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Kapitel 2

Zusammenfassung

Am ersten Ferientag steht Hans früh auf, schlingt sein Frühstück herunter und begibt sich nach draußen in den schönen, heißen Sommertag, denn er hat die Natur vermisst. Sofort begibt er sich in Richtung Fluss und fängt mit dem Angeln an, wo schon bald die alte Aufregung und Leidenschaft für die Jagd in ihm erwacht. Gegen Mittag macht er eine Pause, beobachtet die Fische und all die Stunden des Lernens aus den letzten Jahren geraten in Vergessenheit, auch seine plagenden Kopfschmerzen sind fast verschwunden. Wenn Hans an seine ehemaligen Schulkameraden denkt, empfindet er Verachtung: Sie haben ihn zu Schulzeiten genug geplagt.

Als Hans später auf der Badewiese des Ortes liegt, bemerkt er, dass die jüngeren Kinder ihn beobachten, denn aufgrund seines bestandenen Examens ist er zur Berühmtheit im Dorf geworden. Hans ist sehr stolz auf seine geistigen Fähigkeiten, die sich, wie er findet, klar in seinem äußeren Erscheinungsbild abzeichnen. Als er später auf ein paar seiner ehemaligen Klassenkameraden trifft, lässt er sich gern von ihnen beneiden.

Beim Abendessen erfährt er, dass eine Menge von Bekannten vorbeigekommen sei, um ihm zur bestandenen Aufnahmeprüfung zu gratulieren. Auch in der lokalen Wochenzeitung steht sein Name. Nach einer weiteren Einheit Angeln am Abend geht Hans ins Bett und freut sich auf die vor ihm liegenden Ferien. Er ist fast gänzlich glücklich, nur ein Gedanke stört ihn: dass er beim Examen nicht Erster geworden ist.

Am nächsten Morgen besucht Hans den Stadtpfarrer und lässt sich von ihm über das Seminar erzählen, das er bald besuchen wird. Er ist aufgeregt und will wissen, wie man dort lebt und studiert. Der Pfarrer bietet Hans an, ihn mit ein paar täglichen Stunden Griechisch während der Ferien bereits auf das Seminar vorzubereiten. Das werde es ihm erlauben, vor Ort dann mehr »Zeit und Kraft für anderes übrig zu behalten«. Aber er wolle Hans natürlich nicht seine verdiente Erholung in den Ferien nehmen.

Da Hans sich schämt, abzulehnen, sagt er zu, auch wenn er eigentlich lieber seine Ferien ohne Lernen genossen hätte. Er redet sich ein, dass es ihm Freude bereiten werde, das neue Griechisch schon in den Ferien zu lernen und dass er später froh über gute Vorbereitung sein werde. Es ist bereits Hans’ fester Vorsatz, auch im Seminar wieder Klassenbester zu werden. Wieso, kann er sich allerdings nicht erklären.

Trotz einer Warnung des Schusters Flaig vor dem zusätzlichen Unterricht beim Pfarrer (der laut Flaig nicht mehr an Gott glaube, und Hans lehren werde, dass die Bibel verlogen sei) begibt sich Hans zur ersten Stunde. In seinen Augen ist Flaig ein kleiner, beschränkter Handwerksmann, der die Bibel liebt, der Pfarrer hingegen ein fleißiger und strenger Gelehrter, zu dem Hans aufschaut.

Nach dem Unterricht arbeitet Hans daheim noch den ganzen Abend weiter, und auch in den nächsten Tagen widmet er einen Großteil seiner Abende der neuen Sprache, die ihm mit jedem Mal ansprechender und erstrebenswerter erscheint. Zwar kehren seine Kopfschmerzen ein wenig zurück, aber sie sind noch erträglich.

Hans hat das Arbeitsfieber gepackt, sein Wissensdurst ist groß. Außerdem erhofft er sich durch das viele Lernen, seinen zukünftigen Kameraden beim Seminar bereits weit voraus zu sein. Der Rektor bestätigt ihn zusätzlich in diesen Gedanken. Er warnt Hans, dass auch alle anderen Seminarschüler in den Ferien vorgearbeitet haben werden und er sich daher nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen dürfe. Damit Hans seinen Kameraden noch besser voraus sein wird, schlägt der Rektor ihm zusätzliche Unterrichtseinheiten zu Homers Schriften und Sprache vor. Und dazu noch ein wenig Mathematik. Diese Stunden müsse er aber beim Herrn Professor nehmen.

So wird Hans’ Freizeit in den Ferien immer weniger, sein Stundenplan allmählich voller. Hans empfindet nun Gewissensbisse, wenn er spazieren geht und anstatt zu baden, lernt er nun Mathematik, das Griechisch des Neuen Testaments und das Griechisch Homers, oft bis spätabends. Wenn sein Vater ihn so lernen sieht, empfindet er Stolz für seinen Sohn. Zum Angeln kommt Hans jetzt nur noch selten und statt sich über die Sommerferien zu freuen, sehnt er ihr Ende herbei. Er besucht noch einmal den Schuster, den er den ganzen Sommer über nicht gesehen hat. Flaig erklärt Hans, dass sein vieles Lernen während der Ferien Unsinn sei, und sorgt sich um seinen gesundheitlichen Zustand. Er sehe so mager aus, sei nur noch Haut und Knochen, und müsse mehr an die frische Luft. Wenige Tage später reist Hans zum Seminar nach Maulbronn ab.

