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Vor Sonnenaufgang

Gerhart Hauptmanns »Vor Sonnenaufgang« ist ein soziales Drama in fünf Akten, das 1889 in Berlin uraufgeführt wurde. Es spielt auf dem Bauerngut der Familie Krause im fiktiven schlesischen Witzdorf zu seiner Entstehungszeit. Die Handlung setzt am frühen Abend eines Septembertages ein und entwickelt sich in wenig mehr als 24 Stunden. Hauptfiguren sind der soziale Aufklärer […]

Werkdaten

Titel
Vor Sonnenaufgang
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1889
Uraufführung
1889
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Inhaltsangabe

Gerhart Hauptmanns »Vor Sonnenaufgang« ist ein soziales Drama in fünf Akten, das 1889 in Berlin uraufgeführt wurde. Es spielt auf dem Bauerngut der Familie Krause im fiktiven schlesischen Witzdorf zu seiner Entstehungszeit. Die Handlung setzt am frühen Abend eines Septembertages ein und entwickelt sich in wenig mehr als 24 Stunden. Hauptfiguren sind der soziale Aufklärer Alfred Loth als Gast seines früheren Weggefährten Ingenieur Hoffmann und dessen Schwägerin Helene Krause. Loth will Studien über die Lebensbedingungen der Bergarbeiter der Region betreiben, die Hoffmann kompromittieren würden. Als Helenes Versuch scheitert, dem Milieu von Stumpfheit und Verfall durch eine Beziehung zu Loth zu entkommen, nimmt sie sich das Leben.


1. Akt

Alfred Loth erscheint auf dem Bauerngut der Familie Krause und wird von deren Schwiegersohn Hoffmann überschwänglich begrüßt. Loth und Hoffmann haben sich seit den gemeinsamen Studienzeiten nicht gesehen. Hoffmann ist zu Reichtum gekommen und distanziert sich von den revolutionären Gedanken der Jugendzeit. Beide hatten einen sozialistischen Musterstaat in Amerika gründen wollen. Loth hat für seine Überzeugungen zwei Jahre im Gefängnis eingesessen und hält weiterhin an ihnen fest. In der Bergbauregion will er Material für eine sozialkritische Studie sammeln. Loth erhält von Hoffmann einen Scheck zur Unterstützung seiner Arbeit.

Loth hat Gerüchte gehört, nach denen Hoffmann den Bauunternehmer Müller, der eine Gebirgsbahn für den Kohlentransport bauen wollte und mit Martha Krause verlobt gewesen war, aus seiner Position verdrängt hat. Nach Müllers Selbstmord hat Hoffmann Martha geheiratet und das Bauprojekt für die profitable Bahn übernommen. Zudem hat er sich das Recht an der unter den Feldern der Bauern liegenden Kohle erschlichen.

Helene, die jüngere Schwester von Martha, trifft auf Loth. Sie beklagt die Degeneration der Bauern. Ihre Erziehung in der Internatsschule Herrnhut hat sie ihrem Herkunftsmilieu entfremdet. Als sie Loth ihre Angst vor den finsteren Bergarbeitern gesteht, erzählt dieser ihr von seinen Studien, die zur Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen führen sollen.

Am festlichen Abendessen, das Hoffmann zu Ehren des Gastes angeordnet hat, nimmt auch Helenes Stiefmutter teil, eine ungebildete Frau, die nach der Heirat mit dem verwitweten Bauern Krause zu den Neureichen des Dorfes zählt. Ihr Neffe und zugleich Helenes Verlobter, der tumbe Jäger Wilhelm Kahl, ist ebenfalls zugegen. Während alle eifrig dem Alkohol zusprechen, stellt der abstinent lebende Loth den verbreiteten Alkoholismus an den Pranger.


2. Akt

Bauer Krause kommt in der Morgendämmerung wie gewohnt stark betrunken auf den Hof. Helene eilt nach unten, um ihn unbemerkt ins Haus zu bringen. Lallend bietet Krause seiner Tochter Geld für Liebesdienste an und wird zudringlich, während Kahl halb angezogen heimlich aus dem Haus schleicht.

Loth und Helene begegnen sich am Taubenhaus. Sie reden zunächst über Literatur, von der Helene Trost und Hilfe erwartet, Loth dagegen Aufklärung und Ideale. Loth sieht sich als Kämpfer für das Glück aller und will sich für soziale Gerechtigkeit und gegen die Verherrlichung des Krieges einsetzen. Helene und Loth tauschen ihre Erfahrungen über die harten, zum Teil lebensbedrohlichen Bedingungen der Arbeiter aus. – Frau Krause will die Magd Marie aus dem Haus jagen, weil diese eine Liebschaft mit dem Großknecht hat. Helene verhindert dies, indem sie Frau Krause androht, deren Verhältnis mit ihrem Vetter Wilhelm Kahl öffentlich zu machen.


