Joseph Roths 1930 erschienener Roman »Hiob« trägt den Untertitel »Roman eines einfachen Mannes«. Erzählt wird das von Schicksalsschlägen geprägte Leben des jüdischen Bibellehrers Mendel Singer und seiner Familie. Orte der Handlung sind das fiktive Schtetl Zuchnow im zaristischen Russland und New York im ausgehenden 19. Jahrhundert bis nach dem Ende des ersten Weltkriegs.
Teil 1
Als Bibellehrer verdient der dreißigjährige Mendel Singer den Lebensunterhalt für sich und seine – mit dem kärglichen Dasein unzufriedene – Frau Deborah, die Söhne Jonas und Schemarjah und die Tochter Mirjam.
Menuchim wird als viertes Kind geboren. Zu Beginn des zweiten Lebensjahres zeigt er Entwicklungsstörungen, und ein russischer Arzt diagnostiziert Epilepsie. Der angeratenen Behandlung in einem russischen Krankenhaus stimmt Mendel nicht zu; die Eltern suchen Trost und Hilfe im Gebet. Ein Rabbi segnet das Kind und prophezeit Deborah, dass es nach vielen Jahren geheilt und, durch die Krankheit geläutert, zu einem besonderen Menschen würde. Deborah solle es nicht verlassen. Sie liebt ihr krankes Kind mehr als ihre gesunden.
Als Menuchim älter wird, gibt Deborah ihn in die Obhut seiner Geschwister, denen er eine Last ist. Sie quälen und misshandeln ihn, doch er überlebt jegliche Tortur. Als er eines Tages das Wort »Mama« spricht, weint Deborah vor Glück. Auch zehn Jahre später kann Menuchim nur dieses eine Wort.
Während er heranwächst, kommt Mendel und Deborah die Liebe füreinander abhanden. Beide altern schnell. Mirjam beginnt mit Kosaken zu flirten, gleichzeitig beten ihre Eltern dafür, dass die älteren Söhne dem russischen Militärdienst entgehen, der gegen das jüdische Gesetz verstößt.
Jonas und Schemarjah werden gemustert und eingezogen. Mendel ergibt sich in sein Schicksal und spricht von einer Strafe Gottes. Die zupackende Deborah verachtet ihn dafür. Sie fährt mit ihrem mühsam Ersparten zu dem zwielichtigen Kapturak, der ihre Söhne vor dem Militär retten soll. Ihr Geld reicht jedoch nur für einen Sohn, und während sie sich mit der Entscheidung für einen der beiden quält, verlässt der ältere Jonas die Familie. Er tritt in die Dienste des Fuhrmanns Sameschkin ein, bricht mit den jüdischen Gesetzen und verpflichtet sich bei den Kosaken. Als Mendel in Deborahs Abwesenheit Menuchim hütet und einen Löffel gegen ein Glas schlägt, stellt er überrascht fest, dass das Kind auf den glockenhellen Ton reagiert.
Die Familie nimmt Abschied von Schemarjah, und Kapturak schleust ihn über die westliche Grenze. Einige Zeit später überbringt Schemarjahs amerikanischer Freund Mac einen Brief und Fotos von Schemarjah, der sich jetzt Sam nennt. Er will seine Eltern und Geschwister nach Amerika nachkommen lassen.
Als Mendel das Verhältnis seiner Tochter Mirjam zu einem Kosaken entdeckt, packt ihn Entsetzen. Er fasst den Entschluss mit Deborah und Mirjam nach Amerika auszuwandern. Entgegen der Weisung des Rabbis und schweren Herzens lässt Deborah Menuchim zurück. Die benachbarte jüdische Familie Bille wird sich seiner annehmen. Die Familie reist mit dem Schiff von Bremen nach New York.
Teil 2
Obwohl Mendel sich große Mühe gibt und Freunde unter den anderen jüdischen Einwanderern findet, bleibt New York ihm fremd. Er sehnt sich nach Menuchim. Deborah lebt sich leichter ein, ist aber auch hier unzufrieden mit den bescheidenen Lebensumständen. Mirjam hat bald ein Verhältnis mit Sams Freund Mac.
Sams Geschäfte gehen gut, aus Russland kommt die Nachricht, dass Menuchim zu sprechen anfange, und Jonas schickt einen versöhnlichen Brief. Zum ersten Mal in seinem Leben braucht sich der jetzt neunundfünzigjährige Mendel keine Sorgen zu machen. Er freut sich für seine Kinder über die glänzenden Zukunftsaussichten, fühlt sich selbst aber entwurzelt und zu alt für all das Neue. Seine Frau ist eine Fremde für ihn, und sein einziger Wunsch ist es, Menuchim noch einmal zu sehen.
In Europa bricht der erste Weltkrieg aus, und Mendel sieht Jonas und Menuchim in Gefahr. Er fühlt sich schuldig und betet und singt Psalmen. Amerika tritt in den Krieg ein.
Jonas gilt in Russland als verschollen, und Sam fällt im Krieg für Amerika. Als Deborah die Todesnachricht erhält, fällt sie tot um. Am Ende der siebentägigen Trauerzeit erleidet Mirjam eine Psychose und wird in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert.
Mendel wirft Gott vor, ihn mehr als alle anderen zu strafen. Er fällt vom Glauben ab und will Gebetsmantel, -riemen und -bücher verbrennen, doch seine Hände gehorchen ihm nicht. Mendels Freunde kommen und bleiben bei ihm, führen ihm den biblischen Hiob vor Augen, dem Gott schwere Prüfungen auferlegt hatte. Sie nehmen sich Mendels an, und fortan wohnt er im fensterlosen Hinterzimmer eines Schallplattenladens, der den Skowronneks gehört. Er übernimmt Botengänge und Besorgungen in der Gemeinde. Ansonsten lebt er zurückgezogen und hört auf zu beten.
Bei Kriegsende findet Mendel unter neuen Schallplatten aus Europa »Menuchims Lied«, das ihn tief berührt. Einige Zeit später erkundigt sich Alexej Kossak, der Komponist und Dirigent eines Orchesters, das in Amerika auf Tournee ist, nach der Adresse von Mendel Singer. Der fremde Kossak platzt hinein in die Pessachfeier der Familie Skowronnek. Er fragt nach Mirjam und Deborah, und berichtet seinerseits, dass Jonas möglicherweise lebt. Nach langem Zögern fragt man ihn nach Menuchim, und Kossak gibt sich als dieser zu erkennen. Die Nachricht von dem Wunder verbreitet sich schnell, und die Freunde teilen Mendels Glück so wie sie zuvor sein Unglück geteilt haben. Mendel findet zu Gott zurück.
Menuchim nimmt seinen Vater zu sich. Er will sich um Mirjam kümmern und Mendel nach Europa bringen. Dieser findet endlich Ruhe und Frieden.
Der Titel des Buches greift die Gestalt des biblischen Hiob auf. Wie dieser wird Mendel Singer harten Prüfungen unterworfen. Als er seinen Glauben beinahe aufgegeben hat, geschieht ein Wunder. Dem linearen, vielleicht sogar vorhersehbaren, Handlungsverlauf und der Tragik des Geschehens entgegengesetzt ist die Sprache des Romans. Sie kommt leicht und melodisch daher. Mit ihr gelingt es Joseph Roth, den Leser anzurühren und vor seinem inneren Auge Bilder entstehen zu lassen, die sich im Gedächtnis einbrennen.