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Frühlings Erwachen

Das 1890/91 entstandene und 1906 in Berlin uraufgeführte Drama »Frühlings Erwachen« (Untertitel: »Eine Kindertragödie«) von Frank Wedekind spielt Ende des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt des Stücks stehen die Gymnasiasten Melchior Gabor und Moritz Stiefel sowie die vierzehnjährige Wendla Bergmann. Die Jugendlichen suchen – verzweifelt und vergeblich – nach Antworten auf die drängenden Probleme der Pubertät […]

Werkdaten

Titel
Frühlings Erwachen
Vollständiger Titel
Frühlings Erwachen: Eine Kindertragödie
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1906
Uraufführung
1906
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Inhaltsangabe

Das 1890/91 entstandene und 1906 in Berlin uraufgeführte Drama »Frühlings Erwachen« (Untertitel: »Eine Kindertragödie«) von Frank Wedekind spielt Ende des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt des Stücks stehen die Gymnasiasten Melchior Gabor und Moritz Stiefel sowie die vierzehnjährige Wendla Bergmann. Die Jugendlichen suchen – verzweifelt und vergeblich – nach Antworten auf die drängenden Probleme der Pubertät .


Moritz gesteht seinem Freund Melchior Angst und Verunsicherung angesichts erster sexueller Regungen. Moritz ist nicht aufgeklärt, und um ihm zu helfen, verfasst Melchior für ihn eine Aufklärungsschrift. Zudem ist Moritz‘ Versetzung gefährdet, was ihm große Sorgen macht. Die Erleichterung ist groß, als er herausfindet, dass er – unter Vorbehalt – in die nächste Klasse aufsteigen kann.

Die vierzehnjährige Wendla zieht noch ihr Kinderkleid einem Kleid für Erwachsene vor, versucht aber doch im Gespräch mit ihren Freundinnen das Geheimnis des Kinderkriegens zu lüften. Wendla und Melchior verlieben sich ineinander, und als Wendlas verheiratete Schwester ein Kind bekommt, verlangt Wendla von ihrer Mutter sexuelle Aufklärung. Die Mutter weigert sich und weicht aus. Als es zwischen Wendla und Melchior zu Geschlechtsverkehr kommt, ist sich das Mädchen unsicher über die Folgen.

Moritz soll doch nicht versetzt werden, und aus Verzweiflung und Angst vor seinen Eltern will er nach Amerika fliehen. Er bittet Melchiors Mutter um Geld dafür, doch diese lehnt ab. Moritz sieht keinen anderen Ausweg als sich das Leben zu nehmen. Auch die Begegnung mit der lebensfrohen Ilse im letzten Moment bringt ihn nicht davon ab. Er erschießt sich.

Melchiors Aufklärungsschrift mit dem Titel »Der Beischlaf« wird in Moritz‘ Sachen gefunden. Melchior wird für Moritz‘ Tod verantwortlich gemacht und von der Schule verwiesen. Als auch noch herauskommt, dass Wendla von ihm schwanger ist, wird er in eine Erziehungsanstalt eingewiesen.

Wendlas Mutter veranlasst eine Abtreibung, bei der Wendla ums Leben kommt. Melchior gelingt die Flucht aus dem Erziehungsheim. An Wendlas Grab begegnet ihm der Geist des toten Moritz. Während Moritz versucht, Melchior ebenfalls zur Selbsttötung zu überreden, taucht ein vermummter Mann auf. Er verlangt von Moritz zu verschwinden. Der Vermummte will sich um Melchior und seine Zukunft kümmern und fordert ihn auf sich ihm anzuvertrauen. Das Gespenst geht zurück in sein Grab und Melchior lässt sich vom Vermummten wegführen.


Mutig und seiner Zeit voraus, prangert Wedekind die bornierten Moralvorstellungen im ausgehenden 19. Jahrhundert und das daraus entstehende Leid an. »Frühlings Erwachen« ist inzwischen ein Klassiker. Das Stück hat bis heute nicht an Aktualität verloren: Schulische oder sexuelle Probleme Jugendlicher, denen Eltern und Lehrer mit fehlendem Einfühlungsvermögen oder Gleichgültigkeit begegnen, sowie mangelnde Aufklärung, führen auch heute noch zu menschlichen Tragödien.

