Franz Kafkas Roman »Der Prozess«* wurde 1925 posthum veröffentlicht. Entstanden sind die Romanfragmente zwischen 1914 und 1915. Im Mittelpunkt steht der Bankangestellte Josef K., gegen den ein Prozess anhängig ist. Das Gericht agiert im Geheimen, und bis zu seiner Hinrichtung erfährt K. nicht einmal den Grund der Anklage. Ort der Handlung ist eine fiktive deutsche Großstadt. Die Zeit der Handlung stimmt mit ihrer Entstehungszeit überein.
Verhaftung – Gespräch mit Frau Grubach – Dann Fräulein Bürstner
Der Prokurist einer Bank, Josef K., wird an seinem dreißigsten Geburtstag morgens im Bett von den beiden Wächtern Franz und Willem verhaftet. Sie nennen ihm weder den Grund für seine Verhaftung noch, in wessen Namen sie handeln. Auch der Aufseher, der ihn kurz darauf in das Zimmer des Fräulein Bürstner, einer Mitmieterin, einbestellt, verweigert jegliche Auskunft. Keiner der drei Männer will sich legitimieren, und K. ist ratlos. Den Gedanken, seinen Freund, den Staatsanwalt Hasterer anzurufen, verwirft er gleich wieder. Der Aufseher stellt K. frei, zur Arbeit in die Bank zu fahren.
Am Abend seiner Verhaftung sucht K. das Gespräch mit seiner Zimmerwirtin Frau Grubach. Diese kann die morgendlichen Vorkommnisse zwar nicht einordnen, versucht aber K. zu beruhigen.
Spät am Abend will K. sich bei Fräulein Bürstner dafür entschuldigen, dass ihr Zimmer ohne ihre Erlaubnis als Verhörraum benutzt wurde. Er stellt die Szenen der Verhaftung im Zimmer nach. Er wird aufdringlich und küsst sie. Danach geht er zufrieden ins Bett.
Erste Untersuchung
Josef K. wird telefonisch aufgefordert, am kommenden Sonntag vor dem Untersuchungsgericht zu erscheinen. Als Ort wird ihm eine Adresse in einer ärmlichen Vorstadt genannt.
Mit Mühe findet K. den Verhandlungssaal in einem heruntergekommenen Mietshaus: das Hinterzimmer einer Mietwohnung. In einem engen Raum haben sich viele Menschen versammelt. K. hält eine lange Rede über die Willkür einer Organisation, die hinter seiner Verhaftung steht. Er beleidigt den Untersuchungsrichter und die Kommission, und erklärt sich für unschuldig. Zu einem Verhör kommt es nicht.
Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien
Unaufgefordert erscheint K. am nächsten Sonntag erneut im Gerichtssaal, den er leer vorfindet. Die Mieterin der Wohnung und Ehefrau des Gerichtsdieners bietet ihm Hilfe in seiner Sache an und versucht sich K. zu nähern. Auch K. ist nicht abgeneigt, doch der Student und angehende hohe Beamte Berthold erscheint und führt die Frau zum Untersuchungsrichter, der angeblich ein Auge auf sie geworfen hat.
Der Gerichtsdiener überredet K. zum Besuch der Gerichtskanzleien, die sich auf dem Dachboden befinden. Aufgrund der stickigen Luft dort erleidet K. einen Schwächeanfall. Der Auskunftsbeamte der Kanzlei und ein junges Mädchen bringen ihn zum Ausgang. K. beschließt seine Sonntage in Zukunft anders zu verbringen.
Die Freundin des Fräulein Bürstner
K. sucht nach einer Möglichkeit sich vor Fräulein Bürstner wegen seiner Aufdringlichkeit zu rechtfertigen, doch diese weicht ihm aus. Ihre Freundin Fräulein Montag erklärt K. in Fräulein Bürstners Namen die Nutzlosigkeit einer Aussprache.
Der Prügler
Eines Abends werden die Wächter Willem und Franz in einer Rumpelkammer der Bank von einem dritten Mann verprügelt, weil K. sich in seiner Rede beim Untersuchungsgericht über ihr Vorgehen beschwert hatte. Erfolglos versucht K. den Prügler zu bestechen, damit er von den beiden ablasse. Als die Wächter am nächsten Abend erneut in der Kammer verprügelt werden, fordert K. die Bankdiener auf, die Rumpelkammer aufzuräumen. Das wollen diese am nächsten Tag tun.
Zu Elsa [Fragment**]
K. ignoriert den Befehl unverzüglich vor Gericht zu erscheinen. Er ist bei seiner Geliebten Elsa, bei der er alles vergisst.
Der Onkel – Leni
K.’s Onkel und früherer Vormund Albert erfährt von dem Prozess und eilt zu seinem Neffen, um ihm zu helfen. Gemeinsam suchen sie Alberts Schulfreund, den Armenanwalt Huld auf. Dieser ist krank; die Pflegerin Leni sorgt für ihn.
