auge auf Shen Te zu haben.

2. Der Tabakladen

Am Morgen erscheint Shen Te’s Vetter Shui Ta im Laden. Als der Schreiner wieder auftaucht, weigert sich Shui Ta, ihm mehr als einen kleinen Teil dessen zu zahlen, was der verlangt. Er befiehlt dann der von Shen Te im Laden geduldeten Familie zu verschwinden.

3. Abend im Stadtpark

Shen Te lernt im Stadtpark Sun Yang kennen, einen arbeitslosen Flieger, der sich das Leben nehmen möchte. Der Wasserverkäufer Wang kommt vorbei und beklagt den Regen, der ihm das Geschäft erschwert. Shen Te kauft ihm einen Becher Wasser ab.

Zwischenspiel

Wang erscheinen erneut im Schlaf die Götter. Er berichtet ihnen von Shen Te und ihren vielen Wohltaten. Als die Götter jedoch von der Härte ihres Vettern Shui Ta erfahren, sind sie enttäuscht.

4. Vor Shen Te’s Tabakladen

Erst in den Morgenstunden kommt die verliebte Shen Te von Sun nach Hause. Dessen Mutter kommt zu ihr und berichtet, ihr Sohn könne eine Stelle als Flieger in Peking bekommen, hätte er nur 500 Silberdollar. Shen Te gibt ihr 200 Dollar, die ihr ein Nachbarehepaar geliehen hat.

Zwischenspiel vor dem Vorhang

Shen Te singt als Shui Ta »Das Lied von der Wehrlosigkeit der Götter und Guten«.

5. Der Tabakladen

Die als Shui Ta verkleidete Shen Te bekommt Besuch von Sun. Dieser möchte, dass sie ihren Tabakladen verkauft, um dadurch an die fehlenden 300 Silberdollar zu kommen. Mit der Hausbesitzerin einigt man sich auf eben diese Summe. Danach erfährt Shui Ta jedoch, dass Sun ohne Shen Te nach Peking gehen möchte. Anschließend kommt der Barbier Shu Fu vorbei und erklärt, Shen Te einige seiner Häuser zu überlassen, sollte sie sich ihm versprechen. Als jedoch Sun erneut auftaucht und Shen Te auf ihn trifft, löst sie die Verlobung mit dem Barbier wieder.

Zwischenspiel vor dem Vorhang

Shen Te klagt über ihre Sorge, dem alten Ehepaar das geschuldete Geld nicht zurückzahlen zu können.

6. Ein billiges Restaurant

Auf der Hochzeitsfeier von Shen Te und Sun erklärt die Braut ihrem Bräutigam, sie könne ihm die 300 Silberdollar nicht geben, da sie dem alten Ehepaar zustünden. Sun wird wütend und besteht darauf, mit der Hochzeit auf Shui Ta zu warten, dieser würde ihm das Geld sicher zugestehen.

Zwischenspiel

Im Traum erzählt Wang den Göttern von seinen Sorgen um Shen Te, die sich in großer Not befinde. Er bittet die Götter ihr zu helfen, doch diese lehnen ab.

7. Hinter Shen Te’s Tabakladen

Die Hochzeit ist abgesagt. Shu Fu überreicht Shen Te dafür einen Blankoscheck. Sie findet heraus, dass sie schwanger ist. Ein weiteres Mal tritt dann Shui Ta auf. Er eröffnet dem Schreiner und seiner Familie, sie müssten von nun an für ihre Unterkunft in Shu Fu’s Obdachlosenheim Tabak verarbeiten. Mit dem Scheck bezahlt er die Miete für den Tabakladen.

Zwischenspiel

Erfolglos bittet Wang die Götter um ein milderes Urteil über Shen Te.

8. Shui Ta’s Tabakfabrik

Suns Mutter Frau Yang berichtet, dass ihr Sohn seit ein paar Monaten in Shui Ta’s Tabakfabrik angestellt sei, wo er schnell den Aufstieg zum Aufseher geschafft habe.

9. Shen Te’s Tabakladen

Shen Te ist nun schon seit einer Weile nicht mehr aufgetaucht. Sun hört, dass sie schwanger gewesen sein soll und ist schließlich überzeugt, Shui Ta halte sie gefangen. Dieser handelt indes mit der Hausbesitzerin und Shu Fu den Erwerb neuer Fabrikräume aus. Als Sun mit einem Polizisten zurückkommt und Shen Te’s Kleider entdeckt, muss Shui Ta mit aufs Polizeirevier.

Zwischenspiel

Wang berichtet den Göttern von Shen Te’s Verschwinden. Besorgt beschließen sie, ihr zur Hilfe zu eilen.

10. Gerichtslokal

Die drei Götter treten als Richter in Shui Ta’s Prozess auf. Dieser gibt schließlich seine wahre Identität preis. Die Götter weigern sich jedoch zu akzeptieren, dass ihr »guter Mensch von Sezuan« sie belogen hat. Shen Te preisend, entschwinden sie auf einer Wolke.

Epilog

Ein Schauspieler spricht zum Publikum und ruft dasselbige auf, selbst über eine Antwort auf die offen gelassenen Fragen nachzudenken.