Veröffentlicht am 17. Januar 2013. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Deutscher Dramatiker
Frank Wedekind (1864–1918) war ein bekannter deutscher Schriftsteller und Dramatiker der Moderne. In seinen Theaterstücken übte er scharfe Gesellschaftskritik. Viele seiner Texte wurden als unsittlich empfunden und zeitweise zensiert. Dennoch gehörten Wedekinds Dramen zu den am häufigsten gespiel…

Szenenübersicht

1. Szene
An ihrem 14. Geburtstag wünscht Frau Bergmann, dass ihre Tochter Wendla ein langes, ihrem Alter angemessenes Kleid anzieht. Wendla setzt durch, dass sie noch einen Sommer lang ihr kurzes Kinderkleid tragen darf.
2. Szene
Melchior Gabor und sein Freund Moritz Stiefel malen sich aus, wie ihre späteren Kinder aufwachsen: Mädchen und Jungen sollen unbefangen miteinander umgehen lernen. Moritz gesteht, dass er erste männliche Regungen verspürt, die ihn zu Tode ängstigen. Sexuelle Aufklärung ist ihm bisher nicht zuteil geworden, und um seinem Freund zu helfen schreibt Melchior für ihn alles auf, was er über Sexualität weiß.
3. Szene
Wendla plaudert mit ihren Freundinnen. Martha berichtet von körperlicher Züchtigung durch ihre strengen Eltern. Die Mädchen fragen sich, ob ein notwendiger Zusammenhang besteht zwischen Ehe und Schwangerschaft.
4. Szene
Moritz findet heraus, dass er trotz schlechter Leistungen in die nächste Klasse versetzt wird. Die Freundschaft zwischen ihm und Melchior, dem Klassenbesten, wird misstrauisch beobachtet.
5. Szene
Wendla und Melchior begegnen sich im Wald. Im Gespräch mit Wendla stellt Melchior die Wahrheit der kirchlichen Lehre in Frage und erwägt den Kirchenaustritt. Dann folgt Melchior Wendlas Aufforderung sie zu schlagen, weil sie diese ihr unbekannte Erfahrung machen will. Melchior beginnt zögernd, verliert dann die Kontrolle und prügelt heftig auf sie ein. Dann läuft er schluchzend in den Wald.
1. Szene
In einem seltsamen Geisteszustand erzählt Moritz Melchior das »Märchen von der Königin ohne Kopf«. Die beiden lesen zusammen Goethes »Faust«, was Melchiors liberale Mutter duldet. Melchiors Aufklärungsschrift verstört Moritz.
2. Szene
Als Wendlas Schwester ein Kind bekommt, verlangt Wendla von ihrer Mutter sie aufzuklären, aber diese weicht aus.
3. Szene
Melchiors und Moritz‘ Klassenkamerad Hänschen Rilow gibt sich seinen sexuellen Fantasien hin.
4. Szene
Obwohl Wendla sich sträubt, kommt es zwischen Melchior und ihr zu Geschlechtsverkehr.
5. Szene
Aus Verzweiflung über sein Schulversagen hat Moritz Melchiors Mutter um Geld für die Überfahrt nach Amerika gebeten, und für den Fall ihrer Weigerung mit Selbsttötung gedroht. Melchiors Mutter hilft ihm nicht.
6. Szene
Wendla ist im Garten, hin- und hergerissen zwischen Glücksgefühlen und Angst vor den Folgen ihres Tuns.
7. Szene
Als Moritz seinen Entschluss sich unten am Fluss umzubringen ausführen will, begegnet er Ilse, einem lebensfrohen Mädchen mit lockerer Moral. Obwohl er bedauert sterben zu müssen ohne Sex gehabt zu haben, lässt er die Gelegenheit es mit Ilse zu erleben ungenutzt. Als Ilse weg ist, erschießt er sich.
1. Szene
Melchiors Aufklärungsschrift mit dem Titel »Der Beischlaf« wird in Moritz‘ Sachen gefunden. Die Schrift wird als obszön und unmoralisch verurteilt, und das Lehrerkollegium gibt Melchior die Schuld an Moritz‘ Tod. Melchior bekommt keine Möglichkeit sich zu verteidigen und wird der Schule verwiesen.
2. Szene
Moritz wird beerdigt, und die Reden des Pastors, der Lehrer und Verwandten an seinem Grab sind voller Verachtung für den Toten. Sein Vater verleugnet ihn. Nur die Mitschüler dagegen trauern um ihn. Ilse ist im Besitz der Pistole, mit der Moritz sich den Kopf weggeschossen hat.
3. Szene
Wegen der Aufklärungsschrift soll Melchior in eine Erziehungsanstalt eingewiesen werden. Seine Eltern geraten darüber in Streit. Seine Mutter kämpft für ihn, nennt ihn unschuldig und preist seine aufrechten Gang. Erst als Melchiors Vater ihr beweist, dass Wendla von ihrem Sohn schwanger ist, stimmt sie der Einweisung resigniert zu.
4. Szene
In der Erziehungsanstalt sondert sich Melchior von den anderen ab und schmiedet insgeheim Fluchtpläne.
5. Szene
Wendlas Schwangerschaft wird als Bleichsucht behandelt, obwohl die Mutter die Wahrheit ahnt. Wendla wirft ihr vor sie nicht aufgeklärt und sie unwissend gehalten zu haben. Die Mutter beschließt eine Abtreibung, die Wendla nicht überleben wird.
6. Szene
Ernst und Hänschen, ehemalige Klassenkameraden von Moritz und Melchior, machen im Weinberg homoerotische Erfahrungen.
7. Szene
Die Flucht aus der Erziehungsanstalt gelingt, und Melchior kommt zu Wendlas Grab. Er gibt sich die Schuld an ihrem Tod. Plötzlich erscheint ihm Moritz, der seinen Kopf unter dem Arm trägt. Moritz versucht Melchior zu sich in das Reich der Toten zu locken, als ein vermummter Herr auftaucht, der sich zwischen die beiden stellt. Er verlangt von Moritz zu verschwinden. Melchior fordert er auf sich ihm anzuvertrauen und sich von ihm in die Welt führen zu lassen. Er definiert Moral als das Produkt zweier imaginärer Größen, nämlich Sollen und Wollen. Melchior geht mit ihm, während Moritz‘ Gespenst zurück ins Grab steigt.