Der Kanzleidirektor ist gerade zu Besuch bei Huld, und während die drei älteren Herren den Fall diskutieren, wird K. von Leni aus dem Zimmer gelockt. Sie rät ihm zu einem Geständnis und verführt ihn.
Vor dem Haus wartet der Onkel auf K. und wirft ihm vor, dass er bei der für ihn wichtigen Besprechung nicht anwesend war.
Als sie aus dem Theater traten [Fragment**]
Nach einem Theaterbesuch versucht K. seinen Onkel loszuwerden, um mit Fräulein Bürstner reden zu können.
Advokat – Fabrikant – Maler
Im Winter erwägt K., dem Rechtsanwalt das Mandat zu entziehen. Ebenso wenig wie K. selbst kann Huld die Anklageschrift einsehen. Er behauptet, sein Handeln den Regeln der geheimen Gerichtsbarkeit anpassen zu müssen, was zu Untätigkeit führt. Deshalb beschließt K., selbst eine Eingabe zu verfassen und bei Gericht einzureichen.
Je weiter er sich auf den Prozess einlässt, desto unkonzentrierter und unwilliger geht er seiner Arbeit nach. Der Stellvertreter des Bankdirektors übernimmt deshalb K.’s Aufgaben. Entsetzt erkennt K., dass immer mehr Leute von dem Prozess wissen. Ein Bankkunde empfiehlt ihm, den Maler Titorelli um Rat anzugehen: dieser sei ein Vertrauensmann des Gerichts.
In Titorellis Atelier erfährt K., dass er trotz seiner Unschuld nicht mit einem Freispruch rechnen könne, weil es den faktisch nicht gebe. Seiner Verurteilung könne K. nur durch eine scheinbare Freisprechung oder durch Verschleppung entgehen. K. solle seine Entscheidung für eine der beiden Möglichkeiten überlegt, aber zeitnah treffen und wiederkommen.
Auf dem Dachboden des Hauses, in dem der Maler wohnt, befinden sich ebenfalls Gerichtskanzleien.
Kaufmann Block – Kündigung des Advokaten
K. erscheint bei Huld, um ihm die Vertretung zu entziehen. Er begegnet dort dem Kaufmann Block, dessen Prozess sich im sechsten Jahr befindet. Huld gibt sich Mühe, um K. davon zu überzeugen, das Mandat aufrechtzuerhalten.
Im Dom
Im Herbst bekommt K. an einem Regentag von seinem Direktor den Auftrag, einem italienischen Geschäftsfreund den Dom zu zeigen. Der Italiener erscheint nicht zur verabredeten Zeit. Stattdessen wird K. zu einem Geistlichen geführt, der K. bei seinem Namen ruft und sich als Gefängniskaplan zu erkennen gibt.
Der Geistliche informiert K. darüber, dass der Prozess schlecht für ihn ausgehen werde. Zudem habe K. zuviel Hilfe gesucht, insbesondere bei Frauen. Um K.’s schlechte Meinung über das Gericht zu verändern, erzählt er ihm die Geschichte eines Mannes vom Lande, der Einlass zum Gesetz fordert. Ein Türhüter verhindert das. Bis zum Ende seines Lebens harrt der Mann neben dem Türhüter aus und wartet auf Einlass. Auf seine Frage, warum er der einzige Mensch an der Tür sei, erfährt er, dass der Eingang nur für ihn persönlich bestimmt gewesen sei. K. ist verwirrt und diskutiert mit dem Kaplan die Bedeutung der Geschichte.
Fahrt zur Mutter [Fragment**]
Da der Prozess zum Stillstand gekommen zu sein scheint, nimmt K. zwei Wochen vor seinem einunddreißigsten Geburtstag Urlaub, um seine Mutter zu besuchen.
Ende
Am Abend vor K.’s einunddreißigstem Geburtstag erscheinen zwei Männer, um ihn wortlos abzuführen. K. stellt unterwegs fest, dass kein Gericht ein Urteil über ihn gefällt hat. Er wird zu einem Steinbruch gebracht und mithilfe eines Fleischermessers hingerichtet.
»Der Prozess« ist eines von drei Romanfragmenten aus Kafkas Nachlass. In diesem Klassiker der Weltliteratur entwirft Kafka eine groteske und scheinbar irreale Welt, in der Grundrechte verletzt werden. Der Autor konfrontiert den Leser mit Rätseln, ohne Lösungen dafür anzubieten. Jeder ist selbst herausgefordert, Fragen zu stellen und Antworten zu finden. Was mag das zum Beispiel für eine Gerichtsbarkeit sein, die neben der für »normale« Rechtsbrüche wie Diebstahl zuständigen besteht? Allein die von Kafka 1915 separat veröffentlichte sogenannte Türhüterparabel oder Türhüterlegende mit dem Titel »Vor dem Gesetz« lässt viele Möglichkeiten der Interpretation zu.
**) Die als Fragment gekennzeichneten Kapitel sind nicht in allen Ausgaben enthalten.