Die 1804 erschienene Märchennovelle »Der Runenberg« von Ludwig Tieck kreist um den Jäger Christian, der zwischen seinem Familienleben im Tal und der dunklen Anziehung der Berge hin- und hergerissen ist. Als Christian den Verlockungen des Runenbergs erliegt, gehen er und seine Familie zugrunde. Der Klassiker der Romantik spielt in einer fiktiven Bergregion um das Jahr 1800.
Weil ihn die Berge faszinieren, verlässt Christian, Sohn eines Gärtners, sein Heimatdorf und wird Jäger. Als er sich eines Abends im Wald einsam fühlt, steht plötzlich ein fremder Mann vor ihm und fragt, wer er sei. Christian erzählt von sich, und schließlich weist ihm der Fremde den Weg zum Runenberg. Er deutet an, dass Christian dort die Erfüllung aller Wünsche finden werde.
Christian wandert den schroffen Berg hinauf, an dessen Hängen Ruinen liegen. Der Weg endet vor einer Mauer mit einem Fenster. Durch das Fenster sieht Christian eine schöne Frau in einem Saal voller Kristalle. Er beobachtet sie beim Entkleiden und ist überwältigt von ihrer Sinnlichkeit. Völlig unerwartet überreicht sie ihm eine mit Edelsteinen geschmückte magische Steintafel als Andenken. Mit der Tafel in Händen findet Christian sich im Dunkeln wieder. Im Morgengrauen stürzt er im Halbschlaf in die Tiefe und wird bewusstlos.
Am anderen Morgen erwacht er ohne die Tafel im Tal. Er zweifelt an der Realität des Erlebten. In einem Dorf nimmt er am Gottesdienst teil; er ist bewegt und schämt sich seines nächtlichen Abenteuers. Am Nachmittag lernt er beim Erntefest die junge Elisabeth kennen, deren sanfte Schönheit ihm bereits in der Kirche aufgefallen war. Er lässt sich im Dorf nieder und arbeitet als Gärtner für Elisabeths Eltern.
Christian ist beliebt und anerkannt. Er und Elisabeth heiraten und bekommen ihr erstes Kind, das sie Leonore taufen. Um seinen Eltern von seinem Glück zu erzählen, geht Christian zu Fuß in sein Heimatdorf. In der Nähe des Runenberges widersteht er dabei der Versuchung, die Frauengestalt von einst erneut aufzusuchen. Da seine Mutter inzwischen verstorben ist, nimmt Christian seinen Vater zu sich ins Haus. Elisabeth bringt weitere Kinder zur Welt, und die einträchtige Familie baut einen bescheidenen Wohlstand auf.
Fünf Jahre später bittet ein Fremder um Herberge in Christians Haus. Die Familie schätzt seine Gesellschaft; Christian hat das Gefühl, ihn von irgendwoher zu kennen. Als der Mann nach Monaten weiterzieht, vertraut er Christian Geld an: Falls er nach einem Jahr nicht zurückkehre, solle Christian es behalten. Das Geld in seinem Besitz raubt Christian seine Ruhe. Als das Jahr um ist, legt er es in Grundbesitz an. Er ist nun einer der reichsten Männer im Dorf.
Zu dieser Zeit beginnt Christian wild zu träumen, irre zu reden und seine Familie zu vernachlässigen. Sein Vater redet ihm ins Gewissen und erfährt, dass sein Sohn sich noch immer zur Frau vom Runenberg hingezogen fühlt. Zudem verachtet Christian die Pflanzenwelt und stellt ihr die Welt der Steine als einzig erstrebenswerte gegenüber.
Beim nächsten Erntedankfest zieht Christian sich zurück in den Wald. Dort begegnet er einer Gestalt, die er aus der Ferne für den Fremden hält. Beim Näherkommen erkennt er eine hässliche Alte, die sich als Waldweib vorstellt. Als sie sich entfernt, meint Christian die Schleier und Farben der schönen Frau von damals zu erkennen. Im nächsten Moment findet er die Tafel, die er vor Jahren bei seinem Sturz verloren hatte. Er sieht damit seine Träume bestätigt.
Christian kehrt mit der Tafel ins Dorf zurück und fantasiert von Schätzen im Erdreich. Die Warnungen seines Vaters, dass die Tafel sein Herz versteinern werde, ignoriert er. Christian meint, dem Ruf des alten Weibs folgen zu müssen und verschwindet im Wald. Sein Vater ist untröstlich und stirbt ein halbes Jahr später.
Als auch ihre Eltern sterben, sorgt Elisabeth allein für den Hof und die Kinder. Zwei Jahre nach Christians Weggang heiratet sie einen Jugendfreund. Unglück kommt über die Familie. Missernten, veruntreutes Geld und die Trunksucht ihres Mannes treiben Elisabeth ins Elend.
Als Elisabeth eines Tages das wenige verbliebene Vieh hütet, kommt eine zerlumpte Gestalt auf sie zu. Es ist Christian, der ihr wertlose Steine als Edelsteine präsentiert. Er küsst Elisabeth und will ein letztes Mal seine Tochter Leonore umarmen. Elisabeth befürchtet, dass ihr zweiter Mann auftaucht. Christian beruhigt sie: Er gehe gleich zurück in den Wald zu der schönen Frau. Elisabeth und Leonaore bleiben verstört zurück und sehen Christian mit dem Waldweib reden. Danach wird er nie wieder gesehen.