Theodor Fontanes Novelle »Unterm Birnbaum« erschien 1885. Sie schildert einen Raubmord, den das Gastwirtspaar Hradscheck an einem Reisenden begeht. Täter und Tathergang sind von Anfang an bekannt. Spannung entsteht durch die Frage, ob und wie das Verbrechen entdeckt wird. Die Handlung umfasst den Zeitraum von Oktober 1831 bis Oktober 1833 und wird weitgehend chronologisch erzählt. Ort des Geschehens ist das fiktive Dorf Tschechin im Oderbruch.
Abel Hradschek und seine Frau Ursel betreiben ein Gasthaus im Oderdorf Tschechin. Die beiden haben große Geldsorgen, entstanden durch Abels Spielschulden und Ursels Hang zum Luxus. Zufällig entdeckt Abel beim Umgraben seines Gartens unter dem Birnbaum das Gerippe eines französischen Soldaten. Ihm kommt die Idee zu einem raffinierten Verbrechen. Er weiht Ursel in seine Pläne ein.
Wenige Wochen später beraubt und tötet das Paar den polnischen Schuldeneintreiber Szulski und vergräbt seine Leiche im Weinkeller. Ursel verkleidet sich als Szulski und inszeniert einen Unfall mit dessen Kutsche. Das tote Pferd und der zertrümmerte Wagen werden gefunden. Von Szulski, der das Unglück nicht überlebt haben kann, fehlt aber jede Spur. Abel gerät unter Verdacht, am Verschwinden des Polen schuld zu sein. Er kommt in Untersuchungshaft. Die alte Nachbarin Jeschke belastet Abel zusätzlich. Sie erzählt dem Gendarm Geelhaar, dass sie Abel beim nächtlichen Graben unter seinem Birnbaum beobachtet habe.
Der Ablauf der Kriminalgeschichte offenbart dem Leser immer nur einen Teil der Wahrheit. Die Mordtat selbst wird nicht beschrieben. In die Handlung eingestreute Verdachtsmomente lassen den Leser eigene Schlüsse ziehen. Deutliche Hinweise und geheimnisvolle Aussparungen halten sich dabei die Waage. Die Geschichte erfordert eine aktive Lesehaltung. Auf diese Weise entsteht Spannung, und der Leser wird selbst zum Kriminalisten.
Genau dies ist Teil von Abels Strategie: Er kann den Verdacht entkräften, indem er scheinbar beschämt von dem toten Franzosen berichtet. Beim Vergraben verdorbenen Schinkens sei er mit dem Spaten auf die Leiche gestoßen. Aus Angst, Gäste zu verlieren, habe er niemandem davon erzählt. Tatsächlich wird der tote Soldat unterm Birnbaum gefunden. Seine Uniform sowie der Verwesungsgrad der Leiche lassen darauf schließen, dass es sich um einen Soldaten aus der Zeit der Befreiungskriege handelt. Abel ist rehabilitiert und wird entlassen.
Nach seiner Rückkehr genießt Abel wieder das Vertrauen der Dorfbewohner. Er errichtet ein Grabmal für den unbekannten Franzosen und beginnt mit Umbauarbeiten am Haus. Ursel dagegen trägt schwer an der Schuld. Sie zieht sich immer mehr zurück, erkrankt schwer und stirbt schließlich. Auch nach ihrem Tod fühlt Abel sich sicher vor der Justiz. Unverdrossen nimmt er am gesellschaftlichen Leben teil.
Unterdessen sät die alte Frau Jeschke Gerüchte, dass es in Abels Keller spuke. Auch macht sie weiterhin Andeutungen auf das Verbrechen. Abel ist beunruhigt. Deshalb steigt er eines Nachts nach unten, um die Leiche auszugraben. Sein Plan ist es, sie in die Oder zu werfen. Durch ein Missgeschick sperrt er sich dabei jedoch selbst im Keller ein. Seine Bediensteten finden ihn dort am anderen Morgen neben Szulskis teilweise ausgegrabener Leiche. Abel ist tot.
Die Novelle wurde ab August 1885 zunächst als Fortsetzungsreihe in der populären Zeitschrift »Die Gartenlaube« veröffentlicht; im Oktober desselben Jahres erschien sie als Buchausgabe. »Unterm Birnbaum« wird der Gattung der Kriminalliteratur zugerechnet. Wie vergleichbare Werke basiert die Novelle auf den zu jener Zeit äußerst beliebten »Fallgeschichten«. Diese schilderten tatsächliche Rechtsfälle und entsprachen damit der Epoche des Realismus. Mit der Darstellung unterschiedlicher sich zuspitzender Konflikte übt Fontane zudem Kritik an der Dorfgesellschaft und ihrer gefährlichen Dynamik.