Der Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt verfasste das Drama »Der Besuch der alten Dame« im Jahr 1955. Ursprünglich war der Erzählstoff als Novelle mit dem Titel »Mondfinsternis« geplant. Dürrenmatt entschloss sich aber aus vorrangig finanziellen Gründen dazu, die damals noch nicht fertiggestellte Erzählung zu einem Theaterstück umzuarbeiten. Die Uraufführung erfolgte am 29. Januar des Folgejahres am Schauspielhaus Zürich.
Ebenfalls im Jahr 1956 erschien die Buchausgabe des Stückes, welches zu diesem Zweck noch einmal von Dürrenmatt überarbeitet wurde. Die Bearbeitung zur Endfassung (»Neufassung 1980«) nahm der Autor extra für die 1980 erschienene Werkausgabe vor. Bei dieser wurden eine erste und eine zweite Fassung des Stückes zusammengefügt, welche Dürrenmatt bereits Jahre zuvor für das Atelier-Theater in Bern verfasst hatte.
In dem Werk geht es um die Multimilliardärin Claire Zachanassian, die in der Gegenwart ihre irgendwo in Mitteleuropa gelegene Heimatstadt Güllen aufsucht, um für ein 45 Jahre zurückliegendes Unrecht Rache an ihrem ehemaligen Geliebten Alfred Ill zu nehmen. Am Ende des Stückes wird Alfred Ill zum Tode verurteilt und ermordet. Der tragödientypischen Thematik hinsichtlich Rache und Schuld sowie den zahlreichen Bezügen zur antiken griechischen Tragödie zum Trotz ist das Drama keine reine Tragödie.
Dürrenmatts Theaterauffassung zufolge erfordert die Tragödie als Dramenform Schuld und Verantwortung der Einzelperson oder des Individuums. Der moderne Mensch ist jedoch keine souveräne Einzelperson mehr, sondern in der Gemeinschaft, im Kollektiv gefangen, weswegen er nicht mehr zum persönlich Verantwortlichen bzw. Schuldigen werden könne. Ohne individuelle Schuld und Verantwortung kann es demnach auch keine reinen Tragödien mehr als Theaterstück geben.
Dem Untertitel lässt sich entnehmen, dass Dürrenmatt für sein Stück die widersprüchlich erscheinende Bezeichnung »tragische Komödie« gewählt hat. Die »tragische Komödie« oder »Tragikomödie« ist eine dramatische Gattung, bei welcher Tragödienelemente und Komödienelemente miteinander in Einklang gebracht werden. Tragisches und Komisches verschmilzt so miteinander zum Tragikomischen. Bei Dürrenmatt nimmt die Tragikomödie grundsätzlich eine groteske Gestalt an. »Der Besuch der alten Dame« ist als Tragikomödie eine Reaktion auf die chaotische, moderne Welt Mitte des 20. Jahrhunderts und nimmt Bezug auf den Zeitgeist sowie die Gesellschaft und Politik der 1950er Jahre
