Harper Lee (1926 bis 2016) war eine US-amerikanische Schriftstellerin. Berühmt wurde sie durch den 1961 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Roman »To Kill a Mockingbird« (dt. »Wer die Nachtigall stört«). Bis 2015 war dies ihr einziges veröffentlichtes Werk.
Kindheit und Jugend
Nelle Lee (die später den Künstlernamen Harper Lee annahm) wurde am 28. April 1926 als Tochter eines Anwalts und einer Pianistin in Monroeville, Alabama geboren. Sie war das vierte und jüngste Kind der Familie und ihr Vater bei ihrer Geburt bereits 46 Jahre alt. Obwohl er zu seinen Kindern ein eher distanziertes Verhältnis pflegte, liebte Nelle ihn abgöttisch.
Lee war noch ein Kind, als 1931 der Scottsboro-Fall für Aufsehen in der Öffentlichkeit sorgte: Neun schwarze junge Männer wurden fälschlich beschuldigt, zwei weiße Frauen in Alabama vergewaltigt zu haben. Acht von ihnen wurden verurteilt und erst nach Jahren oder Jahrzehnten von den Vergewaltigungsvorwürfen freigesprochen.
Wie die kleine Scout im Roman war Nelle Lee ein wildes und jungenhaftes Kind, das seine Overalls nur ungern gegen ein Kleid eintauschte. Spielgefährte ihrer Kindheit war der zwei Jahre ältere Truman Capote, der bei Verwandten in der Nachbarschaft aufwuchs. Lee ging zunächst in Monroeville zur Schule und ab 1944 aufs College in der Hauptstadt Montgomery.
Abbruch des Jurastudiums und Aufbruch nach New York
Lee studierte knapp vier Jahre lang Jura in Montgomery und Tuscaloosa, Alabama. Bereits in ihrer Kindheit und Jugend hatte sie Interesse am Schreiben gezeigt. Ein mehrwöchiges Stipendium im englischen Oxford führte 1948 dazu, dass sie sich von den Rechtswissenschaften ab- und der Literatur zuwandte. Wenige Monate vor dem Examen brach sie das Studium ab und ging 1950 nach New York City: Sie wollte Schriftstellerin werden. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie zunächst als Schalterangestellte am Flughafen. Abends schrieb sie an ihrem ersten Roman.
Zu dieser Zeit formierte sich die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement). Einer ihrer bedeutendsten Anführer war Martin Luther King. Er rief zu zivilem Ungehorsam als Mittel gegen die Politik der Rassentrennung in den Südstaaten auf. Seinem Einsatz ist es wesentlich zu verdanken, dass die Rassentrennung ein Ende fand und die Bevölkerung afro-amerikanischer Abstammung das uneingeschränkte Wahlrecht erhielt.
»To Kill a Mockingbird« wird veröffentlicht
1958 beendete Lee die erste Fassung ihres Romans. Es soll sich zunächst um eine Sammlung von Kurzgeschichten gehandelt haben, die Lee beim Verlagshaus J. B. Lippincott eingereicht hat. Mithilfe ihrer Lektorin Tay Hohoff entstand daraus die Endfassung des Romans, der 1960 unter dem Künstlernamen Harper Lee erschien. Er wurde sofort ein grandioser Erfolg. 1961 erhielt Harper Lee dafür den renommierten Pulitzer-Preis.
Das Angebot, ein Drehbuch nach dem Roman zu schreiben, der 1962 von Robert Mulligan verfilmt werden sollte, lehnte Harper Lee ab. Es wurde daraufhin von Horton Foote verfasst. Mit Gregory Peck als Atticus Finch in der Hauptrolle gewann der Film drei Oscars.
Die Jahre nach dem Erfolg
Danach wurde es still um Harper Lee. Angeblich hat sie es abgelehnt, nach dem Welterfolg ihres Erstlings einen weiteren Roman zu verfassen. Im Jahre 1990 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der University of Alabama verliehen. In den folgenden Jahren lebte Lee, die als sehr scheu galt, mit ihrer älteren Schwester Alice zurückgezogen in Monroeville und New York City. Einer ihrer wenigen öffentlichen Auftritte war 2005, als ihr der »Los Angeles Public Library Award« zuerkannt wurde. Am 5. November 2007 schließlich wurde ihr vom damaligen Präsidenten George W. Bush die »Presidential Medal of Freedom« verliehen, der höchste zivile Orden der USA.
Der zweite Roman, 55 Jahre nach dem Erstling
Im Jahre 2015 wurde der zweite Roman von Harper Lee veröffentlicht, der sich angeblich im Archiv des Verlags befunden haben soll. In »Go Set A Watchman« (dt. »Gehe hin, stelle einen Wächter«) kehrt die erwachsene Jean Louise Finch, die die Leser als kleine Scout ins Herz geschlossen hatten, zurück nach Maycomb. Der 1957 entstandene Roman spiegelt die Ereignisse der 1950er Jahre in den Vereinigten Staaten wider. In Amerika ging das Buch mit einer gigantischen Startauflage von 2,1 Millionen auf den Markt. Auch in Deutschland war die erste Auflage sechsstellig.
Am 19. Februar 2016 starb Harper Lee im Alter von 89 Jahren in ihrem Geburtsort Monroeville, Alabama.