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Leutnant Gustl

Originaltitel
Lieutenant Gustl
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1900
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Über das Werk

»Leutnant Gustl« (zunächst: »Lieutenant Gustl«) gehört neben »Fräulein Else« und »Traumnovelle« zu den bekanntesten Prosawerken des österreichischen Autors Arthur Schnitzler (1862–1931).

Der etwa sechsundzwanzigjährige, aus Graz gebürtige Leutnant Gustl gerät an der Garderobe des Wiener Musikvereins mit einem Bäckermeister aneinander, der ihm, körperlich überlegen, in dem Gedränge das Zerbrechen seines Säbels androhen und ihn als dummen Bub beschimpfen kann, dann aber – niemand hat es gesehen – gute Miene macht, um Gustl nicht öffentlich zu beschädigen. Der Leutnant, der den Zivilisten nicht zum Duell fordern kann und die Gelegenheit zur sogenannten Ehrennotwehr verpasst hat, betrachtet sich wegen des erlittenen Schimpfes als satisfaktionsunfähig und sieht keinen anderen Weg, seine Ehre wieder herzustellen, als den Selbstmord. Er verbringt die Nacht im Freien und erfährt am frühen Morgen im Kaffeehaus zu seiner großen Freude, dass der Bäckermeister noch in der Nacht an einem Schlaganfall gestorben ist.

Die Novelle wird auch als Monolognovelle bezeichnet, denn sie besteht einzig und allein aus den Gedanken der Hauptfigur. Diese literarische Technik war im Französischen 1887 von Édouard Dujardin in der Erzählung »Les Lauriers sont coupés« eingeführt worden, auf die sich Schnitzler auch beruft. Im deutschen Sprachraum hat er sie als erster realisiert.

Mit der Datierung auf den 4. April schafft Schnitzler einen Bezug zu der am 4. April 1900 im Wiener Musikverein tatsächlich erfolgten Aufführung des Oratoriums »Paulus« von Mendelssohn-Bartholdy. Die Bekanntheit der Schauplätze – neben dem Konzerthaus die Innere Stadt mit Hofburg und Volksgarten, der Prater, die Stephanskirche, ein Kaffeehaus – kommt der gewählten Form des Inneren Monologs entgegen, in der längere Beschreibungen unrealistisch wirken müssten. Die Novelle umfasst etwa die acht Stunden von zehn Uhr abends bis sechs Uhr in der Frühe, mit einer vielleicht zweistündigen Pause, in der der Leutnant schläft.

Schnitzler bemüht sich, den Soziolekt des Leutnants nachzubilden, und verzichtet darauf, den Unterschied von gesprochener und nur gedachter Rede durch eine weitgehende syntaktische Desintegration anzuzeigen. Lediglich der häufige Gebrauch von Auslassungspunkten deutet auf die nicht-sprachlichen Aktivitäten des Bewusstseins hin.

Die Novelle wurde am 25. Dezember in der Weihnachtsbeilage der »Neuen Freien Presse« das erste Mal gedruckt. Das war in der österreichischen Öffentlichkeit ein besonders exponierter Ort, und diese Exponiertheit dessen, was als Angriff auf das österreichische Offizierskorps insgesamt missverstanden werden konnte, wurde zum Ausgangspunkt eines ehrenrätlichen Verfahrens gegen Schnitzler und einer Reihe heftiger Kritiken, ja von Anfeindungen, die noch einmal an Schärfe gewannen, als Schnitzler tatsächlich nach etwa einem halben Jahr seine Offizierscharge (die für ihn keine Bedeutung hatte) aberkannt wurde.

Die erste Buchausgabe mit Illustrationen von Moritz Coschell folgte 1901.

Die Novelle gehört zu den wichtigsten Texten der Klassischen Moderne und insbesondere der Wiener Moderne und ist Gegenstand einer vielfältigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung.

Veröffentlicht am 3. April 2012. Zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2023.

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