»Faust – Der Tragödie erster Teil« (»Faust I«) ist ein Drama von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1808. Ort der Handlung ist Deutschland um das Jahr 1500. Das Werk verknüpft zwei Handlungsstränge: die »Tragödie des Gelehrten Faust« und die »Gretchentragödie«. Hauptperson ist der Wissenschaftler Heinrich Faust, der nach Erkenntnis strebt und unfähig ist, sein Leben zu genießen. Aus diesem Grund schließt er einen verhängnisvollen Pakt mit dem Teufel und verspricht diesem seine Seele. Damit stürzt Faust auch das unschuldige Gretchen ins Unglück.
Dem eigentlichen Stück sind drei Texte vorangestellt: Die Zueignung, das Vorspiel auf dem Theater und der Prolog.
Die »Zueignung« ist ein Gedicht. Die fiktiven Figuren seines Stücks sind dem Dichter seit langem vertraut. Er beschwört sie herauf, und sie erscheinen als lebendige Wesen in seiner Wirklichkeit. Mit ihnen kommen wehmütige Erinnerungen aus der Vergangenheit zurück. Der Dichter wird von Schwermut erfasst. Er trauert um die verlorene Zeit.
Im Vorspiel auf dem Theater treten der Direktor, der Theaterdichter und eine lustige Person auf. Der Direktor plant eine neue Aufführung. Dafür bittet er den Dichter und die lustige Person um ihre Mithilfe. Er selbst muss die Erwartungen des Publikums befriedigen, um geschäftlichen Erfolg zu haben. Der Dichter fühlt sich vor allem der Kunst verpflichtet. Die lustige Person hält dagegen, dass das Publikum ein Recht darauf habe, unterhalten zu werden.
Der Prolog findet im Himmel statt. Dort glaubt Gott, der Herr, an das Gute in jedem Menschen: Nicht einmal der zweifelnde Doktor Faust würde sich vom rechten Weg abbringen lassen. Der Teufel, Mephisto, dagegen ist überzeugt, dass er Faust auf Abwege führen könne. Er schließt darüber eine Wette mit Gott ab.
Dr. Heinrich Faust ist ein angesehener Gelehrter. Trotz seiner hervorragenden Bildung und seiner unermüdlichen wissenschaftlichen Studien kann der Akademiker den wesentlichen Geheimnissen des Lebens nicht auf die Spur kommen. Er giert nach mehr Erkenntnis und mehr Lust. Eines Nachts sitzt er in seinem Studierzimmer und grübelt über den Sinn des Daseins nach. Antworten findet er keine.
Verzweifelt wendet sich Faust der Geisterwelt zu und beschwört den Erdgeist. Er versucht, sich den Geistern gleichzustellen, was ihm jedoch nicht gelingt. Auch sein Assistent, der Famulus Wagner, kann ihm nicht helfen. Von Ohnmacht und Überdruss getrieben, will Faust sich das Leben nehmen. Das einsetzende Glockenläuten zum Ostertag bringt Erinnerungen an eine glückliche Kindheit zurück. Dies hält ihn davon ab, den Giftbecher zu leeren.
Am nächsten Tag begeben sich Faust und Wagner auf einen Osterspaziergang, um Ablenkung zu finden. Ein schwarzer Pudel folgt den beiden. Faust nimmt ihn mit in sein Studierzimmer. Der Pudel entpuppt sich als der Teufel Mephistopheles. Faust geht einen Pakt mit ihm ein: Mephistopheles verspricht, Faust zu dienen und ihm alle seine Wünsche zu erfüllen. Sollte es ihm gelingen, Faust dazu zu bringen, einen glücklichen Augenblick festhalten zu wollen, bekommt der Teufel seine Seele.
Zuerst bringt Mephisto Faust zu einem Trinkgelage in »Auerbachs Keller«. Er will Faust zeigen, wie leicht es ist, zu leben und sein Leben zu genießen. Beide setzen sich zu Studenten an einen Tisch und Mephistopheles zaubert verschiedene Weinsorten auf den Tisch. Je mehr die Gesellschaft trinkt, desto mehr erinnert das Verhalten der Studenten an das von Tieren. Sie verspotten das Leben, die Menschen, die Kirche und die Liebe. Als der Wein sich plötzlich in Feuer verwandelt, gehen die Betrunkenen wütend auf Mephisto los. Durch Zauberkraft gelingt es Mephisto und Faust aus »Auerbachs Keller« zu fliehen.
Mephisto führt Faust anschließend in die Hexenküche. Dort nimmt Faust auf Betreiben von Mephisto einen Zaubertrank zu sich. Dieser verjüngt ihn und lässt ihm jede Frau schön und begehrenswert erscheinen.
Zurück in der Stadt, begegnet Faust auf der Straße der jungen Margarete, dem Gretchen. Er ist verzückt von dem Mädchen, das ihn für einen Edelmann hält. Faust verlangt von Mephisto, ihm Gretchen als Geliebte zu beschaffen, andernfalls werde er den vereinbarten Pakt brechen. Mit List und Tücke will Mephisto die Aufgabe erfüllen. In Gretchens Abwesenheit führt er Faust in ihr Zimmer. Bei ihrer Rückkehr findet das Mädchen kostbaren Schmuck in ihrem Schrank. Gretchens Mutter zeigt ihn dem Pfarrer, der ihn für die Kirche beschlagnahmt.