Analyse

In diesem Kapitel erlebt Hans eine komplette Wandlung seiner Ferien, und seines emotionalen und gesundheitlichen Zustandes. Zu Anfang freut er sich noch über seine wiedererlangte Freiheit. Schon bald erwacht jedoch sein akademischer Ehrgeiz wieder. Am Ende der Ferien ist von der anfänglich erhofften Freizeit wenig übrig geblieben. Hans befindet sich vollständig in den Fängen seiner Schule und widmet jede freie Minute dem Lernen.

Auf den ersten Seiten des Kapitels finden sich lange und detaillierte Beschreibungen der Landschaften, durch die seine Spaziergänge ihn führen. Es wird schnell klar, wie sehr der Junge die Natur vermisst hat: »Wie lang hatte er das alles nimmer gesehen! Er tat große Atemzüge, als wolle er die verlorene schöne Zeit nun doppelt einholen und noch einmal recht ungeniert und sorgenlos ein kleiner Knabe sein.« (S. 33) Die Natur hilft Hans, der Realität zu entfliehen. Insbesondere beim Angeln am Fluss kommt ihm der Stress der letzten Jahre sehr weit weg vor:

    Griechisch und Latein, Grammatik und Stilistik, Rechnen und Memorieren und der ganze folternde Trubel eines langen, ruhelosen, gehetzten Jahres sanken still in der schläfernd warmen Stunde unter. Hans hatte ein wenig Kopfweh, aber lang nicht so stark wie sonst, und nun konnte er ja wieder am Wasser sitzen (…). (S. 36)

Ebenfalls zeigt sich, wie arrogant Hans geworden ist, seit er das Landexamen mit einem so guten Ergebnis (als Zweitbester) bestanden hat. Er fühlt sich seinen Klassenkameraden um Welten überlegen, schaut auf sie herab: »So, nun konnten sie ihm nachsehen, die Dackel, die Dickköpfe. Er verachtete sie so sehr, daß er einen Augenblick zu pfeifen aufhörte, um den Mund zu verziehen.« (S.37) Diese Arroganz ist ein ausgeprägter Charakterzug von Hans und wird sich im Laufe der Geschichte noch verstärken. Er ist sogar überzeugt, man könne ihm seine geistigen Fähigkeiten ansehen. Wenn er sich mit den übrigen Dorfkindern vergleicht, denkt er: »Ja wohl, er war eine Berühmtheit geworden. Und er sah auch so anders aus als die übrigen.« (S. 38) Hans ist stolz auf seinen »feinen Kopf mit dem geistigen Gesicht« und seine »überlegenen Augen« (S. 38). Im gleichen Atemzug hebt der Erzähler jedoch auch sein kränkliches Erscheinungsbild hervor – ein Nebeneffekt des vielen Lernens.

Allmählich wird Hans wieder von seinem früheren Ehrgeiz ergriffen. Es »wurmt ihn«, dass er beim Landexamen nicht Erster geworden ist (S. 40). Als ihm der Stadtpfarrer zusätzliche Stunden im Griechisch des Neuen Testaments anbietet, sagt Hans daher zu, obwohl er sich eigentlich so auf seine Freizeit gefreut hatte. Sein Ehrgeiz ergreift zunehmend von ihm Besitz – er will schon jetzt wieder Bester beim Seminar werden (S. 43) – und wird von seinen Lehrern noch zusätzlich angestachelt.

Hans’ Studium wird zu einer Art Sucht für ihn, er verbringt volle Tage mit Lernen. Was der Grund dafür ist, ist nicht eindeutig festzustellen. Am wahrscheinlichsten ist es eine Kombination aus Ehrgeiz und aufrichtigem intellektuellen Interesse, die Hans antreibt, wie in dieser Passage deutlich wird: »Mit diesem gesteigerten Arbeitsfieber und Erkenntnisdurst traf dann ein stolzes Selbstgefühl zusammen, als lägen Schule und Lehrer und Lehrjahre schon längst hinter ihm und als schreite er schon eine eigene Bahn, der Höhe des Wissens und Könnens entgegen.« (S. 48)

Nicht zu unterschätzen ist auch der zusätzliche Antrieb, den Hans seitens der Lehrer erhält. Der Rektor beispielsweise sieht die Aufgabe der Schule folgendermaßen:

    (…) so muß die Schule den natürlichen Menschen zerbrechen, besiegen und gewaltsam einschränken; ihre Aufgabe ist es, ihn nach obrigkeitlicherseits gebilligten Grundsätzen zu einem nützlichen Gliede der Gesellschaft zu machen und die Eigenschaften in ihm zu wecken, deren völlige Ausbildung alsdann die sorgfältige Zucht der Kaserne krönend beendigt. (S. 49)

Für den Rektor und vermutlich auch die anderen Lehrer sind ihre Schüler untergeordnete Wesen, die sie nach ihrem Willen formen können. Das gilt auch für Hans, dem es nicht einmal in seinen Ferien gelingt, den Fängen der Schule zu entkommen. Daran ist einerseits sein eigener Ehrgeiz schuld, andererseits aber auch die schleichende Einnahme seiner Freizeit durch die Lehrer. Hans könnte ihre Angebote zusätzlicher Unterrichtseinheiten zwar ablehnen. Da er sich aber dafür schämen würde, kann er sich nicht überwinden und sagt stattdessen zu.

Hans erlebt in seinen Sommerferien somit einen kompletten Sinneswandel, von Entspannung und Sehnsucht nach Natur und Kindheit hin zu ehrgeizigem Lernen. Am Ende überlegt er: »Es war ihm rätselhaft, weshalb er sich eigentlich seinerzeit so auf die Sommervakanz gefreut hatte. Jetzt war er eher froh, daß sie vorüber war und er ins Seminar kam, wo ein ganz anderes Leben und Lernen beginnen würde.« (S. 54)

Veröffentlicht am 15. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 15. April 2023.