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John Maynard

Die Ballade »John Maynard« aus dem Jahr 1886 ist eins der bekanntesten Werke Theodor Fontanes.
John Maynard
Theodor Fontane
John Maynard

Werkdaten

Titel
John Maynard
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1886
Originalsprache
Deutsch

Inhaltsangabe

Die Ballade »John Maynard« von Theodor Fontane wurde 1886 erstmals in Berlin veröffentlicht. Sie zählt zu den bekanntesten Werken des Dichters. Fontane würdigt darin den heldenhaften Einsatz des Steuermanns John Maynard auf dem Eriesee: Unterwegs von Detroit nach Buffalo bricht auf dem Passagierschiff »Schwalbe« ein Feuer aus. Um den Preis seines eigenen Lebens gelingt es Maynard, das Schiff an Land zu steuern und die Menschen an Bord zu retten.


Die Ballade beginnt (und endet) mit dem Ausruf »John Maynard!«. Man erfährt in der ersten Strophe, dass Maynard als Held verehrt wird, bevor in den Strophen zwei bis sieben seine Geschichte erzählt wird:

Die Schiffspassagiere sind in heiterer Stimmung. Voraus ist Land zu sehen und vom Steuermann erfahren sie, dass das Schiff in einer halben Stunde Buffalo erreichen wird.

Innerhalb der nächsten zehn Minuten bricht im Innern des Schiffs ein Feuer aus, das schnell um sich greift. Passagiere und Besatzung drängen sich vorn im Schiff zusammen, während John Maynard hinterm Steuer im Brandrauch ausharrt.

Wegen des dicken Qualms kann sich der Kapitän nur mit dem Sprachrohr an seinen Steuermann wenden: Zehn Minuten von der Küste entfernt befiehlt er ihm, das Schiff am Strand aufzusetzen.

Mit letzter Lebenskraft steuert Maynard das Schiff in die Brandung an den Uferklippen, wo es auseinanderbricht. Bis auf John Maynard sind alle Menschen an Bord gerettet.

Die Strophen acht und neun schildern die Dankbarkeit gegenüber Maynard: Ganz Buffalo erweist ihm die letzte Ehre. Auf seinem Grabstein wird in goldener Schrift seiner Tat gedacht.


Dieser Ballade liegt eine wahre Begebenheit zugrunde. In der Nacht vom 8. zum 9. August 1841 ereignete sich auf dem Eriesee in Nordamerika eine ähnliche Schiffstragödie, die verschiedentlich literarisch bearbeitet worden ist. Fontane hat die historischen Fakten abgewandelt und durch den gekonnten Einsatz von Stilmitteln ein spannungsreiches literarisches Kunstwerk geschaffen.

Veröffentlicht am 2. Mai 2014. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Deutscher Schriftsteller und Dichter
Theodor Fontane (1819–1898) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Sein Geld verdiente er als Dichter und Romancier, als Theaterkritiker und wandernder Literat, als Chronist und Reiseschriftsteller. Fontane gilt als bedeutender Vertreter des Realismus. Zu seinen bekanntesten Werken zähl…

Originaltext der Ballade

John Maynard

John Maynard!

»Wer ist John Maynard?«

»John Maynard war unser Steuermann,
Aushielt er, bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.«
                                *
Die »Schwalbe« fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: »Wie weit noch, Steuermann?«
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
»Noch dreißig Minuten … Halbe Stund.«

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –
Da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
»Feuer!« war es, was da klang,
Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich’s dicht,
Und ein Jammern wird laut: »Wo sind wir? Wo?«
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. –

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
»Noch da, John Maynard?«
»Ja, Herr. Ich bin.«
»Auf den Strand! In die Brandung!«
»Ich halte drauf hin.«
Und das Schiffsvolk jubelt: »Halt aus! Hallo!«
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. –

»Noch da, John Maynard?« Und Antwort schallt’s
Mit ersterbender Stimme: »Ja, Herr, ich halt’s!«
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Jagt er die »Schwalbe« mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!
                                *
Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell’n
Himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
Und kein Aug im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
»Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard!«

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