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Der Zauberlehrling

»Der Zauberlehrling« ist eine Ballade von Johann Wolfgang von Goethe. Sie ist ebenso bekannt wie sein »Faust«. Das Werk verdeutlicht Goethes Grundanliegen, nämlich das Festhalten an der bewährten Ordnung in einer vom Chaos bedrohten Welt.

Der Zauberlehrling
Johann Wolfgang von Goethe
Der Zauberlehrling

Werkdaten

Titel
Der Zauberlehrling
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1798
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Inhaltsangabe

Die Ballade »Der Zauberlehrling« von Johann Wolfgang von Goethe wurde im Musenalmanach für 1798 veröffentlicht. Entstanden 1797, im sogenannten Balladenjahr, gehört sie zur Epoche der Weimarer Klassik. Protagonist ist ein selbstgefälliger Zauberlehrling. Er überschätzt seine Fähigkeiten und verliert die Kontrolle über sein Handeln. Erst dem Meister gelingt es, die gewohnte Ordnung wiederherzustellen. Angaben zu Ort und Zeit der Handlung fehlen.


Als der alte Zauberer außer Haus ist, will sein Lehrling sich selbst im Zaubern versuchen. Entschlossen wiederholt er die Sprüche, die er vom Meister gehört hat. Der Zauber gelingt: Ein Besen wird zum Leben erweckt und in einen Knecht verwandelt. Der Zauberlehrling schickt ihn an den Fluss, um Wasser zu holen. Der Knecht gehorcht und schafft unablässig Wassermengen heran.

Der Junge bemerkt, dass er den Spruch vergessen hat, der den Zauber beenden könnte. Unterdessen setzt der Knecht das Haus unter Wasser. Um ihn zu stoppen, versucht der verzweifelte Lehrling ihn zu töten. Er spaltet den Besen-Knecht mit einem Beil in zwei Teile. Dadurch verschlimmert sich die Situation. Denn fortan schaffen zwei Knechte Wasser herbei. In größter Not ruft der Lehrling nach dem Meister. Dieser erscheint und macht den Zauber rückgängig.

Veröffentlicht am 12. März 2018. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Deutscher Schriftsteller, Künstler und Politiker
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), der größte deutsche Dichter und Denker, war ein Universalgenie. Als Naturforscher kam er zu bedeutenden Erkenntnissen. Der »Dichterfürst« war zudem Staatsmann und beeinflusste die Kunst seiner Zeit. Berühmt ist auch Goethes Farbenlehre.

Text der Ballade

Der Zauberlehrling (1787)

Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort’ und Werke
Merkt’ ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu’ ich Wunder auch.
Walle! walle
Manche Strecke,
Dass zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
Bist schon lange Knecht gewesen;
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!
Walle! walle
Manche Strecke,
Dass zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
Seht, er läuft zum Ufer nieder;
Wahrlich! Ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!
Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! –
Ach, ich merk’ es! Wehe! wehe!
Hab’ ich doch das Wort vergessen!
Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behände!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.
Nein, nicht länger
Kann ich’s lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh’ ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!
Willst’s am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behände
Mit dem scharfen Beile spalten.
Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nun auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe!
Wahrlich, brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!
Wehe! wehe!
Beide Teile
Steh’n in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Und sie laufen! Nass und nässer
Wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör’ mich rufen! –
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
Werd’ ich nun nicht los.
»In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur zu seinem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.«

Quellen und Vorbilder

Als mögliche Quelle für Goethes Ballade wird ein antiker Stoff angenommen: Philopseudes (»Der Lügenfreund« oder »Der Ungläubige«) des griechischen Satirikers Lukian von Samosata (etwa 125–190). Dessen Motive finden sich bei Goethe wieder: Die Verzauberung sowie die Teilung und Verdoppelung des Besens, die Rettung durch das Wissen und die Erfahrung des Meisters.

Als ebenso wahrscheinlich wird eine zweite Quelle vermutet: Die jüdische Sagengestalt des Golem. Dabei handelt es sich um eine Lehmfigur, die durch Mystik zum Leben erweckt werden und Aufträge ausführen kann. Die Golem-Legende liegt in vielen Varianten vor. Goethe benutzte vermutlich die des Prager Rabbiners Judah Löw (1520 – 1609), auch bekannt als Jehuda ben Bezal´el Löw oder Rabbi Löw.

