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Der Biberpelz

Das Drama »Der Biberpelz« wurde 1893 in Berlin uraufgeführt. Mit ihm hält Gerhart Hauptmann den Deutschen einen Spiegel vor: Ein erstarrter bürokratischer Apparat steht einem aufstrebenden Proletariat gegenüber. Protagonisten des Stücks sind einerseits der bornierte Amtsvorsteher von Wehrhahn und andererseits Frau Wolff, die als Waschfrau Respekt genießt und insgeheim eine gerissene Diebin ist. …

Werkdaten

Titel
Der Biberpelz
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1893
Uraufführung
1893
Literarische Epoche oder Strömung

Inhaltsangabe

Das Drama »Der Biberpelz« wurde 1893 in Berlin uraufgeführt. Mit ihm hält Gerhart Hauptmann den Deutschen einen Spiegel vor: Ein erstarrter bürokratischer Apparat steht einem aufstrebenden Proletariat gegenüber. Protagonisten des Stücks sind einerseits der bornierte Amtsvorsteher von Wehrhahn und andererseits Frau Wolff, die als Waschfrau Respekt genießt und insgeheim eine gerissene Diebin ist. Die »Diebskomödie in vier Akten« spielt in der Nähe von Berlin Ende der 1880er Jahre; Schauplätze sind die Hütte der Familie Wolff im ersten und dritten Akt sowie das Amtszimmer des Herrn von Wehrhahn im zweiten und vierten Akt.


Erster Akt

Die resolute Frau Wolff arbeitet als Waschfrau; ihr Mann Julius ist Schiffszimmermann. In den Augen seiner Frau ist er ungebildet, lebensuntüchtig und feige. Ihre ältere Tochter Leontine ist Dienstmädchen bei der Familie des Rentiers Krüger. Als sie spätabends zwei Meter Holz von der Straße in den Schuppen räumen soll, läuft sie fort und sucht Zuflucht im Elternhaus. Die Mutter horcht auf, als sie von dem Holz erfährt.

Als die jüngere Tochter Adelheid nach Hause kommt, ist Frau Wolff dabei, einen Rehbock auszunehmen, den sie gewildert hat. Sie behauptet allerdings, das Tier angeschossen gefunden zu haben. Der Spreefischer und Hehler Wulkow erscheint und feilscht mit Frau Wolff um den Preis für das Reh. Dabei behält Frau Wolff die Oberhand. Unterdessen verbreitet Adelheid die Neuigkeit, dass Frau Krüger ihrem Mann einen wertvollen Biberpelz gekauft habe. Wulkow macht deutlich, dass er bereit sei, sechzig Mark oder mehr für den Pelz zu zahlen.

Während Wulkow durch die Hintertür verschwindet, erscheinen Motes und seine Frau. Motes ist Redakteur einer Jagdzeitschrift und hat vielerorts Schulden. Er rühmt sich, Wilddiebe aufzuspüren und prahlt mit seinem guten Verhältnis zum Amtsvorsteher. Als Frau Motes um Brot und Eier bettelt, gibt Frau Wolff ihr das Verlangte, denn sie will sich die Denunzianten nicht zu Feinden machen.

In der Nacht holen Frau Wolff und Julius das Holz vor Krügers Haus.


Zweiter Akt

Baron von Wehrhahn ist seit vier Monaten Amtsvorsteher und hat sich zum Ziel gesetzt, den Ort von Reichsgegnern zu säubern. Ihm unterstehen der Schreiber Glasenapp und der Amtsdiener Mitteldorf. Wehrhahn hat Motes aufs Amt bestellt, um nähere Auskünfte über den Privatgelehrten Dr. Fleischer einzuholen, der in der Villa Krüger zur Miete wohnt. Motes gibt zu Protokoll, dass es in der Villa regelmäßige Zusammenkünfte von Demokraten gebe.

Krüger erscheint und meldet den Diebstahl von zwei Metern Holz. Er beschuldigt Leontine Wolff, das Holz auf der Straße liegen gelassen zu haben. Wehrhahn sieht in Krüger einen lästigen Querulanten. Frau Wolff, die in seinem Haus als Waschfrau arbeitet, hält Wehrhahn dagegen für ehrbar. Er lässt sie holen. Frau Wolff rechtfertigt das Verhalten ihrer Tochter. Als Krüger Schadenersatz für das abhanden gekommene Holz verlangt, ereifert sich Frau Wolff, ob etwa sie das Holz gestohlen habe. Es kommt zum Zerwürfnis zwischen Frau Wolff und Krüger.

Als Frau Wolff gegangen ist, unterzieht Wehrhahn Krüger einem Verhör wegen des Holzes. Krüger regt sich auf, lässt sich aber nicht einschüchtern. Er wirft Wehrhahn sein anmaßendes Verhalten vor und macht sich über ihn lustig. Dieser verteidigt sich und behauptet, für »die höchsten Güter der Nation« einzutreten.

Dritter Akt

Eine Woche später fordert Frau Wolff ihren Mann auf, das Geld, das sie von Wulkow erhalten hat, im Garten zu vergraben. Julius hat Angst, dass der Pelz bei Wulkow gefunden wird und sie alle ins Gefängnis kommen. Unterdessen kommt Doktor Fleischer mit seinem fünfjährigen Sohn zu Besuch. Er ist ein gern gesehener Gast bei Familie Wolff.

