Protagonist in Peter Bichsels Kurzgeschichte »San Salvador« ist Paul. Dessen Leben ist vorhersehbar, die Beziehung zu seiner Frau Hildegard abgekühlt. Überraschend dringt eines Abends die Idee von Ausbruch und Aufbruch in sein Bewusstsein. Der Ausgang bleibt offen. Angaben zu Zeit und Ort werden nicht gemacht.
Der Text wurde erstmals 1963 in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlicht; in Buchform erschien er 1964 in der Kurzgeschichten-Sammlung »Eigentlich wollte Frau Blum den Milchmann kennenlernen«.
Paul hat sich eine neue Füllfeder gekauft. Am Abend macht er Schreibübungen damit; er beginnt mit Wellenlinien und endet mit einem kurzen Brief. Darin hält er fest, dass es ihm »hier« zu kalt sei und er deshalb nach Südamerika auswandere. Er unterschreibt mit seinem Namen. Er sieht der Tinte beim Trocknen zu und trödelt anschließend in der Wohnung herum.
Er wartet auf seine Frau Hildegard, die bei einer Chorprobe ist. Er sieht den Brief mitten auf dem Tisch liegen und malt sich Hildegards Reaktion darauf aus: ihren Schrecken, ihr pragmatisches Handeln und wie sie sich die Haare aus dem Gesicht streicht.
Paul langweilt sich. Er denkt an Palmen und rechnet aus, dass Hildegard um halb zehn wieder da wäre. Als sie kommt, fragt sie, ob die Kinder schlafen. Dann streicht sie die Haare aus dem Gesicht.
Der Text umfasst kaum 350 Wörter und ist damit so kurz, dass er sich auch dem Genre der Kürzestgeschichten zurechnen lässt. Diese sehr knappen Kurzgeschichten kommen sprachlich gedrängt daher. Ähnlich wie in der Lyrik ist jedes einzelne Wort von Bedeutung, weshalb sie mitunter auch als Prosagedichte bezeichnet werden.