Aufbau der Ballade

Die Ballade enthält sieben Strophen und 98 Verse. Jede Strophe besteht aus zwei Versblöcken mit acht bzw. sechs Zeilen. Der jeweils zweite Versblock lässt sich auch als Refrain bezeichnen. Er ist in Strophe 1 und 2 identisch.

Strophen 1 und 2
Selbstüberschätzung: Der Zauberlehrling ist allein im Haus. Er will sich beweisen, dass er das Zaubern ebenso beherrscht wie sein Meister.

Strophe 3
Machtrausch: Begeistert stellt der Lehrling fest, dass sein Zauberspruch Wirkung zeigt. Am Ende der Strophe erkennt er jedoch, dass er die Formel vergessen hat, um den Zauber zu beenden. (V 41 f.)

Strophen 4, 5 und 6
Angst und Hilflosigkeit: Der Zauberlehrling kann den magischen Kräften keinen Einhalt gebieten. Er ist der Situation, die er selbst heraufbeschworen hat, nicht gewachsen. Seine Verzweiflung wächst zusehends.

Strophe 7
Erlösung: Rettung naht in Gestalt des Hexenmeisters.

Form und Klanggestalt

Form

  • Sieben Strophen;
  • 98 Verse;
  • jede Strophe enthält zwei Versblöcke;
  • der erste Block jeder Strophe hat acht Verse;
  • der zweite Block jeder Strophe hat sechs Verse.
  • Die Verse sind unterschiedlich lang. Die wechselnde Länge weist eine Regelmäßigkeit auf: In der Druckversion wirkt der Text wie eine Wellenbewegung. Der Inhalt (wallende Wasser) spiegelt sich also in der äußeren Form wieder.

Reimschema

  • Die achtzeiligen Versblöcke bestehen aus vier Kreuzreimen, das Reimschema ist also das recht einfache ababcdcd.
  • Die Gleichförmigkeit unterstreicht den Inhalt der Ballade: das monotone Hin- und Zurücklaufen des Knechts.
  • Weitere Verstärkung der Gleichförmigkeit durch die durchgehend weibliche Kadenz der abab-Verse.
  • Auflockerung der Monotonie durch den Wechsel von weiblicher und männlicher Kadenz in den cdcd-Versen.
  • Reimschema der sechszeiligen Versblöcke ist ein kompliziertes effgeg: Die Refrainstrophe besteht aus einem umarmendem Reim, einem Paarreim und einem Kreuzreim. Das komplexe Gebilde korrespondiert mit dem beschwörenden Inhalt dieser Passagen.
Kadenz

Kadenz bezeichnet die Betonung der letzten Silbe im Vers: weiblich = unbetont, männlich = betont.

Metrum

  • Die gesamte Ballade hat einen starken und eindringlichen Rhythmus.
  • Es überwiegt der Versfuß Trochäus = Wechsel zwischen einer langen (betonten) und einer kurzen (unbetonten) Silbe.
  • Die Verse 1-4 jeder Strophe sind viertaktig, die Verse 5-8 sind dreitaktig;
  • im zweiten Teil der Strophe (Refrain) sind die Verse 1-4 zweitaktig, die Verse 5 und 6 viertaktig. (Daraus ergibt sich die erwähnte optische Wellenbewegung im gedruckten Gedicht.)

Sprache und Stilmittel (Auswahl)

Sprache

Die Ballade besteht hauptsächlich aus dem Monolog des Zauberlehrlings. Die Handlung wird durch emotionale Ausrufe, Anreden und Imperative vorangetrieben. Auch das Eingreifen des Meisters wird in wörtlicher Rede dargestellt. Ein Erzähler fehlt gänzlich. Dadurch wirkt das Werkt lebendig und unmittelbar auf den Leser.

Der Zauberlehrling ist allein, niemand hört ihm zu. Deshalb kann er reden, wie ihm die Worte in den Sinn kommen. Gleich in Vers 1 nennt er seinen Lehrherren »alte(n) Hexenmeister«. Das ist unangemessen und abwertend. Auch im Folgenden verwendet er eine derbe Sprache, wie z. B. »Ausgeburt der Hölle« (V. 57), »ersaufen« (V. 58) oder »verrucht« (V. 61).

