»Der Hessische Landbote« ist ein politisches Flugblatt, das Georg Büchner 1834 verfasste. Es gilt als eines der wichtigsten Werke der Literatur des Vormärz. Büchner ruft darin die Landbevölkerung zum Kampf gegen die adelige Oberschicht auf. Die Flugschrift wurde von dem oppositionellen Theologen und Rektor Friedrich Ludwig Weidig überarbeitet. In der Nacht zum 31. Juli 1834 wurde sie heimlich und ohne Nennung der Urheber im Herzogtum Hessen-Darmstadt verbreitet.
Die genaue Auflage, in der das Flugblatt erschien, ist nicht bekannt. Man schätzt, dass es sich um 1200 bis 1500 Exemplare handelte.
Hinweise zum Umgang mit der Flugschrift
Das Flugblatt beginnt mit fünf Hinweisen, die seine Leser vor Polizei und Justiz schützen sollen. Sie enthalten u. a. den Rat, die Schrift nicht im Haus aufzubewahren und nur an vertrauenswürdige Freunde weiterzugeben.
Unterdrückung von Bauern und Handwerkern
Der Hauptteil wird von dem berühmt gewordenen Kampfaufruf »Friede den Hütten! Krieg den Palästen!« eingeleitet.
Im Anschluss wird die Machtverteilung zwischen Adel und Bauern beschrieben. Dabei greift die Flugschrift auf die biblische Schöpfungsgeschichte zurück und erzählt sie neu: Bauern und Handwerker werden zusammen mit dem Vieh schon am fünften Tag erschaffen, die Adeligen am sechsten Tag. Diese herrschen über die einfache Bevölkerung ebenso wie über die Tiere. Für sie ist jeder Tag ein Sonntag; für die Bauern hingegen gibt es überhaupt keinen Ruhetag.
Die Flugschrift »Der Hessische Landbote« diente dem Ziel, die einfache Bevölkerung zum politischen Umsturz zu mobilisieren. Um sie zu erreichen, verwendeten Büchner und Weidig eine schlichte Sprache und Bilder, die der Bibel entlehnt waren. Die Bibel war für viele Handwerker und Bauern im 19. Jahrhundert das einzige Sprachwerk, mit dem sie in Berührung kamen. Der Bezug auf sie dient Büchner so gegenüber der gläubigen Landbevölkerung auch als indirekte Legitimierung seines Aufrufs zur Revolution.
Die Steuern und ihre Verwendung
Der nächste Abschnitt nennt konkrete Zahlen zur Steuerlast der Bevölkerung. Bis auf die letzte Stelle genau wird aufgelistet, welche Steuern und Abgaben jährlich in Gulden (abgekürzt »fl.« von »Florin«) an den Staat gezahlt werden. Daraus ergibt sich ein Gesamtbetrag von mehr als sechs Millionen Gulden. Es schließt sich die Frage an, was »der Staat« eigentlich sei. Die Antwort ist eine demokratische: Der Staat seien »Alle«, und Gesetze müssten »das Wohl Aller« sichern.
Die folgenden Absätze zeigen, dass im Großherzogtum Hessen gegenwärtig ein anderer Staatsbegriff herrscht. Die staatliche Ordnung wird vom Großherzog und seinen Regierungsbeamten aufrechterhalten. Für dieses Staatswesen, von dem nur die Adeligen profitieren, zahlen die Bauern und Handwerker. Der Vergleich des Volkes mit geschundenen Tieren taucht hier zum zweiten Mal auf und zieht sich durch den gesamten Text.
Die Flugschrift führt im Anschluss die einzelnen Bereiche auf, für die die Steuereinnahmen verwendet werden:
- Innenministerium (Gesetzgebung), Rechtsprechung und Polizei;
- Finanzministerium;
- Militär;
- Pensionen;
- Staatsministerium und Staatsrat.
Für jeden der Posten wird ein exakter Betrag genannt. Die Ausgaben werden kommentiert. Dabei wird die Verschwendung der Gelder ebenso aufgezeigt wie die Ungerechtigkeit und Verkommenheit der einzelnen Ministerien und Staatsbeamten.
Kritik an Fürsten und Kleinstaaterei
Ein großer Einschub widmet sich dem hessischen Großherzog und seinem Anspruch auf Gottesgnadentum. Die Flugschrift macht deutlich, dass im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation allein der Kaiser als von Gott eingesetzt galt. Darum war er unverletzlich und souverän. Die Fürsten haben jedoch über Jahrhunderte hinweg durch Verrat und Intrigen die Macht an sich gerissen. Ihr Anspruch, von Gott eingesetzt zu sein, ist illegitim.
Die Landstände
Der Text knüpft nun wieder an den Abschnitt vor dem Einschub an und spricht über einen weiteren Bereich, in dem Steuereinnahmen verschwendet werden: die Landstände. Frankreichs umwegreiche Entwicklung zur Republik wird ausführlich nachgezeichnet und gezeigt, wie diese auch den deutschen Freiheitskampf befeuert. Die Landstände und ihre Verfassungen sind halbherzige Zugeständnisse der Fürsten, um eine Revolution zu verhindern. Sie haben keine echte Macht. Wirkliche Freiheit kann es erst geben, wenn sie vom gesamten Volk erkämpft wird.
Vom Kaiserreich des Mittelalters zur Demokratie
Zum Schluss wird ein großer Bogen vom mittelalterlichen Kaiserreich zur ersehnten Demokratie geschlagen. Diese beiden hängen innerlich miteinander zusammen; die Kleinstaaterei hingegen ist ein teuflischer Irrweg. Wieder wird die Bibel herangezogen. Der Aufruf zum Kampf für das Evangelium aus dem 6. Kapitel des Epheserbriefes wird umformuliert zu einem Kampfaufruf gegen die Fürsten. Der Darstellung Ludwigs I. von Bayern als Despot folgen Anspielungen auf Verse aus den Büchern Jesaja und Ezechiel.
Ein erneuter Kampfaufruf, verbunden mit dem Ausblick auf eine paradiesische Zukunft, bildet den Schluss. Der letzte Satz ist ein Gebet für die Zerstörung der Fürstenmacht (»Herr, zerbrich den Stecken unserer Treiber«) und für Gerechtigkeit (»und laß dein Reich zu uns kommen, das Reich der Gerechtigkeit. Amen.«).
Sofort nach seinem Erscheinen setzte eine Suche der Behörden nach dem Verfasser ein. Die Schrift wurde von ihnen als »hochverräterisch« und als »eine der bösartigsten revolutionären Schriften überhaupt« eingestuft.