3. Akt

Wegen Marthas Trunksucht, die den Tod ihres ersten Kindes zur Folge hatte, empfiehlt der Hausarzt Dr. Schimmelpfennig Hoffmann, das erwartete zweite Kind von der Mutter zu trennen und von Helene erziehen zu lassen.

Hoffmann begegnet Helenes Verzweiflung über die Verkommenheit ihrer Familie mit eindeutigen Avancen und dem Vorschlag, in sein Haus zu ziehen, sich um das Kind zu kümmern und ihm zu Diensten zu sein. Helene wendet sich angewidert ab. Hoffmann warnt Helene davor, auf Loths politische Ansichten und Schwärmereien hereinzufallen. Helene erkennt ihn als Heuchler.

Loth bittet Hoffmann um Unterstützung für seine Studien über die Bergleute. Er will dazu vier Wochen lang in die Gruben einfahren. Hoffmann ist skeptisch und bringt das Gespräch auf Frauen. Loth verkündet, dass er von seiner zukünftigen Frau geistige und körperliche Gesundheit erwarte, außerdem Verständnis für seine Lebensaufgabe und den Mut, den ersten Schritt zu tun und sich zu erklären. Helene wird Zeugin des Gesprächs, in dessen Verlauf es zum Zerwürfnis zwischen Hoffmann und Loth kommt; Loht will sich nicht davon abhalten lassen, über die Bergbauregion zu schreiben. Dabei nimmt er billigend in Kauf, Hoffmann zu schaden, was dieser als Verrat bezeichnet. Hoffmann wird beleidigend und Loth zerreißt nach Hoffmanns Abgang den erhaltenen Scheck, als Helene erscheint und Loth ihre Gefühle für ihn offenbart.


4. Akt

Hoffmann kommt zurück, bedauert den Streit und bittet Loth zu bleiben. – Loth und Helene küssen sich in einer versteckten Laube. Da Helene sich Loths Gefühlen nicht sicher ist, zögert sie, die Wahrheit über ihren trunksüchtigen Vater zu verraten. – Als Marthas Wehen einsetzen, schickt Frau Krause nach einer Hebamme, obwohl Hoffmann angeordnet hatte, Dr. Schimmelpfennig hinzuzuziehen. Helene macht sich selbst auf, den Arzt zu holen.


5. Akt

Dr. Schimmelpfennig kümmert sich im Haus um die Gebärende. Loth erkennt in dem Arzt seinen ehemaligen Weggefährten. Schimmelpfennig beklagt den Alkoholismus, die Völlerei und Inzucht in der Gegend und ermuntert seinen alten Freund zu den geplanten Studien. Als der Arzt geht, um nach der Wöchnerin zu sehen, kommt Helene zu Loth. Sie küssen sich und Helene gesteht ihre Angst, von Loth verlassen zu werden. Sie beschließen, noch in derselben Nacht gemeinsam zu fliehen.

Dr. Schimmelpfennig erinnert Loth an seine hohen Ansprüche in Bezug auf eine Ehe und klärt ihn darüber auf, dass Helenes Vater ebenso dem Alkohol verfallen sei wie ihre Schwester Martha, und Hoffmanns dreijähriger Sohn bereits alkoholabhängig war, bevor er auf tragische Weise ums Leben kam. Loth schreibt daraufhin Helene einen Abschiedsbrief und will das Haus verlassen und am nächsten Tag auch die Gegend. Hoffmann ist erleichtert und dankt Loth für dessen vermeintliche Einsicht und Freundschaft.

Helene überbringt Hoffmann die Nachricht, dass das Kind tot geboren ist. Sie sucht nach Loth und findet den Brief. Daraufhin tötet sie sich mit einem Jagdmesser, während im Hintergrund ihr Vater betrunken grölend im Morgengrauen nach Hause kommt.


Das vorliegende Drama begründete den Durchbruch des Naturalismus im deutschen Theater. In einem seiner ersten Werke gelingt dem späteren Nobelpreisträger Hauptmann eine scharfe Gesellschaftsanalyse in Verbindung mit einem Familiendrama. Industrialisierung und Kapitalismus auf der Grundlage der Kohleförderung zerstören die ländlichen Familienstrukturen und führen zum Niedergang der Bauerngesellschaft. Das Beispiel der gebildeten und resignierten Helene zeigt, dass die Menschen der Macht des Milieus ausgeliefert sind.

Veröffentlicht am 8. Dezember 2013. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Deutscher Dramatiker, der 1912 den Literaturnobelpreis erhielt
Der Schriftsteller Gerhart Hauptmann wurde 1862 im schlesischen Ober Salzbrunn geboren. Nach wechselvollen Lehr- und Wanderjahren, in denen er sich erfolglos als Maler und Bildhauer versucht und ein Literatur- und Philosophiestudium abgebrochen hatte, zog er 1889 mit seiner Frau und seinen Söhnen…
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