Skip to main content

Hauptsache weit

Sibylle Bergs Kurzgeschichte »Hauptsache weit« handelt von der Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit. Protagonist ist ein deutscher Backpacker, der durch Asien reist. Die Erfahrungen des 18-jährigen werden in personaler Erzählhaltung geschildert. Der genaue Handlungsort wird nicht genannt. Es könnte eine Stadt in Thailand, Kambodscha oder Vietnam sein. …

Werkdaten

Titel
Hauptsache weit
Autorin
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
2001
Originalsprache
Deutsch

Inhaltsangabe

Sibylle Bergs Kurzgeschichte »Hauptsache weit« handelt von der Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit. Protagonist ist ein deutscher Backpacker, der durch Asien reist. Die Erfahrungen des 18-jährigen werden in personaler Erzählhaltung geschildert. Der genaue Handlungsort wird nicht genannt. Es könnte eine Stadt in Thailand, Kambodscha oder Vietnam sein. Zeitlich ist die Geschichte um die Jahrtausendwende angesiedelt. Sie erschien 2001 in dem Sammelband der Autorin »Das Unerfreuliche zuerst«.

Personale Erzählhaltung

Die personale Erzählperspektive schildert das Geschehen aus dem Blickwinkel der dargestellten Person. Dabei wählt sie nicht die grammatische Ich-Form, sondern die dritte Person Singular, also »er« oder »sie«.

Von der personalen Erzählhaltung geht eine große Suggestivkraft aus, da nur eine einzige Perspektive eingenommen wird. Der Leser kann so in die Gefühlswelt der Figur eintauchen und ihre Motive und Absichten erkennen. Es gibt jedoch, anders als in der auktorialen Erzählhaltung, keine Kommentierung. Das Dargestellte kann nicht relativiert oder von einer anderen Seite betrachtet werden.


Die Träume des Jungen

Der erste Absatz erzählt im Rückblick von der Situation eines jungen Mannes vor seiner Abreise nach Asien. Der 18-jährige hat die Schule abgeschlossen und möchte die Welt kennenlernen. Er trägt lange Haare, macht Musik und träumt davon, später in London kreativ tätig zu sein.


Einsamkeit vor Ort

Der zweite Abschnitt schildert die gegenwärtige Situation des Jungen: Er sitzt in einer schäbigen Pension in einer Stadt in Asien. Das ungewohnte Essen bekommt ihm nicht. Auf seiner Reise hat er bisher nur wenige Leute kennengelernt, meist aufdringliche Mädchen. Er fühlt sich fremd und allein. Er sehnt sich nach seinen Freunden und nach Fernsehprogrammen in seiner Sprache. Er vermisst die ihm vertrauten TV-Stars und die Geschichten über sie in den Zeitschriften. Er geht hinunter, um etwas zu essen. Einsam und hoffnungslos fängt er schließlich an zu weinen.


Der Wendepunkt

Plötzlich entdeckt er ein Internet-Café und setzt sich dort an einen Computer. Er liest seine E-Mails und schickt Nachrichten an Freunde und an SAT 1. Einige Stunden lang fühlt er sich wohl und geborgen.

Thema der Kurzgeschichte

Die Geschichte thematisiert Grunderfahrungen im Leben junger Menschen:

  • Langeweile und Unzufriedenheit mit dem Vertrauten, Sehnsucht nach Aufbruch
  • Reale Erfahrungen in einer bisher unbekannten Welt, Umgang mit Enttäuschung
  • Wunsch, »cool« zu sein und sich abzuheben vs. Sehnsucht nach Zugehörigkeit
Veröffentlicht am 8. Dezember 2015. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autorin des Werkes

Deutsche Schriftstellerin
Sibylle Berg, geboren 1962, ist eine deutsch-schweizerische Kolumnistin, Romanschriftstellerin und Theaterautorin. In ihren Texten beschreibt sie bissig und scharfzüngig die Befindlichkeiten deutscher Durchschnittsmänner und -frauen, ihre Alltags- und Beziehungsprobleme, Ängste und Sehnsüchte. Si…

Interpretationsansätze

»Hauptsache weit« beginnt mit dem Satz: »Und weg, hatte er gedacht.« Dieser direkte Sprung ins Geschehen ist ein charakteristisches Merkmal der Kurzgeschichte. Ausgangssituation und Voraussetzungen werden nicht erläutert, sondern müssen vom Leser nach und nach erschlossen werden.