Die Sprache verändert sich im Laufe der Handlung. Aus der Selbstgefälligkeit des Lehrlings, der sich seiner »Geistesstärke« (V. 7) rühmt, wird Bescheidenheit und Demut, als er den großen Zauberer in seiner Not als »Herr(n) und Meister« anruft.

Stilmittel

Die Stilfiguren Anapher und Alliteration verleihen der Ballade ihre Dynamik.
Sehr häufig verwendet der Autor die Anapher, die Wortwiederholung. Sie dient der Rhythmisierung des Textes. Durch die eindringliche Wiederholung wird zudem die Bedeutung der Worte und deren Wirkung auf den Leser oder Zuhörer verstärkt:

»Walle! walle« (V. 9, V. 23)
»Stehe! stehe!« (V. 37)
»Welche Miene! welche Blicke!« (V. 56)
»Will dich fassen, will dich halten« (V. 67f.)
»Wehe! wehe!« (V. 79)
»Besen! Besen!« (V. 94)

Mit der Alliteration wird der beschwörende Charakter der Worte des Zauberlehrlings verstärkt. Man nimmt an, dass schon der Ursprung dieser Stilfigur im Bereich magischer und beschwörender Formeln liegt.

»Seine Wort’ und Werke« (V. 5)
»Dass zum Zwecke« (V. 11, V. 25)
»Stock, der du gewesen, Steh doch wieder still!« (V. 63f.)
»Völlig fertig in die Höhe« (V. 83)
»Helft mir, ach! Ihr hohen Mächte!« (V. 84)
»Nass und nässer« (V. 85)

Ansätze zur Interpretation (Auswahl)

Der Zauberlehrling ist überheblich und leidet an Selbstüberschätzung. Seiner Unerfahrenheit zum Trotz strebt er die Herrschaft über dämonische Kräfte an. Er scheitert – und das Chaos breitet sich aus. Erst das Eingreifen des erfahrenen und kompetenten Meisters kann die alte Ordnung wiederherstellen.

Das Gedicht spiegelt das Gedankengut der Weimarer Klassik wider. Anders als noch im »Sturm und Drang« rät Goethe zum Festhalten an Autorität und bewährter Ordnung. Die Handlung der Ballade ist in sich geschlossen; sie lässt sich aber auf viele Bereiche des Lebens übertragen.

Die Ballade steht in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Französischen Revolution. Sie lässt sich als Warnung vor neuen politischen Kräften lesen.

Naheliegend ist auch die Übertragung auf Bereiche der Wissenschaft. Überheblichkeit und isolierte Sichtweisen können in der Forschung nicht abschätzbare Folgen für die Gesellschaft oder sogar die Menschheit haben.

Häufig gestellte Fragen

Wer schrieb den »Zauberlehrling«?

»Der Zauberlehrling« ist eine Ballade von Johann Wolfgang von Goethe. Sie ist ebenso bekannt wie Goethes Werk »Faust«.

Wann wurde »Der Zauberlehrling« geschrieben?

Erschienen ist die Ballade im Jahr 1798. Mit dem Schreiben hatte Goethe bereits 1797 begonnen.

Quellen und Vorbilder für »Der Zauberlehrling«

Zu welcher Epoche gehört »Der Zauberlehrling«?

Entstanden ist das Werk im Jahr 1797, dem sogenannten Balladenjahr. Damit zählt es zur Epoche der Weimarer Klassik. Das Werk verdeutlicht Goethes Grundanliegen, nämlich das Festhalten an der bewährten Ordnung in einer vom Chaos bedrohten Welt.

Wie viele Strophen hat »Der Zauberlehrling«?

»Der Zauberlehrling« setzt sich aus sieben Strophen und 98 Versen zusammen. Jede Strophe besteht aus zwei Versblöcken mit sechs bzw. acht Zeilen. Der jeweils zweite Versblock lässt sich auch als Refrain bezeichnen.

Mehr zum Aufbau der Ballade

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