Vorwort
Im Vorwort (Prosa-Form) zu seinem Werk bedauert Heine, dass er sein Versepos wegen der deutschen Zensur gründlich überarbeiten musste. Dennoch sehe er weitere Kritik kommen. Er sei jedoch kein Verräter seines Vaterlandes. Im Gegenteil: Er hoffe, dass auch Deutschland sich für die Ideale der Französischen Revolution öffnen werde. Die Liberalisierung würde dem Land Achtung in Europa und der ganzen Welt verschaffen.
Caput
Der Text enthält neben Vorwort und Epilog 27 Einzelgedichte, die mit Caput I – Caput XXVII überschrieben sind. Der Begriff Caput stammt aus dem Lateinischen und bedeutet »Kapitel eines Buches«. Der Plural lautet Capita.
Caput I (Grenze)
Der reisende Ich-Erzähler betritt Deutschland mit gemischten Gefühlen; Heimweh ist auch darunter. Gleich an der französisch-deutschen Grenze hört er ein Harfenmädchen von einer besseren Welt im Jenseits singen. Der Erzähler dagegen behauptet, dass jeder Mensch ein Recht auf ein materiell gesichertes Leben im Diesseits habe. Der Vision einer geistigen und sozialen Revolution lässt er die eines friedlich geeinten Europas folgen.
Caput II (Grenze)
In Wirklichkeit erlebt er demütigende Zollkontrollen. Dem preußischen Pflichtbewusstsein hält er entgegen, dass man zwar sein Gepäck, nicht aber seine Gedanken durchsuchen könne. Ein anderer Reisender lobt die Grenzkontrollen als ein Mittel, um Deutschland wirtschaftlich zu einen; die Zensur habe entsprechend die geistige Einheit zum Ziel.
Caput III (Aachen)
Erste Station ist die Kaiserresidenz Aachen, die dem Reisenden äußerst langweilig erscheint. Auf den Straßen beobachtet er das preußische Militär. Die Soldaten bewegen sich eckig und steif. Ebenso wie das übrige Volk seien sie nach außen arrogant, dabei im Innern ängstlich und unterwürfig. Der Reisende verspottet die rückwärtsgewandte Haltung der Deutschen, die sich auch in ihrer romantischen Dichtung widerspiegele. Im Widerspruch zu seiner Kritik steht die eigene Sehnsucht nach einem bescheidenen Leben als Autor in Stuttgart (statt im Exil). Schließlich verhöhnt er den Reichsadler; er würde ihn gern – ebenso wie den König – zum Abschuss freigeben.
Capita IV-VII (Köln)
Caput IV
In Köln erfolgt eine scharfe Abrechnung mit Kirche und Klerus. Der Reisende klagt die Kirche ihrer Untaten an, erwähnt Kreuzzüge und »Hexenverfolgungen«. Im Kölner Dom sieht er einen Feind der Vernunft. Er ist erleichtert, dass der Dombau seit Luther unvollendet blieb und hofft, dass er es trotz Unterstützung aus dem Volk auch bleibe.
Caput V
In einem fiktiven Gespräch tröstet der Erzähler »Vater Rhein«, den Fluss, um den sich Deutsche und Franzosen streiten. Er distanziert sich von dem Konflikt und zieht nationale Strömungen auf beiden Seiten ins Lächerliche.
Caput VI
Der Erzähler denkt über Auswirkungen seiner Schriften nach. Ein fiktiver »Reisebegleiter«, Heines Alter Ego, übernimmt die Verantwortung für die Folgen revolutionären Gedankenguts. Die dunkle und vermummte Gestalt trägt ein Beil mit sich; sie will über Taten, die sich auf die Schriften gründen, richten.
Caput VII
In einem nächtlichen Traum ist der Erzähler mit seinem Begleiter in Köln unterwegs. Er entnimmt seinem offenen Herzen Blut, mit dem er im Vorübergehen Häuser markiert. Deren Bewohner müssen sterben. In der Dreikönigsgruft im Dom sitzen Kaspar, Melchior und Balthasar als lächerliche Skelette auf ihren Sarkophagen. Im Traum werden sie – und mit ihnen der Aberglaube – von dem Begleiter zerschmettert.
Caput VIII (Mülheim)
Die Fortsetzung der Reise führt durch Mülheim. Die kühle, feuchte Luft sowie Kot und Morast auf dem Weg kommen dem Erzähler heimatlich vor. Mülheim ist ein trauriger Ort. 1831 hatten die Menschen hier ihre Hoffnungen auf die Liberalisierung durch den Einzug der Franzosen gesetzt, doch sie wurden enttäuscht: Die Preußen halten bis heute die Stellung.
Caput IX (Hagen)
Der Erzähler schätzt die typisch deutschen und schweren Mahlzeiten, die er in Hagen zu sich nimmt. Die Schilderung der leiblichen Genüsse enthält jedoch soviel Pathos, dass sie sich auch als Kritik an deutscher Behaglichkeit und Wohlleben lesen lässt.
