Schauplatz der 1788 veröffentlichten Tragödie »Egmont« von Johann Wolfgang von Goethe ist die Stadt Brüssel zur Zeit des Aufstands der Niederländer gegen die spanische Herrschaft (1566–1568), der mit dem Ausbruch des Achtzigjährigen Kriegs endete. Das Drama handelt vom Untergang des niederländischen Grafen Egmont von Gaure, der versucht sich loyal gegenüber der spanischen Krone zu verhalten und dabei gleichzeitig seinen Überzeugungen treu zu bleiben. Bis zuletzt überhört er warnende Stimmen und unterschätzt die Gefahr, die von den Spaniern ausgeht.
Die katholische Regentin der Niederlande, Margaret von Parma, Schwester von Philipp dem Zweiten von Spanien, vermisst im Kampf gegen die protestantischen Bilderstürmer die Unterstützung der niederländischen Adligen Graf von Egmont und Wilhelm von Oranien. Während Oranien undurchschaubar bleibt und – wie von der Regentin vermutet – im Hintergrund politisch agiert, ist Egmonts Verhalten von Sorglosigkeit und dem Wunsch nach einem ruhigen und angenehmen Leben für sich und sein Volk geprägt. Der freiheitsliebende und freigebige Egmont ist bei den Bürgern beliebt.
Die Regentin informiert ihren Bruder über den Bildersturm. Dieser schickt sofort den berüchtigten Herzog von Alba mit seinem starken Heer in die Niederlande, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Während der weitsichtige und misstrauische Oranien beschließt, den Spaniern den Gehorsam zu verweigern, und auch versucht Egmont zu warnen und auf seine Seite zu ziehen, bleibt Egmont arglos. Er vermutet in König Philip einen gerechten Herrscher.
Seit dem Tag seiner Ankunft wird das Volk von Herzog Alba systematisch unterdrückt. Als der Herzog Egmont und Oranien zu sich einlädt und ihnen so eine Falle stellen will, wittert Oranien die Gefahr und erscheint nicht, während Egmont in seiner Naivität der Einladung folgt. Forsch vertritt Egmont Alba gegenüber seine Auffassung, dass die Niederländer sich niemals der Fremdherrschaft beugen würden. Unabhängig von seinen Äußerungen wird Egmont – Albas Plan entsprechend – gefangen genommen, des Hochverrats bezichtigt und zum Tode verurteilt.
Seine Geliebte Klärchen versucht vergeblich, die Bürger zum Aufstand und zur Befreiung von Egmont zu mobilisieren. Das eingeschüchterte und verängstigte Volk wendet sich von Egmont ab. Als sie die Ausweglosigkeit der Lage erkennt, vergiftet sie sich.
Kurz vor Egmonts Hinrichtung erscheint Albas Sohn Ferdinand, der Egmont zwar nicht retten kann, sich aber als sein Freund und Schüler zu erkennen gibt. Egmont schläft dankbar ein. Im Traum begegnet ihm die Freiheit in Gestalt seiner Geliebten. Sie bedeutet ihm, dass sein Tod den Niederlanden die Freiheit bringen werde und reicht ihm einen Lorbeerkranz. Im Morgengrauen ist Egmont bereit für die Freiheit zu sterben.
Begonnen hat Goethe sein – nach eigener Auffassung »lange vertrödeltes« – Stück schon 1775 in Frankfurt, fertiggestellt hat er es während seiner Reise nach Italien 1786 bis 1788. Es lässt sich nach zahlreichen Überarbeitungen durch Goethe der Epoche der Klassik zurechnen. Im Zentrum des Dramas steht der von Goethe gründlich ausgearbeitete Charakter Egmonts, der ganz im Augenblick lebt und sich durch Arglosigkeit und Ehrlichkeit auszeichnet. Die Schattenseiten dieser Eigenschaften werden ihm zum Verhängnis: Er ist unfähig Menschen und Situationen zu durchschauen und damit zur Politik nicht geeignet. Bis zum Schluss bleibt er jedoch sich selbst treu und macht seinen Frieden selbst mit dem Tod. Daraus ergibt sich die Frage nach der Einordnung des Stücks als Trauerspiel: Es fehlt der für die klassische Tragödie typische schicksalhafte Konflikt der Hauptfigur.