Faust will Gretchen ein noch wertvolleres Geschenk machen. Um sein Ziel zu erreichen, bittet Faust Mephisto, sich Gretchens Nachbarin Marthe anzunähern. Die Frau findet Gefallen an Mephisto. Sie will jedoch die Gewissheit haben, dass ihr verschollener Mann nicht mehr lebt. Faust und Mephisto betrügen Marthe, indem sie ihr versichern, dass ihr Mann tot sei. Die beiden Paare treffen sich im Garten von Marthe. Dort nähern sich Faust und Gretchen einander an. In einem Gartenhäuschen kommt es zum ersten Kuss.
Faust zieht sich danach zurück und sucht Ruhe und Meditation in der Natur. Er dankt dem Erdgeist dafür, dass er die Welt nicht mehr nur wissenschaftlich erfassen, sondern auch mit Gefühl erspüren kann. Beim Nachdenken über den Teufelspakt wird er sich der zunehmenden Abhängigkeit von Mephisto bewusst. Dieser nutzt jede Gelegenheit, Fausts Begierde weiter anzustacheln. Faust ahnt, dass er das Mädchen zerstören wird.
Auch Gretchen sehnt sich nach der körperlichen Nähe von Faust und seinen Küssen. Bei ihrer nächsten Begegnung kommen Gretchens Religiosität und Fausts gegensätzliche Vorstellungen zur Sprache. Margarete stellt Faust die berühmte Gretchenfrage.
Die sogenannte Gretchenfrage ist ein stehender Begriff der deutschen Sprache. Sie bezeichnet eine direkte und für eine bestimmte Entscheidung wesentliche Frage. Man kann davon ausgehen, dass dem Befragten die Antwort peinlich und unangenehm ist. Vielleicht wird er – wie Heinrich Faust – versuchen auszuweichen. Der Begriff geht nämlich zurück auf Goethes »Faust«. Dort stellt Margarete in Zeile 3415 (Marthens Garten) Heinrich die Frage, woran er eigentlich glaubt.
Margarete: Versprich mir, Heinrich!
Faust: Was ich kann!
Margarete: Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.
Faust: Laß das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;
Für meine Lieben ließ‘ ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.
Margarete: Das ist nicht recht, man muß dran glauben.
Faust lässt sich mehr und mehr von seiner Lust treiben. Um eine ungestörte Nacht mit der Geliebten zu verbringen, soll Gretchens Mutter ein Schlafmittel verabreicht werden. Faust steckt Gretchen die vermeintlich harmlose Medizin zu. Die Mutter stirbt jedoch daran.
Von Selbstvorwürfen geplagt, trifft Gretchen sich mit ihrem Bruder Valentin, einem Soldaten. Dieser weiß, dass Gretchen ihre Unschuld verloren hat, und will sich an Faust rächen. Er lauert Faust und Mephisto auf der Straße vor dem Haus auf. Es kommt zu einem Duell zwischen Valentin und Faust. In dessen Verlauf lässt Mephisto Valentins Arm erlahmen. Der von Mephisto angestachelte Faust ersticht Gretchens Bruder. Faust und Mephistopheles fliehen aus der Stadt.
Gretchen bleibt mit ihrem sterbenden Bruder zurück. Valentin nutzt seine letzten Worte dafür, Gretchen vor der versammelten Menschenmenge der Hurerei zu bezichtigen. Nach dem Tod ihres Bruders sucht Gretchen Zuflucht in der Kirche. Dort erscheint ihr ein böser Geist, der sie in ihrem Verdacht bestätigt, schwanger zu sein.
In der Walpurgisnacht führte Mephisto Faust zum Hexentanz auf den Brocken. Dort amüsieren sich die beiden mit lüsternen Hexen. Faust hat eine Erscheinung: Er sieht ein blasses Bild von Gretchen, das anscheinend hingerichtet worden ist. Mephisto geht nicht darauf ein. Mit einer Theateraufführung will er Faust zum einen ablenken und zum anderen wieder fester an sich binden: Der »Walpurgisnachtstraum« ist ein »Stück im Stück«. Es ist eine Hommage an Shakespeare und enthält gleichzeitig zahlreiche Anspielungen auf das Zeitgeschehen.
An einem trüben Tag auf freiem Feld erfährt Faust, dass Gretchen in ihrer Verzweiflung ihr neugeborenes Kind ertränkt hat. Sie ist zum Tode verurteilt und wartet im Kerker auf ihre Hinrichtung. Eine Rückkehr in die Stadt birgt Gefahren, dennoch will Faust Gretchen retten. Er macht Mephisto für das Unglück verantwortlich und verlangt, dass er ihm bei der Befreiung helfe. Mephisto weist jegliche Schuld von sich. Schließlich sei es Faust gewesen, der Gretchen begehrt und geschwängert habe. Mephisto erklärt sich nur bereit, den Wächter einzuschläfern und Zauberpferde für die Flucht zu stellen; Gretchens Befreiung müsse Faust selbst durchführen. Faust dringt in den Kerker ein und versucht Gretchen zu überzeugen, mit ihm zu fliehen. Doch aus Angst, noch weiter in die Verderblichkeit gezogen zu werden, lehnt Gretchen Fausts Hilfe ab. Sie wendet sich Gott zu, und wird von ihren Sünden erlöst.
Faust entflieht mit Mephisto.
Das bedeutende Werk ist ein Klassiker der Weltliteratur. Goethe selbst war vom »Fauststoff« fasziniert. Im Vorspiel seines Stücks diskutieren der Theaterdirektor, der Dichter und ein Schauspieler über die unterschiedlichen Anforderungen an ein Theaterstück. Sie kommen überein, dass »Faust« alle Ansprüche erfülle: Er bringe »den ganzen Kreis der Schöpfung« auf die Bühne – nämlich »vom Himmel durch die Welt zur Hölle!«