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Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr

In Franz Friedrichs 2014 erschienenem Debüt »Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr« sind Geschichten unterschiedlicher Länge zu einem Roman verwoben: Den Hauptteil bilden die Aufzeichnungen der Dokumentarfilmerin Susanne Sendler, die auf die abgelegene finnische Insel Uusimaa reist, um sich dem Geheimnis der verstummten Lapplandmeisen zu nähern. …

Werkdaten

Titel
Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
2014

Inhaltsangabe

In Franz Friedrichs 2014 erschienenem Debüt »Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr« sind Geschichten unterschiedlicher Länge zu einem Roman verwoben: Den Hauptteil bilden die Aufzeichnungen der Dokumentarfilmerin Susanne Sendler, die auf die abgelegene finnische Insel Uusimaa reist, um sich dem Geheimnis der verstummten Lapplandmeisen zu nähern. In Berlin begegnet die amerikanische Doktorandin Monika einem rätselhaften finnischen Chor. Als die Meisen im Jahre 2017 wieder singen, begibt sich ein junger Filmemacher aus Brüssel auf die Spuren von Susanne Sendler. Weitere Handlungsorte sind Schweden und ein brandenburgisches Dorf. Die erzählte Zeit umfasst etwa zwei Jahrzehnte von 1996 bis 2017.


Die Lapplandmeisen

Ein Filmstudent findet im Archiv eines Instituts in Berlin den einzigen Naturfilm von Susanne Sendler. Er ist den verstummten Lapplandmeisen auf Uusimaa gewidmet. Der Student ist beeindruckt von dem sehr persönlichen Werk. Er schaut die einzige erhaltene Kopie des 16mm-Films immer wieder an, bis er am Ende die Filmrolle unbeabsichtigt zerstört.

Im Jahre 2017 sitzt der frühere Student und heutige Filmemacher in einem abstürzenden Flugzeug. Er hat Frau und Tochter in Brüssel verlassen und ist mit Kamera und Tonband auf dem Weg nach Uusimaa: Nach 21 Jahren haben die Lapplandmeisen wieder angefangen zu singen. Unerklärlicherweise waren sie nur dort und nirgends sonst in ihrem Lebensraum im nördlichen Eurasien verstummt. Man hatte darin erste Anzeichen einer drohenden Naturkatastrophe gesehen und die Bewohner der Insel evakuiert.

Uusimaa

Seit der Evakuierung ist Uusimaa ein Vogelschutzreservat mit einer ornithologischen Forschungsstation. Als Ich-Erzählerin schildert Susanne Sendler ihren ersten Besuch auf Uusimaa im Jahre 1997. Sie unternimmt lange Streifzüge über die Insel und sammelt unter den knapp vierzig Forschern verschiedene Thesen über das Schweigen der Meisen.

Ein junges Paar hält den Gesang der Meisen für die Aufführung eines Jahrtausende währenden Musikstücks, in dem jetzt eine Pause auftauche. Für andere sind die verstummten Tiere Vorboten einer Apokalypse zur nahen Jahrtausendwende. Die Meisen werden als mögliche Opfer von biochemischen Waffenexperimenten der Nato, der Giftwolken der maroden russischen Industrie oder der Strahlung der Mobilfunkantennen von Nokia angesehen. Als mögliche Erklärungen werden auch Inzest, eine Seuche oder Lustlosigkeit unter den Vögeln genannt.

In der Forschungsstation hat sich ein Chor zusammengefunden, dessen traditionelle Lieder Susanne Sendler tief berühren. Schließlich verlässt sie die Insel ohne nennenswertes Filmmaterial. Auf der Rückfahrt rät ihr der Kapitän der Fähre Aulis Lindros, im ruhigeren Winter wiederzukommen und zu drehen.

Natalia

In ihrem ersten Studienjahr in Berlin entdeckt die Amerikanerin Monika in einer sowjetischen Zeitschrift aus den 1930er Jahren das Foto einer jungen Frau. Sie verliebt sich in die Unbekannte und es gelingt ihr zwei Jahre später, das Foto zu fotografieren.

Sommer mit Marta

Der Filmemacher aus Brüssel erinnert sich an den ersten gemeinsamen Urlaub mit seiner Frau Marta: Unter einfachsten Bedingungen hatten sie glückliche Sommermonate im Schärengarten vor Stockholm verbracht und von einem Leben als Selbstversorger geträumt.