Caput X (Unna)
In einem Wirtshaus in Unna verspottet der Reisende die Westfalen als einfältig und gefühlsbetont. Die letzten beiden Strophen sind formal wie inhaltlich ironisch. Sie enthalten eine Fürbitte, wie sie im Gottesdienst gesprochen wird: Nachfolgende Generationen mögen vor Militarismus und Nationalismus »bewahrt« bleiben. Am Ende steht die jüdisch-christliche Schlussformel »Amen«.
Caput XI (Teutoburger Wald; Hermannsdenkmal bei Detmold)
Der Erzähler erwähnt den Cheruskerfürsten Arminius, bekannt als Hermann, der im Jahre 9 n. Chr. im Teutoburger Wald über die Römer siegte. Der erfolgreichen Varusschlacht soll mit dem Hermannsdenkmal bei Detmold gedacht werden; der Bau wurde 1838 begonnen. Der Sieg sei dem deutschen Dreck und Schlamm zu verdanken, in dem die Römer steckenblieben, befindet der Reisende. Er malt sich aus, wie seine zeitgenössischen Kritiker aussähen oder sich verhielten, wenn sie heute unter römischer Herrschaft stünden. In diesen Gedankenspielen unterzieht er sie seinerseits der Kritik.
Caput XII (Teutoburger Wald)
Wegen einer Panne kommt es zu einem nächtlichen Aufenthalt im Wald, wo der Reisende Wölfe heulen hört. Er erkennt in ihnen seine Gesinnungsgenossen. In einer spontanen Rede wendet er sich an seine »Mitwölfe« und versichert sie seiner Loyalität. Zugleich distanziert er sich aber von ihnen (und damit auch von einigen der revolutionären Ideen jener Zeit).
Erzählperspektive
Die Reiseerlebnisse in »Deutschland. Ein Wintermärchen« werden aus der Perspektive eines Ich-Erzählers geschildert. Es ist unzweifelhaft, dass dem Versepos Heines eigene Erfahrungen und Eindrücke vom November 1843 zugrunde liegen. Dennoch ist es kein Reisebericht im klassischen Sinne. Einige der im Gedicht erwähnten Orte (wie Hannover, Bückeburg, Teutoburger Wald) berührte der Dichter erst auf der Rückfahrt von Hamburg nach Paris. Die Hinreise war über Amsterdam und Bremen erfolgt. Zudem nahm Heine die künstlerische Bearbeitung der Reise erst im Januar 1844 in Paris vor, also aus zeitlicher und räumlicher Distanz. Deshalb lässt sich der Ich-Erzähler im Text nicht ohne Weiteres mit Heine gleichsetzen.
Caput XIII (Paderborn)
In Paderborn schildert der Erzähler den Aufgang der Sonne über der dummen Erde als vergebliches Tun, da eine Hälfte der Erde jeweils im Dunkel liege. Auch in einem gekreuzigten Jesus Christus am Wegrand meint er die Vergeblichkeit menschlichen Handelns zu erkennen. Jesus’ schonungslose Reden gegen Kirche und Staat hätten zum Tod am Kreuz geführt. Da er klug war, hätte er sich zügeln und so dem Kreuz entkommen können. Heutzutage habe man es leichter: Mit dem Buchdruck sei auch die Zensur erfunden worden. Diese bewahre rücksichtslose Verbreiter einer Meinung (zu denen er sich selbst zählt), vor drakonischen Strafen.
Capital XIV-XVII (Von Kaiser Barbarossa)
Caput XIV
Im Weiterfahren erinnert sich der Reisende an Lieder, die ihm seine Amme gesungen hat. Eines handelt von einem Mörder, der durch ein Femegericht verurteilt und gehenkt wird. Ein zweites greift Elemente des Grimmschen Märchen von der Gänsemagd und dem Pferdekopf Fallada auf. Das dritte erzählt von Kaiser Barbarossa. Der Sage nach haust er im Kyffhäuser-Berg, zusammen mit Tausenden von Soldaten; seit Jahrhunderten bereitet er sich darauf vor, Deutschland zu befreien. Mehrere Verse enden mit dem Bild einer klagenden Sonne, vermutlich angesichts der Zustände in Deutschland.
Caput XV
Der Erzähler schläft während der Fahrt ein. Er träumt, dass er sich im Kyffhäuser bei Barbarossa befindet. Der zeigt ihm Waffen und Soldaten. Zu seinem Bedauern mangelt es ihm an Pferden. Der Zukauf sei im Gange, aber es werde noch dauern, bis die Ausrüstung komplett sei; er übe sich in Geduld. Dann werde er in die Schlacht ziehen, um Deutschland zu rächen.
Caput XVI
In einem zweiten Traum gibt Barbarossa zu, seit dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) nichts mehr von der Weltgeschichte mitbekommen zu haben. Der Erzähler bringt ihn auf den neuen Stand und nutzt dies für Kritik, u. a. an den Nachkommen von Moses Mendelssohn und einer romantischen Dichterin. Er muss dem ahnungslosen Kaiser auch die Funktionsweise einer Guillotine erklären. Als der Kaiser den Erzähler des Hochverrats bezichtigt, nennt dieser ihn eine Sagengestalt, deren Insignien und Nationalismus niemand brauche.