Fernweh und falsche Vorstellungen

Der junge Mann, dessen Name nicht genannt wird, ist 18 und hat die Schule abgeschlossen. Noch vor Kurzem hat er sich gewünscht zu reisen: »Und jetzt aber Asien, hatte er sich gedacht«, heißt es im zweiten Absatz. Sprachlich wird damit der Einleitungssatz aufgegriffen und das Thema Fernweh gesteigert.

Kurze Rückblicke zeigen, dass der Junge sein Leben in Deutschland als langweilig und eng empfunden hat und mit großen Erwartungen aufgebrochen ist. Angst hatte er nicht; er hat es sogar in Erwägung gezogen, »vielleicht nie wieder« zurückzukehren. Auffallend ist die Vagheit seiner Vorstellungen vor der Abreise.

Am Ende der Geschichte werden die Bilder, die er sich zu Hause gemacht hat, etwas konkreter: »Wie er entspannt mit Wasserbüffeln spielen wollte«. All diese Sätze zeigen seine Unerfahrenheit. Offenbar hat er sich vor seinem Aufbruch in die Ferne nicht mit der gesellschaftlichen Realität in den Zielländern beschäftigt.

Diskrepanz zwischen Traum und Realität

Auf den Schmutz in den Unterkünften ist er ebensowenig vorbereitet wie auf das unbekömmliche Essen. Auch auf die überall gegenwärtige Prostitution reagiert er naiv: »Bis jetzt hatte er hauptsächlich Mädchen kennen gelernt, nett waren die schon, wenn man Leute mag, die einen bei jedem Satz anfassen.«

Ein wichtiges Strukturelement der Geschichte ist die Gegenüberstellung vager positiver Erwartungen wie »in Straßencafés sitzen und cool sein« mit konkreten negativen Erfahrungen wie »der Ventilator ist sehr laut«.

Sehnsucht nach deutscher Medienlandschaft

Am wenigsten vorbereitet aber ist der Reisende auf das Alleinsein. Er sehnt sich nach seinen Freunden in Deutschland. Wie groß seine Einsamkeit sein muss, lässt sich daran ablesen, dass ihn selbst der Anblick von TV-Promis wie Stefan Raab oder der Popband Echt trösten würde. Sie stehen stellvertretend für den vertrauten deutschen Alltag und zeigen zugleich, wie sehr dieser durch die Medienlandschaft und die Unterhaltungskultur geprägt ist.

Der virtuelle Raum der Geborgenheit

Am Schluss der Geschichte geht der Junge in ein Internet-Café und kommuniziert von dort aus mit seinen Freunden. Das Netz gibt ihm die Möglichkeit, über Tausende von Kilometern hinweg in eine ihm vertraute Welt einzutauchen. Der Bildschirm wird mit einem »weiche(n) Bett« verglichen. Damit bildet er den Gegenpol zu dem schmutzigen Bett im Pensionszimmer, vor dem sich der Junge ekelt. Zwar berichtet er seinen Freunden nicht ehrlich, wie er sich fühlt, sondern dass es ihm gut gehe und alles »großartig« sei. Doch zumindest schreibt er über die »kleinen Katastrophen«.

Offenes Ende

Die Geschichte endet mit dem Satz: »(…) für ein paar Stunden ist er wieder am Leben, in der heißen Nacht weit weg von zu Hause.« Wie es mit ihm weitergehen wird, wenn er das Internet-Café wieder verlässt, ob er wie geplant nach Laos weiterfahren und seiner Reise doch noch etwas Positives abgewinnen wird, bleibt ungewiss – auch dies ein typisches Merkmal der Kurzgeschichte.

Wie gefällt dir »Hauptsache weit«?

Durchschnittliche Bewertung: 3.4 / 5. Bewertungen: 105

Noch keine Bewertung. Jetzt bewerten!