Svanhilds Sichtung

Der finnische Nationalepos Kalevala regt Susanne Sendler zu einer Fahrt in den mecklenburgischen Ort Kiesow an, den sie von früher kennt. Dort meint sie, unbekannte Flugobjekte über sich kreisen zu sehen. Zeitgleich ersterben alle Geräusche und Gerüche in der Natur.

Der neue Tag

Das Flugzeug ist auf einem Feld in Brandenburg abgestürzt. Im nächsten Dorf sieht der unverletzt gebliebene Filmemacher zufällig eine Nachrichtensendung. Darin wird über die Entdeckung neuer Planeten und ihre Vernetzung mit der Erde berichtet.

Der heißeste Februar seit Menschengedenken

Im Jahre 2007 arbeitet Monika in Berlin an ihrer Dissertation. Während eines Streifzugs durch die Stadt wird sie auf einen finnischen Chor aufmerksam. Der mehrstimmige Gesang rührt sie an.

Aufgrund ihrer mittelmäßigen Leistungen wird Monika das Stipendium für die Doktorarbeit aberkannt. Sie soll in die von der weltweiten Depression stark betroffene USA abgeschoben werden. Monika sehnt sich nach dem bewegenden Gesang des finnischen Chores und folgt ihm durch die sommerlich heiße Stadt.

Auf der Flucht vor der Polizei, die ihre Ausweisung durchsetzen soll, trifft sie zufällig die beiden Chormitglieder Hektor und Paul. In deren Wohnung erfährt Monika, dass der finnische Chor aus evakuierten Bewohnern der Insel Uusimaa besteht, die das Verstummen der Lapplandmeisen besingen: Sie seien höher geflogen als ihnen zustand, nämlich bis zu den Sternen, erklärt Paul. Der sechzehnjährige Paul stellt sich als Sohn der Leiterin der Forschungsstation auf Uusimaa vor.

Paul und Hektor verschwinden ohne Erklärung, während Monika müde und kraftlos in der Wohnung zurückbleibt. Sie schläft tagelang und erfindet Lebensentwürfe für die russische Frau auf dem Foto. Als Monika zum ersten Mal das Haus verlässt, verliert sie vor einem Supermarkt das Bewusstsein.

Nach Uusimaa, nach Uusimaa!

Am Fährterminal in Oulu warten die ehemaligen Bewohner von Uusimaa auf den Eisbrecher, der sie auf die Insel bringen soll. Der Filmemacher ist unter ihnen. Er macht in der Menge auch eine Amerikanerin aus. In einer von Menschen umringten Frau meint er Susanne Sendler zu erkennen.

Während der Überfahrt wird auf dem Schiff ein Bettlaken als provisorische Kinoleinwand gespannt. Vorgeführt wird der 16mm-Film »Die Rückkehr von den Sternen«. Darin fliegt eine Lapplandmeise dem Schiff entgegen. Sie lässt sich auf der Schulter von Susanne  Sendler nieder und singt.


Der vorliegende Roman ist in seiner Vielschichtigkeit rätselhaft und verständlich zugleich. Virtuos geht Franz Friedrich mit Sprache um und verknüpft verschiedene Erzählstränge zu einer schlüssigen Handlung. Und doch: Neben dem Offensichtlichen existiert immer auch die Möglichkeit, dass alles ganz anders sein könnte. Das wirft die Frage auf, ob sich Menschen, Handlungen oder Natur abbilden lassen, sei es in der Literatur oder im Film. In poetischen Bildern und mit viel Sinn für Details konfrontiert der Autor seine Leser mit den Themen unserer Zeit. Seine Protagonisten suchen nach individuellen Antworten auf die Frage, ob und wie unter den heute gegebenen Voraussetzungen ein erfülltes Leben gelingen kann. Der Roman stand 2014 auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis und der Autor wurde im selben Jahr mit dem Jürgen Ponto-Literaturpreis ausgezeichnet.

Veröffentlicht am 31. Oktober 2014. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Deutscher Schriftsteller
Der deutsche Schriftsteller Franz Friedrich wurde 1983 in Frankfurt/Oder geboren. Er ist der Sohn des Schauspielers und Musikers Friedrich Liechtenstein.
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