Frau Wolff warnt Fleischer vor Motes und dessen übler Nachrede. Fleischer erzählt, dass jemand Herrn Krügers teuren Pelz gestohlen habe und bittet Frau Wolff sich umzuhören, wo der Pelz jetzt sei. Gemeinsam machen sie sich über die Unfähigkeit des Amtsvorstehers lustig.

Als Fleischer geht, erscheint Krüger. Dieser bedauert den Streit mit Frau Wolff, die er als ordentliche und ehrliche Frau schätze. In Zukunft dürfe sie wieder für ihn waschen; Leontines Lohn als Dienstmädchen solle beträchtlich erhöht werden. Frau Wolff ist gerührt und zeigt sich empört über die Diebstähle. Krüger ist entschlossen alles zu tun, um die Diebe zu überführen, und Frau Wolff bestärkt ihn in seinem Vorhaben.


Vierter Akt

Amtsvorsteher Wehrhahn unternimmt nichts um die Diebstähle im Hause Krüger aufzuklären. Stattdessen sammelt er Zeugenaussagen, die Doktor Fleischer als Reichsfeind entlarven sollen.

Unterdessen erscheinen Adelheid Wolff mit ihrer Mutter sowie Dr. Fleischer, um eine Aussage zu machen. Adelheid bringt ein verdächtiges Päckchen mit und Dr. Fleischer will einen armen Spreefischer in einem nagelneuen Biberpelz gesehen haben. Wehrhahn zeigt unverhohlen sein Desinteresse. Später lässt er sich vom zufällig anwesenden Wulkow bestätigen, dass viele Schiffer einen Pelz tragen. Auch er selbst besitze einen.

Krüger erscheint und pocht auf seine Rechte als preußischer Staatsbürger. Er beschwert sich über die Untätigkeit der Behörde, die sogar freiwillige Zeugen wegschicke. Andererseits mache Wehrhahn den fragwürdigen Motes zu seinem Verbündeten. Widerwillig beginnt Wehrhahn daraufhin, Fleischer und Frau Wolff zu verhören. Frau Wolff ist über jeden Verdacht erhaben und scheinbar bemüht zur Aufklärung der Diebstähle beizutragen. Am Ende nennt Wehrhahn Frau Wolff moralisch integer, während er Herrn Fleischer weiterhin für bedrohlich hält.


Die Komödie lässt sich der Literaturepoche des Naturalismus zuordnen. Mit großer Genauigkeit und Objektivität schildert Gerhart Hauptmann die Atmosphäre im Wilhelminischen Zeitalter. Die Wirklichkeitsnähe wird von der mundartlich gefärbten Alltagssprache des Stücks noch unterstützt. Die Uraufführung im September 1893 am Deutschen Theater in Berlin war allerdings ein Fiasko. Die Zuschauer taten sich vor allem schwer mit der fehlenden »poetischen Gerechtigkeit«. Die geltende Werteordnung wird am Ende nicht wieder hergestellt, denn die Diebstähle der Hauptfigur bleiben ungeahndet. Erst mit der Aufführung des Deutschen Volkstheaters in Wien im April 1897 begann der Erfolg des heute weltbekannten Dramas.

Veröffentlicht am 14. April 2015. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Deutscher Dramatiker, der 1912 den Literaturnobelpreis erhielt
Der Schriftsteller Gerhart Hauptmann wurde 1862 im schlesischen Ober Salzbrunn geboren. Nach wechselvollen Lehr- und Wanderjahren, in denen er sich erfolglos als Maler und Bildhauer versucht und ein Literatur- und Philosophiestudium abgebrochen hatte, zog er 1889 mit seiner Frau und seinen Söhnen…

Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Das Stück spielt »irgendwo um Berlin zur Zeit des Septennatskampfs«, so die Regieanweisung. Als Septennatskampf werden politische Auseinandersetzungen in den Jahren 1887 und 1888 bezeichnet. Reichskanzler Bismarck hatte eine Erhöhung des Wehretats für die nächsten sieben Jahre verlangt, was die Auflösung des Reichstags zur Folge hatte. In einem erregt geführten Wahlkampf schürte Bismarck die Kriegsfurcht und konnte seine Forderungen durchsetzen. Die Konservativen kehrten gestärkt in den Reichstag zurück.

Infolge eines Attentats auf den Kaiser im Jahre 1878 war das sogenannte Sozialistengesetz verabschiedet worden, das bis 1890 in Kraft war. Es betraf Personen, die sich »sozialdemokratischer, sozialistischer oder kommunistischer, auf Untergrabung der bestehenden Gesellschaftsordnung gerichteter Bestrebungen« verdächtig machten. So entstand ein Klima, in dem Staatsbürger unversehens zu Staatsfeinden wurden. Besonderes Augenmerk richtete man auf liberal eingestellte Intellektuelle. Zu ihnen gehörte auch Gerhart Hauptmann, wie der Dichter in seiner Autobiografie »Das Abenteuer meiner Jugend« schreibt.

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