Kurze Zusammenfassung

Das Drama »Frühlings Erwachen« lässt sich als eine Art »Adoleszenzdrama« bezeichnen, das typische Probleme dieser Lebensphase thematisiert: Moritz wird nicht versetzt und begeht aus diesem Grund Selbstmord, Wendlas Suche nach ihrer eigenen Sexualität mündet in eine ungewollte Schwangerschaft und in ihren Tod beim Versuch der Abtreibung. Melchior wird in ein Erziehungsheim gebracht, wo er weitere Spielarten von Sexualität erlebt; das Eingreifen eines »vermummten Herrn« am Ende des Stücks ermöglicht sein Weiterleben und öffnet damit den Raum für eine Konfliktlösung.

Hauptpersonen

Moritz Stiefel:

  • mutlos-labil, von Minderwertigkeitsgefühlen beherrscht
  • schwacher Schüler

Melchior Gabor:

  • wacher, kritischer Verstand
  • sensibel und selbstkritisch

Wendla Bergmann:

  • Spannung zwischen Freiheitswillen und Bindung an Mutter
  • Neigung zu Masochismus

Frau Bergmann:

  • körper- und sexualfeindliche Grundeinstellung
  • nicht lernfähig

Frau Gabor:

  • liberale, menschenfreundliche Grundeinstellung

Dazu kommen Episodenfiguren wie Gymnasialprofessoren, Pastor Kahlbauch, der vermummte Herr, Ilse und Hänschen Rilow.

Zeitgeschichtliche Einordnung

Wedekind lebte von 1864 bis 1918 in verschiedenen Städten
und Ländern, u. a. in Hannover, Berlin, München, Aarau und Lausanne.

Die Zeit war geistesgeschichtlich geprägt durch die Jahrhundertwende mit ihren z. T. ganz unterschiedlichen philosophisch-ästhetischen Strömungen, politisch herrschte das absolutistische System des wilhelminischen Kaiserreichs vor.

»Frühlings Erwachen« wurde 1891 fertiggestellt, durfte aber erst 1906 aufgeführt werden; im Drama lassen sich zahlreiche Parallelen zu anderen Werken Wedekinds nachweisen.

Entstehung und Quellen

Die das Drama bestimmenden Themen »Schule« und »Sexualität« gehören zu den Themen, die im Werk Wedekinds immer wieder auftauchen, biografischer Anknüpfungspunkt war wohl der Selbstmord eines Mitschülers im Jahre 1891. Das Drama enthält Anspielungen auf das Alte Testament, Goethes »Faust«, Shakespeares »Othello« und Büchners »Woyzeck«.

Stil und Sprache

Stil und Sprache werden durch die Alltagssprache und den Verzicht auf eine poetische Kunstsprache geprägt. Die Wortwahl ist durch zahlreiche Anspielungen auf andere literarische Werke geprägt.

Interpretationsansätze

»Frühlings Erwachen« ist

  • ein Werk, das bürgerliche Moralvorstellungen kritisiert (gesellschaftskritisch),
  • ein Werk, das innerseelische Vorgänge auf die Bühne bringt (psychologisch),
  • ein typisches Jugendstildrama (philosophisch-poetologisch).

Lektürehilfe

Königs Erläuterungen zu »Frühlings Erwachen«

Verlässliche Interpretationshilfe
Mit ausführlicher Inhaltsangabe, Informationen zur Textanalyse und Interpretation sowie Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen.
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