»Gut zu sein und doch zu leben« ist der von Beginn an zum Scheitern verurteilte Anspruch Shen Te’s. Ihr selbstloser Antrieb anderen helfen zu wollen erweist sich als in der Realität nicht durchführbar, sie durchlebt ein Dilemma zwischen eigenen Bedürfnissen und ihrer Nächstenliebe. In »Der Gute Mensch von Sezuan« stellt Bertolt Brecht die Frage nach dem wahrhaft guten Menschen. Er thematisiert einen unvermeidlichen moralischen Konflikt in einer kapitalistisch orientierten Gesellschaft und stellt gesellschaftliche Richtlinien auf den Prüfstand. Brecht ruf den Zuschauer letztlich auf, sich einzusetzen für eine neue Welt, in der es möglich ist, gut zu sein.

Veröffentlicht am 14. März 2012. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Deutscher Dichter, Dramatiker und Theaterregisseur
Bertolt Brecht (1898–1956) war der einflussreichste deutsche Dramatiker, Lyriker und Librettist des 20. Jahrhunderts. Er war Mitbegründer und maßgeblicher Theoretiker des »epischen Theaters«. Seine Bühnenstücke werden bis heute weltweit zur Aufführung gebracht; seine Gedichte wurden in nahezu all…

Kurze Zusammenfassung

Die alte Frage nach dem Ursprung des Bösen in der Welt wird vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Weltwirtschaftskrise, Inflation, Nationalsozialismus, Krieg und Exil in Form einer Parabel neu gestellt.

Drei Götter kommen auf die Erde mit dem Auftrag, gute Menschen zu finden. Die Welt kann bleiben, wie sie ist, wenn die Menschen darin menschenwürdig leben können. Doch der einzige gute Mensch, den die Götter finden, ist die Prostituierte Shen Te.

Als guter Mensch ist Shen Te bereit, nach den Geboten der Götter zu leben; allerdings gelingt ihr das nur, indem sie eine Doppelrolle annimmt: Als ihr erfundener Vetter Shui Ta kämpft sie mit allen Mitteln, um zu überleben – Mittel, die alles andere als uneingeschränkt gut sind.

In einer Gerichtsverhandlung erklärt sie die Doppelrolle mit der Unmöglichkeit, in einer Welt von Not und Elend gut zu sein. Das Problem bleibt weiterhin ungelöst und die Götter ziehen sich wieder zurück.

Personen

Shen Te und Shui Ta sind einander spiegelbildlich zugeordnet. Shen Te ist bereit, gut zu sein und den Göttern bei der Erfüllung ihres Auftrags zu helfen, doch sie muss erfahren, dass sie dies in den persönlichen und finanziellen Ruin treibt. Daher erfindet sie Shui Ta, der es versteht, sich mit allen Mitteln durchzusetzen.

Was der einen Figur fehlt, hat das Alter Ego im Übermaß. Der Mensch ist auf seine Teilnahme an Handel und Wirtschaft beschränkt. Er ist besitzend oder besitzlos, steigt auf oder ab. Religion, Recht und Moral sichern die Besitzverhältnisse ab. Alles dreht sich um das Geld, das man hat oder das fehlt. Dementsprechend lassen sich die Personen des Stücks gruppieren.

Aufbau

Das Stück besteht aus zehn Szenen mit Vorspiel, Zwischenspielen und Epilog. Dabei entstehen auf verschiedenen Ebenen Handlungs- und Bedeutungsbezüge.

Ausgangspunkt ist ein Untersuchungsauftrag der Götter, am Ende stehen eine Gerichtsverhandlung und ein Epilog.

Das Stück ist dreifach geschichtet. Es entfaltet sich auf der Ebene der Götter, der dramatischen Handlung und des Zuschauers.

Zeitgeschichtlicher Hintergrund

  • Bertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren. Er lebte die meiste Zeit seines Lebens in Augsburg und Ost-Berlin. Brecht starb am 14. August 1956 im Alter von 58 Jahren in Berlin.
  • Mit bürgerlichem Bildungswissen ausgestattet, das ihm durch sein Elternhaus und seinen Bildungsgang vertraut war, und in der marxistischen Analyse von gesellschaftlichen Fragen geschult, verarbeitete Bertolt Brecht oft in Parabelform die Erfahrungen der wirtschaftlichen Not in der Weimarer Republik und das Aufkommen des Nationalsozialismus.
  • Brechts kontinuierliche Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Fragen der Zeit, den literarischen und sprachlichen Traditionen und ihrer produktiven Rezeption und Umsetzung in eine theoretisch reflektierte Aufführungspraxis machen seinen charakteristischen Stil aus, der bei aller Verschiedenheit der Werke unverkennbar ist.

Stil und Sprache Brechts

Brechts Verwendung sprachlicher Mittel wird erklärt und an Beispielen belegt. Besonders typisch für »Der gute Mensch von Sezuan« ist das Auftreten von Liedern, Sprichwörtern, Metaphern und Vergleichen und der den Parabelcharakter unterstreichende Epilog.

Interpretationsansätze

  • Im Untertitel wird das Stück als Parabel bezeichnet. Es steht im Kontext eines ästhetischen und gesellschaftlichen Konzepts. Das Werk stellt eine alte Frage neu und fordert zu einer neuen Antwort und politischem Handeln auf.
  • Außerdem kann das Stück vor dem Hintergrund von Brechts Theorie des epischen Theaters interpretiert werden.
  • Ein weiterer wichtiger Ansatz geht vor allem näher auf die Theodizee-Frage ein.
  • Ein vierter Ansatz befasst sich mit dem Status des Stücks in Hinsicht auf die Verortung des an sich tragischen Stoffes in einer Komödie.

Lektürehilfe

Königs Erläuterungen zu »Der gute Mensch von Sezuan«

Verlässliche Interpretationshilfe
Mit ausführlicher Inhaltsangabe, Informationen zur Textanalyse und Interpretation sowie Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen.
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