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Der zerbrochne Krug

Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1811
Uraufführung
1808

Über das Werk

»Der zerbrochne Krug« ist ein Lustspiel von Heinrich von Kleist (1777-1811), das zwischen 1802 und 1806 entstand. Es wurde am 2. März 1808 unter Goethes Leitung am Weimarer Hoftheater uraufgeführt und erschien 1811 im Druck.

Das Werk gehört, neben »Minna von Barnhelm« (1767) von Gotthold Ephraim Lessing, »Leonce und Lena« (1836) von Georg Büchner und »Der Schwierige« von Hugo von Hofmannsthal (1921), zu den wenigen deutschsprachigen Komödien von Rang.

Im fiktiven, niederländischen Dorf Huisum wird der Dorfrichter Adam durch den Besuch des Gerichtsrats Walter überrascht, der die dörfliche Justiz begutachten soll. Just an diesem Tag wird wegen eines Kruges verhandelt, der am Vorabend im Zusammenhang mit einem unerlaubten Besuch bei der jungen Eve zerbrochen wurde. Die Klägerin, Eves Mutter, beschuldigt Eves Verlobten Ruprecht. Wie sich herausstellt, ist aber Adam der Schuldige, der Eve sexuell zu erpressen versucht hatte.

Kleist übernahm in »Der zerbrochne Krug« das Motiv des schuldigen Richters und die analytische Form von der Tragödie des Sophokles »König Ödipus«, transponierte beides aber ins komische Register. Als weitere Vorlage diente ihm ein zeitgenössischer Kupferstich, der eine Gerichtsszene darstellt, und dem er irrtümlich ein niederländisches Original zuwies. 

Die sprechenden Namen Adam und Eve deuten auf den Sündenfall und geben dem verhandelten Fall eine exemplarische Bedeutung, ferner sind für Adam mythologische Motive aus dem dionysischen Bereich nachzuweisen. Mit der Hauptfigur bringt Kleist eine Spielart des Komischen auf die Bühne, der von der Aufklärungskomödie unter Gottscheds Regie von dort verbannt worden war: die der Vital- und Improvisationskomik.

Das in Blankversen verfasste Stück ist in dreizehn Auftritte unterteilt, die unmittelbar ineinander übergehen. Es gibt nur einen Schauplatz – die Gerichtsstube –, keine Zeitsprünge und keine leere Bühne. Das Stück zählt in der Erstfassung, die in Weimar zur Aufführung kam, um die 2400 Verse. Die Aufführung dauerte zweieinhalb Stunden und wurde vor allem wegen dieser Länge zum Misserfolg. Kleist kürzte den Schluss für die Buchfassung erheblich, fügte die ursprüngliche Fassung des betroffenen zwölften Auftritts als »Variant« aber bei.

Die Vielzahl an mittlerweile entwickelten Deutungen findet neben der Hauptfigur vor allem an dem titelgebenden Gegenstand, dem zerbrochenen Krug selbst, einen ergiebigen Ansatzpunkt. Auf ihm war ein Historienbild von der Belehnung Philipps von Spanien mit den Niederlanden durch seinen Vater Kaiser Karl V. im Jahr 1555 abgebildet gewesen, und die Beschreibung des zerbrochenen Kruges im Mund der Klägerin, die die Bild-Ebene und die des beschädigten Bildträgers kurzschließt, gehört zu den berühmten Passagen des Lustspiels.

Der Krug wird von den Figuren des Stücks selbst in vielerlei Bedeutung als Metapher eingesetzt. Das von Jean-Baptiste Greuze (1725-1805) berühmt gemachte Bildmotiv des Mädchens, das einen zerbrochenen Krug hält und auch in dem dem Stück als Vorlage dienenden Kupferstich zitiert wurde, führt den Krug als Metapher für die verlorene, sexuelle Unschuld: So wird er auch im Stück eingesetzt. Ferner steht er für die Ehre Eves, des betroffenen Mädchens, für ihre Verlobung und wird mit dem – ebenfalls beschädigten – Kopf des Richters parallelisiert. An der Zerstörung des Kruges veranschaulicht die Klägerin Marthe die Unfähigkeit der Justiz, entstandenen Schaden tatsächlich wiedergutzumachen.

Veröffentlicht am 31. August 2012. Zuletzt aktualisiert am 2. Juli 2023.

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