Skip to main content

Kapitel 5

Zusammenfassung

Hans’ Leistungen in der Schule werden immer schlechter. Irgendwann stellt er seine Versuche, dem entgegenzuwirken, ein. Stattdessen sieht er einfach nur noch zu, denkt an Hermann Heilner und träumt seine Tagträume. Außerdem plagen ihn wieder Kopfschmerzen. Die Lehrer reagieren auf Hans’ verschlechterte Leistungen mit Strafen und Peinigungen: Seine nachlässige Einstellung gegenüber dem Akademischen versetzt sie nun in eine ebensolche Nervosität, wie es Hermanns Rebellion zuvor getan hatte. Sein Vater wird benachrichtigt und beschwört Hans daraufhin in einem Brief, sich zu bessern.

Niemand empfindet Mitleid für Hans. Sein gesamtes Umfeld sieht in ihm nur ein »böses Element«, das man »zwingen und mit Gewalt auf gute Wege zurückbringen« (S. 117) müsse. Dass er in Wahrheit leidet und dass dieses Leiden die Schuld der Lehrer, der Schule und des Vaters ist, wird von keinem bemerkt. Der Erzähler wirft eine Reihe von Fragen auf, die alle auf eine grundlegende Frage hinauslaufen: Warum hat man Hans an diesen Punkt getrieben?

Hans’ Zustand wird immer schlimmer: Drei Wochen vor den Ferien bricht er in einer Schulstunde in einen Weinkrampf aus und verbringt den Rest des Tages im Bett. Im Matheunterricht wird ihm schwindelig. Daraufhin wird er nach Hause geschickt. Kurz überlegt der Ephorus, ob er vielleicht Mitschuld am Verschwinden von seinen Zöglingen trägt, verbannt den Gedanken aber schnell wieder.

Als Hans nach Hause fährt, weiß er bereits, dass er nicht zum Seminar zurückkehren wird. Es kümmert ihn jedoch nicht mehr wirklich, er will nur noch schlafen und sich erholen. Sein Vater behandelt ihn zunächst schonend, denn der Arzt und der Ephorus haben ihm gesagt, sein Sohn leide an einer Nervenkrankheit. Vor diesem Gedanken graust dem Vater.

Hans verbringt die nächsten Tage sehr viel draußen, träumt und schläft. Oft sieht er in diesen Träumen Personen aus dem Seminar, zum Beispiel Hermann (der einmal auf einer Totenbahre liegt, ein andermal im Wald vor ihm davonläuft), oder den toten Hindu. Die frische Luft tut Hans gut, aber sein Kopfweh bleibt und es zeigt sich keine wirkliche Besserung seines Zustandes.

In seiner Heimat ist Hans isoliert. Freunde hat er keine und auch der Stadtpfarrer, die Lehrer und der alte Rektor haben kein Interesse mehr an ihm. Er ist nicht mehr beeinflussbar genug. Hans fühlt sich daher verlassen und ungeliebt. Er denkt immer mehr an den Tod und stellt sich seinen Suizid vor, schreibt sogar Briefe für seine Hinterbliebenen (seinen Vater und Hermann). Derartige Gedanken trösten ihn. Mit dem eigentlichen Suizid will er noch ein wenig warten, um vorher noch die »bittere Süße des Lebens« (S. 125) zu genießen.

Auf einem seiner Spaziergänge sieht Hans seine Kindheitsliebe Emma Geßler wieder, doch gefällt sie ihm nicht mehr so gut wie früher. Stattdessen versinkt er in nostalgische Erinnerungen an seine Kindheit und fragt sich, wann ihm die Leichtigkeit von früher verloren gegangen ist. Im Folgenden erlebt Hans eine zweite Kindheit: Er flieht sehnsüchtig in die vergangenen Jahre zurück und durchlebt seine Erinnerungen erneut. Dazu gehören seine regelmäßigen Besuche im »Falken«, einem Wirtshaus, wo er eine Reihe interessanter Bekanntschaften machte. Darunter war auch Hermann Rechtenheil, von dem Hans die Leidenschaft fürs Angeln übernahm. Mit seinen vielen seltsamen Gestalten kam das Wirtshaus für Hans einer Welt der Märchen und Sagen gleich.

Hans vermisst diese vergangene Zeit, die nicht so voller Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung war wie die jetzige. Ein paar Mal sucht er den »Falken« wieder auf. Das Wirtshaus hat sich sehr verändert und wirkt nun kläglich und kümmerlich. Hans erkennt, dass er nicht einfach wieder Kind werden und alles wie früher sein kann.

Analyse

Hans’ akademischer Ehrgeiz ist nun völlig verschwunden, er erliegt seiner Müdigkeit und seinen Träumereien. Die Lehrer fürchten ihn mit seiner Nachlässigkeit nun fast so sehr, wie sie Hermann mit seinem genialen Geist gefürchtet haben. Sogar der Ephorus ist beeindruckt, als er Hans mit seinem strengen Blick nicht mehr beeindrucken kann: »Der eitle Mann bildete sich viel auf die Macht seines Blickes ein und war außer sich, wenn Giebenrath seinem majestätisch drohenden Augenrollen immer wieder sein demütig ergebenes Lächeln entgegenhielt, das ihn allmählich nervös machte.« (S. 117) In den Augen der Lehrer ist Hans nun zu einer Gefahr geworden, die gebannt werden muss:

