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Die Panne

In Friedrich Dürrenmatts 1956 veröffentlichten Erzählung »Die Panne« kann der Protagonist Alfredo Traps am Ende nicht mehr zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden. Durch eine Autopanne in einen Kreis von Juristen im Ruhestand geraten, die zum Zeitvertreib eine Gerichtsverhandlung inszenieren, übernimmt Traps die Rolle des Angeklagten. Obschon vor dem öffentlichen Gesetz unschuldig, vollstreckt er das im […]

Werkdaten

Titel
Die Panne
Vollständiger Titel
Die Panne: Eine noch mögliche Geschichte
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1956
Originalsprache
Deutsch

Inhaltsangabe

In Friedrich Dürrenmatts 1956 veröffentlichten Erzählung »Die Panne« kann der Protagonist Alfredo Traps am Ende nicht mehr zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden. Durch eine Autopanne in einen Kreis von Juristen im Ruhestand geraten, die zum Zeitvertreib eine Gerichtsverhandlung inszenieren, übernimmt Traps die Rolle des Angeklagten. Obschon vor dem öffentlichen Gesetz unschuldig, vollstreckt er das im Spiel ergangene Todesurteil gegen sich selbst, da er die moralische Verwerflichkeit seines Lebens erkennt. Das Werk ist in einem kleinen Dorf in der Gegenwart angesiedelt und trägt den Untertitel »Eine noch mögliche Geschichte«.


Erster Teil

Der Autor bejaht die selbstgestellte Frage, ob sich noch mögliche Geschichten und damit Stoff für Literatur finden lassen: Pech und Pannen und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zum Erzählen werde es immer geben.

Zweiter Teil

Der Textilvertreter Alfredo Traps hat in einem Dorf eine Autopanne und findet Aufnahme in der Villa eines pensionierten Richters. Der Gastgeber erwartet dafür von Traps die Teilnahme an einem Abendessen mit seinen Freunden. Allabendlich spielen die wunderlichen Greise dabei ihre alten Berufe: der Gastgeber den Richter, Kurt Zorn den Staatsanwalt und Kummer den Advokaten. Der glatzköpfige Pilet, Wirt im Nachbardorf, war bis zur Abschaffung der Todesstrafe als Henker tätig.

Traps übernimmt die Rolle des Angeklagten. Er hält sich für völlig unschuldig und schenkt dem Hinweis, dass sich immer eine Schuld finden lasse, keine Beachtung. Als einfach denkender Geschäftsmann und intellektuell unterlegen bemerkt Traps nicht, dass er vom Beginn des Essens an verhört wird. Bereitwillig erteilt er Auskunft über Frau und Kinder und darüber, wie er sich, aus kleinen Verhältnissen stammend, hochgearbeitet hat.

Sein Verteidiger Kummer ermahnt Traps vergeblich zur Zurückhaltung. Das Essen ist exquisit und reichhaltig, jeder der zahllosen Gänge wird von Wein begleitet und Traps plaudert gelöst. Er räumt ein, nicht immer fair gewesen zu sein im harten geschäftlichen Wettbewerb. Seinen inzwischen verstorbenen Chef Gygax habe er erfolgreich verdrängt. Auch ein Verhältnis mit dessen Frau gibt Traps vertrauensselig zu. Er hält alles für ein verrücktes Spiel. Unter zunehmendem Alkoholeinfluss kommt es zu Sympathiebekundungen und Verbrüderungen zwischen Alfredo Traps und den übrigen Männern.

In der Anklagerede bezichtigt Zorn Traps des Mordes. Da sein Chef ihn neben sich nicht habe hochkommen lassen, habe Traps zu unlauteren Methoden gegriffen und hinter dem Rücken von Gygax dessen Ruf beschädigt. Seine Frau habe er als Informationsquelle und Werkzeug benutzt, um seinen Chef vorsätzlich zu ruinieren. Der Herzinfarkt, dem Gygax erlegen ist, sei eine Folge von Traps‘ Intrigen.

Traps wird nachdenklich, nimmt kleinere Korrekturen vor, stimmt aber im Großen und Ganzen den Ausführungen des Staatsanwalts zu. Dieser fordert die Todesstrafe für einen Mord, der auf geniale Weise psychologisch durchgeführt worden sei. Traps fühlt sich geliebt und verstanden. Er bekennt sich zu seiner Tat und ist glücklich darüber, dass sie von erfahrenen Juristen gewürdigt wird.

Entrüstet wehrt er sich gegen das Plädoyer seines Verteidigers. Dieser führt aus, dass Traps ein Durchschnittsmensch und Opfer seiner Zeit sei, zwar rücksichtslos und moralisch angreifbar, doch innerhalb der Grenzen der Legalität handelnd. Traps fühlt sich durch Kummers Verteidigungsrede abgewertet und unterschätzt. Er besteht darauf, einen Mord begangen zu haben und bittet um das entsprechende Urteil.

Der Richter kommt zu dem Schluss, dass Traps‘ Handeln in der normalen Alltagswelt nicht verwerflich sei, doch nach den besonderen Gesetzen ihrer Runde müsse er ihn zum Tode verurteilen. Das Urteil stütze sich im Wesentlichen auf das Schuldeingeständnis des Angeklagten. Die Verurteilung sei ein Ritterschlag der Gerechtigkeit und Alfredo damit in ihr Kollegium aufgenommen.

Solcherart geadelt schleppt Traps sich zufrieden in sein Gastzimmer. Als die anderen ihm das von Hand geschriebene Urteil als Erinnerungsstück bringen wollen, finden sie Alfredo erhängt im Fensterrahmen.


Die Erzählung und ihr Ausgang sind, wie der Untertitel sagt, nur eine mögliche Geschichte. Zu demselben Thema gibt es von Dürrenmatt eine Komödie, an dessen Ende sich Traps erschießt, und eine Hörspielfassung. Darin schläft Traps seinen Rausch aus und setzt am nächsten Tag sein gewohntes Leben fort. Wie in jedem seiner Werke setzt Dürrenmatt sich auch hier auf beeindruckende Weise mit dem Begriff der Gerechtigkeit auseinander und stellt die Frage, ob es möglich ist, in dieser Welt zu leben, ohne Schuld auf sich zu laden.

Veröffentlicht am 26. August 2014. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Schweizer Schriftsteller und Dramatiker
Der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt erblickte am 5. Januar 1921 in Konolfingen (Kanton Bern) vor dem Hintergrund der weltweiten Rezession das Licht der Welt. Dort besuchte der Pfarrerssohn auch das Gymnasium und machte später sein Abitur. Dürrenmatt war ein eher durchschnittlicher S…

Aufbau der Erzählung

Die Erzählung gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste nur wenige Seiten umfasst. Es werden darin grundsätzliche Überlegungen zu den Ansprüchen an Schriftsteller und die Möglichkeiten der Literatur angestellt. Der zweite Teil, der das gesamte übrige Buch ausmacht, bestätigt die im ersten Teil aufgestellte Behauptung, dass sich aus Pannen Geschichten machen lassen.

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