Caput XVII
Der Reisende erkennt, dass er Barbarossa nur im Traum, nie aber in der Realität widersprechen kann. Ungeduldig sehnt er den französischen Kaiser herbei. Dieser solle Deutschland sowohl von der romantischen Verklärung der Vergangenheit als auch von seinem preußisch-militärischen Größenwahn befreien.
Caput XVIII (Minden)
In Minden übernachtet der Reisende in der weitläufigen Festung. Er fühlt sich als Gefangener Preußens und vergleicht sich mit Odysseus in der Höhle des einäugigen Riesen Polyphem. In mehreren bildreichen Albträumen fühlt er sich von der preußischen Dummheit, der Zensur und dem Reichsadler als preußischem Nationalsymbol bedroht.
Caput XIX (Bückeburg und Hannover)
Heines Großvater Heymann Heine stammt aus Bückeburg; auf lehmigen Wegen durchfährt die Kutsche das Fürstentum. Der Erzähler kommt nach Hannover, wo Ernst August als König regiert. Er verspottet den Herrscher wegen seines langweiligen und unbedeutenden Daseins. Zu verdanken habe er es der Feigheit der deutschen Revolutionäre.
Capita XX – XXVI (Hamburg)
Caput XX
Der Reisende erreicht seinen Zielort Hamburg. Nach dreizehn Jahren sieht er seine Mutter wieder. Er lässt sich von ihr mit Essen verwöhnen; ihren zahlreichen Fragen nach seinem Leben in Frankreich und seiner politischen Überzeugung weicht er geschickt aus.
Caput XXI
Der Reisende besucht Orte und Häuser seiner Jugend; viele davon sind dem Großen Brand im Mai 1842 zum Opfer gefallen. Die Stadt hatte Hilfe von außerhalb bekommen, und die Bürger waren zügig entschädigt worden. Der Erzähler rät den Hanseaten deshalb, den Schrecken zu vergessen und den Wiederaufbau voranzutreiben. Er warnt: Über die Hilfeleistungen versuche das ihm verhasste Preußen Einfluss in Hamburg zu gewinnen.
Caput XXII
Der Erzähler stellt fest, dass die Menschen der Stadt an Lebendigkeit verloren haben. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vergrößert, während sich Alt und Jung kaum unterscheiden lassen. Einige seiner früheren Bekannten sind verstorben, andere haben sich stark verändert und seien kaum wiederzuerkennen.
Caput XXIII
Der Erzähler lässt sich von seinem Verleger Julius Campe zum Essen im Restaurant »Lorenz« einladen. Er ist begeistert von der Qualität der Austern in Hamburg sowie von der Verlässlichkeit und Großzügigkeit seines Verlegers. Vom Rheinwein leicht angetrunken, begibt er sich ins Amüsierviertel. Er trifft eine Prostituierte, die er von früher kennt. Sie sei als Hammonia zur »Schutzgöttin« Hamburgs aufgestiegen. Der Reisende folgt ihr in ihre Kammer.
Caput XXIV
In ihrer Kammer gesteht Hammonia dem Erzähler ihre Zuneigung. Diese gründe sich auf dessen Schriften. Ihre Frage, was den Dichter im Winter nach Hamburg getrieben habe, beantwortet er mit seinem Heimweh und seiner Vaterlandsliebe. Beides erklärt er zu einer Krankheit, von der er bald gesunden werde.
Caput XXV
Hammonia sorgt sich um den Exil-Dichter im sittenlosen Frankreich. Sie versucht, ihn zum Bleiben zu bewegen. Es gebe Fortschritte in Deutschland; Zensur und geistige Unterdrückung seien weniger streng als früher. Sie bietet ihrem Besucher einen Blick in das zukünftige Deutschland an. Allerdings muss er geloben, über die Visionen absolutes Stillschweigen zu bewahren.
Caput XXVI
Kurz vor seinem Tod 814 habe Karl der Große Hamburg gegründet. Sein Nachtstuhl stehe in einer Ecke der Kammer; der Erzähler hebt den Deckel und schaut hinein. Er schweigt über das, was er sieht; allein von dem Gestank der Zukunft wird er jedoch ohnmächtig. Dennoch versucht Hammonia, den Dichter zu überreden, bei ihr in Deutschland zu bleiben. Die Verhältnisse werden sich wahrscheinlich nicht ändern, doch man könne darauf achten, den Deckel geschlossen zu halten.
Caput XXVII
Der Erzähler hofft auf künftige Generationen, die in geistiger Freiheit aufwachsen werden. Er schlägt einen Bogen zu Aristophanes. Auch der antike Dichter sei zu seiner Zeit angefeindet worden; heute werde er verehrt. Würde er jedoch jetzt leben, wäre er ebenso der Zensur unterworfen wie er selbst. Am Ende warnt er seinen König vor den lebenden Dichtern, deren Waffen Worte und Verse sind.
Nachtrag
Der Nachtrag enthält den Abschied von Paris zu Beginn der Reise. Der Erzähler schildert sein Heimweh nach dem erdverbundenen Deutschland als Krankheit. Er rechnet mit baldiger Gesundung und Rückkehr in das heitere und leichtlebige Exil.