Fouqués Märchen-Erzählung »Undine« wurde 1811 erstmals veröffentlicht. Die Liebesgeschichte zwischen einer Seejungfrau und einem Ritter gilt als charakteristisches Werk der Romantik. Durch die Heirat mit Huldbrand von Ringstetten erhält die bezaubernde Wasserfee Undine eine Seele. Als Huldbrand ihre Liebe verrät, muss Undine in ihr Wasserreich zurückkehren und grausame Rache nehmen. Das Märchen spielt auf einer Halbinsel an einem See nahe einer Reichsstadt, auf der Ritterburg Ringstetten bei den Donauquellen in Schwaben und auf der Donau zur Zeit des Spätmittelalters.
Auf einer einsamen Halbinsel an einem See lebt ein altes Fischerpaar mit seiner achtzehnjährigen Pflegetochter Undine. Aus dem Wald, der sie von der Stadt trennt und in dem Elementargeister ihr Unwesen treiben, reitet eines Abends der Ritter Huldbrand von Ringstetten zur Fischerhütte. Er verliebt sich sofort in die schöne Undine, die ihm kindlich unbefangen ihre Zuneigung zeigt. Vom Fischer erfährt Huldbrand, dass seine leibliche Tochter als Kleinkind in den See gestürzt und ertrunken sei. Am selben Abend tauchte die geheimnisvolle dreijährige Undine bei ihnen auf.
Ein Unwetter lässt den Bach am Waldrand zu einem reißenden Strom anschwellen und trennt die Halbinsel vom Festland. In der romantischen Abgeschiedenheit leben Huldbrand und Undine als Brautpaar zusammen. Ein Priester, der nach dem Kentern eines Bootes bei der Fischerhütte an Land gespült wird, traut die Liebenden. Nach der Hochzeitsnacht ist aus dem ungebändigten Kind eine sanfte und hingebungsvolle Frau geworden. Sie dankt ihrem Mann und gesteht ihm, ein vormals seelenloses Elementarwesen zu sein. Ihr Vater, ein Wasserfürst im Mittelmeer, habe sie fortgeschickt, um durch die Liebe eines Menschen eine unsterbliche Seele zu erhalten. Huldbrand lässt sich durch diese Enthüllung nicht in seiner Liebe beirren.
Undines Onkel Kühleborn, der abwechselnd Menschen- und Wassergestalt annehmen kann, lässt den Strom abschwellen. In der Stadt werden Huldbrands frühere Geliebte, die eifersüchtige Bertalda, und Undine Freundinnen. In der Absicht, die Freundin glücklich zu sehen, macht Undine eine Information von Kühleborn öffentlich: Die herzoglich aufgewachsene Bertalda ist die leibliche Tochter des Fischerpaars. Da diese sich mit Hochmut und Kälte dagegen wehrt, Undines Behauptung sich aber beweisen lässt, wird Bertalda von Pflegeeltern und Eltern verstoßen.
Bertalda darf Undine und Huldbrand zur Burg Ringstetten begleiten, wo Huldbrands Liebe sich bald von Undine ab- und Bertalda zuwendet. Kühleborns wiederholtes Erscheinen auf der Burg versetzt Bertalda in Schrecken. Undine lässt deshalb den Brunnen, Kühleborns einzigen Zugang zur Burg, mit einem Stein bedecken. Um die Freundin zu schützen, setzt sie sich auch über Bertaldas Einwände hinweg, die das Brunnenwasser als Schönheitsmittel nutzt. Gerührt von der Großmütigkeit seiner Frau entdeckt Huldebrand wieder seine Liebe zu ihr. Ihrer Bitte folgend verspricht er, sie niemals in Nähe eines Gewässers zu schelten, weil die Wasserwelt sie sonst sofort zurückholen würde.
Bertalda fühlt sich ausgestoßen und flieht von der Burg in die Berge. Huldbrand will sie zurückbringen, was Kühleborn mit allen Mitteln zu verhindern sucht. Sein Versuch, das Liebespaar im überfluteten »Schwarztal« zu ertränken, wird von Undine vereitelt, die zur Rettung herbeieilt.
Auf Burg Ringstetten zieht Friede ein, bis die drei Freunde sich zu einer Schiffsfahrt entschließen. Immer wieder versetzt Kühleborn die Reisenden auf der Donau in Schrecken. Undine kann ihn zwar niederhalten, doch Huldbrands Unmut über die Verwandtschaft seiner Frau mit dem Wasserreich wächst stetig. Als er Undine anherrscht und heftig schilt, erzwingt er damit ihre Rückkehr in die Wasserwelt. Sie ermahnt ihn, ihr treu zu bleiben, bevor sie unter Tränen im Fluss verschwindet.
Nach einer Trauerzeit beschließt Huldbrand, Bertalda zu ehelichen. Der Priester von damals, dem die lebendige Undine im Traum erschienen ist, versucht vergeblich ihn von einer Zweitehe abzuhalten. Nach den Gesetzen des Wasserreichs muss Undine den geliebten Huldbrand töten, wenn er ihr untreu wird. Sie schickt Huldbrand einen Traum, der ihn warnen soll. Huldbrand hält an seinem Entschluss fest und heiratet Bertalda.
Als Bertalda vor der Hochzeitsnacht nach Brunnenwasser verlangt, wird der Stein entfernt. Sofort entsteigt Undine dem Brunnen und begibt sich zu Huldbrand. Beglückt sie wiederzusehen, stirbt er unter Küssen und Tränen in ihren Armen. Bei seiner Beerdigung erscheint eine verschleierte Frau, die sich in einen Bach verwandelt, der in seinem Lauf den Grabhügel fast ganz umschließt.
Dem Zauber dieser tragischen Liebesgeschichte in ihrer einzigartigen Bildhaftigkeit konnte sich kaum eine Epoche entziehen. Dies mag daran liegen, dass man – wenn man sich darauf einlässt – in dem Märchen nahezu alle Fragen des Lebens angesprochen findet. Das Undine-Motiv liegt in zahllosen literarischen und bühnenmusikalischen Bearbeitungen vor. Es tauchte erstmals in der Sage der Stauffenbergs im 14. Jahrhundert auf; Fouqués Erzählung ist ein Klassiker der deutschen Romantik. Auch das Libretto für E. T. A. Hoffmanns 1816 uraufgeführte gleichnamige Oper stammt von Fouqué.