Theodor Fontanes 1892 veröffentlichter Gesellschaftsroman »Frau Jenny Treibel« trägt den Untertitel »Wo sich Herz zum Herzen find’t«. Er spielt im Berlin der Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen die großbürgerliche Familie des Kommerzienrats Treibel und die in bescheidenen Verhältnissen lebende Familie des Professors Schmidt. Für die einen haben Äußerlichkeiten, Besitz und daraus resultierendes gesellschaftliches Ansehen den Stellenwert, den Bildung und Authentizität für die anderen haben. Der freundschaftliche Kontakt zwischen ihnen geht keineswegs soweit, dass aus Jenny Treibels Sicht eine Verlobung zwischen ihren Kindern nicht die gesellschaftliche Ordnung bedrohen würde.
Frau Kommerzienrätin Jenny Treibel erscheint im Hause von Professor Wilibald Schmidt, um dessen Tochter Corinna zu einem Diner einzuladen. Jenny erzählt Corinna von ihrer Jugend, als Wilibald in sie verliebt war und ihr Gedichte schrieb. Die Kommerzienrätin stammt aus kleinen Verhältnissen und hat reich geheiratet. Trotzdem rät sie Corinna, an ihren Idealen festzuhalten und nicht Wohlstand über Glück zu stellen.
Die Gäste im Hause Treibel sind sorgfältig ausgewählt nach Rang und Namen oder Nützlichkeit. Vogelsang zum Beispiel soll Treibel bei einer politischen Wahlkampagne unterstützen. Der Abend endet mit musikalischen Darbietungen. Zum Schluss bringt Jenny wie immer das Liebeslied zum Vortrag, das Wilibald einst für sie geschrieben hat.
Die kluge und lebhafte Corinna wünscht sich ein Leben in Wohlhabenheit. Auf dem Rückweg vom Diner gesteht sie ihrem Vetter Marcell, dass sie es darauf anlege, die Frau von Leopold Treibel, Jennys zweitem Sohn, zu werden. Marcell liebt Corinna insgeheim und will sie heiraten. Er versucht, ihr den Plan auszureden, da Leopold ihr nicht ebenbürtig sei.
Professor Schmidt empfängt in seiner Wohnung regelmäßig einen Kreis von Kollegen, und Marcell und Corinna treffen im Hause Schmidt auf die Herrenrunde. In einer anschließenden Unterredung versucht der Professor, die Sorgen seines Neffen zu zerstreuen, Corinna könne Leopold heiraten. Das werde dessen bourgeoise Mutter nicht zulassen. Er kennt und durchschaut seine Jugendfreundin: Sie sei gefährlich, weil sie gefühlvoll erscheine, tatsächlich aber berechnend sei. Deshalb habe sie vor vielen Jahren auch Treibel ihm, Schmidt, vorgezogen.
Schwiegertochter Helene, die mit Jennys erstem Sohn Otto verheiratet ist, bemüht sich unterdessen, ihre Schwester Hildegard mit Leopold zu verkuppeln. Dies lehnt Jenny ab: Ihren beiden Söhnen mangele es an Leidenschaft, und auch die Hamburgerin Helene habe kein Temperament. Für Leopold wünscht sie sich etwas anderes. Helene dagegen schätzt die Familie Treibel geringer als ihre eigene und hält Leopold für Mittelmaß. Ihrem Mann Otto gegenüber behauptet sie, dass die Treibels sich glücklich schätzen könnten, wenn es zu einer weiteren Verbindung der Familien komme.
Leopold fühlt sich von seiner Familie, von Otto und Helene, und allen voran Jenny, bevormundet. Auch vor Corinna fürchtet er sich, beschließt jedoch, sie gegen alle Widerstände für sich zu gewinnen. Bei einer Landpartie, zu der gemeinsame Freunde eingeladen haben, gesteht Leopold Corinna seine Liebe und verlobt sich mit ihr. Corinna ist einverstanden, befürchtet aber heftigen Protest seitens seiner Mutter. Zuhause bezweifeln ihr Vater und dessen Haushälterin Schmolke, dass Leopold sich gegen seine Mutter werde behaupten können.
Leopold unterrichtet Jenny von der Verlobung. Diese verbietet die nicht standesgemäße Heirat. Kommerzienrat Treibel dagegen ist nicht schockiert über die Nachricht. Seiner Frau allerdings wirft er Blindheit und Überheblichkeit vor. Er erwähnt ihre eigene Herkunft und verbittet sich ihren Hochmut, zumal sie sonst immer viel von Wilibald Schmidt halte.
Als Reaktion auf die Verlobung lädt Jenny Hildegard aus Hamburg ein. Ihre Schwiegertochter Helene ist auf Jennys Seite und will das ihre tun, um Corinna loszuwerden. Jenny sucht Schmidt auf und empört sich über Corinna. Sie wirft ihr Berechnung vor und lässt keinen Zweifel daran, dass sie nicht als Schwiegertochter in Betracht komme. Jenny warnt Corinna vor der Macht, die sie über ihren Sohn hat, und verlässt das Haus unter heftigen Drohungen.
Hildegard kommt nach Berlin, doch die Stimmung im Haus Treibel ist angespannt. Der Kommerzienrat und seine Frau gehen sich aus dem Weg. Leopold hält sich von Corinna fern, schreibt ihr nur jeden Tag einen Brief. Corinna ist gelangweilt und erkennt, dass sie Leopold überschätzt und einen Fehler gemacht hat.
Marcell trägt seiner Cousine ihre Verirrungen nicht nach. Als die beiden ihre Verlobung bekanntgeben, wendet Hildegard sich mit Entschlossenheit Leopold zu. Die Hochzeit von Marcell und Corinna findet im großen Kreis statt. Auch Treibels gehören zu den Gästen, und am Ende des Tages scheinen alle versöhnt.
Mit liebevoller Ironie entwirft Fontane in diesem Klassiker der deutschen Literatur ein Bild der Berliner Gesellschaft in der Gründerzeit. Herr und Frau Kommerzienrat Treibel, letztere eine geborene Bürstenbinder (!), können als Prototypen der von Fontane verachteten Bourgeoisie gelten. Vor dem Hintergrund einer einfachen Geschichte, weitgehend in Form von Dialogen erzählt, werden Handlungsmotive und Werte des Bürgertums in wilhelminischer Zeit mit viel Humor offen gelegt und hinterfragt.