    Alle diese ihrer Pflicht beflissenen Lenker der Jugend, vom Ephorus bis auf den Papa Giebenrath, Professoren und Repetenten, sahen in Hans ein böses Element, ein Hindernis ihrer Wünsche, etwas Verstocktes und Träges, das man zwingen und mit Gewalt auf gute Wege zurückbringen müsse. (S. 117)

Keiner erkennt, dass Hans in Wahrheit leidet. Der Erzähler beginnt daraufhin in einer längeren Passage zu erörtern, was die Ursache von Hans’ schrecklichem Leiden ist. Er kommt zu dem Schluss, dass es »die Schule und der barbarische Ehrgeiz eines Vaters und einiger Lehrer« waren, die »dieses gebrechliche, feine Wesen so weit gebracht hatten, indem sie in der unschuldig vor ihnen ausgebreiteten Seele des zarten Kindes ohne Rücksicht wüteten.« (S. 118) Er wirft eine Reihe von Fragen auf, die alle darauf abzielen, die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens zu unterstreichen: »Warum hatte er in den empfindlichsten und gefährlichsten Knabenjahren täglich bis in die Nacht hinein arbeiten müssen? (…) Warum hatte man ihm selbst nach dem Examen die wohlverdienten Ferien nicht gegönnt?« (S. 118).

Die Schule wird in diesen Absätzen als eine bedrohliche Institution dargestellt, die ihre Schüler gewaltvoll ihren Doktrinen unterwirft. Wer sich nicht anpasst, muss angepasst werden. Ausdrücke wie »mit Gewalt«, »ohne Rücksicht« und »schäbiger, aufreibender Ehrgeiz« (S. 118) unterstreichen die Gnadenlosigkeit der akademischen Institution. Umgekehrt wird Mitleid für Hans und andere Schüler erregt, indem er als »gebrechliches, feines Wesen« und »zartes Kind« (S. 118) beschrieben wird.

Bei seiner Heimkehr wird deutlich, wie sehr Hans sich gewandelt hat. Er ist nicht mehr von Ehrgeiz getrieben, sondern vollkommen erschöpft: »Er hatte jetzt kein anderes Verlangen, als zu rasten, sich auszuschlafen, auszuweinen, auszuträumen und nach all der Quälerei einmal in Ruhe gelassen zu werden.« (S. 129) Hans hat sich gedanklich sehr von den Lehren der Schule distanziert. Wenn er an das Seminar zurückdenkt, dann nur noch auf absurde, lächerliche Weise:

    Kopfweh hatte er fast beständig und wenn er ans Kloster oder an die Lateinschule zurückdachte, stürzte sich die Vorstellung der vielen Bücher und Lehrgegenstände und Pflichten wie ein grimmiger Alp auf ihn und in seinem schmerzenden Schädel führten Livius und Cäsar, Xenophon und Rechenaufgaben wirre, peinliche Tänze auf. (S. 121)

Das Einzige, was Hans nun Trost spendet, sind die Gedanken an den Tod: »In dieser Not und Verlassenheit trat dem kranken Knaben ein anderes Gespenst als trügerischer Tröster nahe und wurde ihm allmählich vertraut und notwendig. Das war der Gedanke an den Tod.« (S. 124) Er findet Gefallen daran, sich seinen eigenen Tod vorzustellen.

Doch nicht nur in Gedanken an den Tod sucht er Zuflucht, sondern auch in die entgegengesetzte Richtung: in seiner Kindheit. Kurz nach seiner Rückkehr erlebt er eine »zweite Kinderzeit« (S. 127). In diese stürzt er sich mit »plötzlich ausbrechender Sehnsucht«, und die Intensität seiner Erfahrungen nimmt schon fast »krankhafte« Ausmaße an. Hans sehnt sich nach dieser Welt zurück, die voller Leichtigkeit und Hoffnung, aber frei von Frustration und Enttäuschungen ist. Sie war leicht und glücklich, nicht so schwer und anstrengend wie die Gegenwart.

Besonders auffällig ist in diesem Abschnitt eine Formulierung im folgenden Satz: »Er erlebte sie alle mit nicht weniger Wärme und Leidenschaft, als er sie früher in Wirklichkeit erlebt hatte, die betrogene und vergewaltigte Kindheit brach wie eine lang gehemmte Quelle in ihm auf.« (S. 127). Hans’ Kindheit wird hier als »vergewaltigt« beschrieben. Diese Formulierung impliziert mehr als alles andere zuvor, dass das, was Hans seitens der Schule, Lehrer und des Vaters angetan wurde, ein unrechtmäßiger Akt der Gewalt ist, der einem Verbrechen gleichkommt. Hans wurde nicht nur seiner Kindheit beraubt, er ist regelrecht Opfer eines Verbrechens.

Die unweigerliche Folge dieser vergewaltigten Kindheit ist, dass Hans nun versucht, sich eine zweite Kindheit zu schaffen. Er flieht an die Orte seiner ersten Kindheit und will die Leichtigkeit, Fantasie und Märchenhaftigkeit von damals wiederherstellen, indem er Orte wie den »Falken« oder die Gerberei aufsucht. Letztendlich muss er jedoch erkennen, dass es nicht klappen wird. Seine Kindheit ist vorbei, und er kann sie nicht einfach mit ein paar Erinnerungen zurückholen.

Veröffentlicht am 15. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 15. April 2023.