Hermann Hesse hat sich zeitlebens mit Fragen der Religion und des Glaubens auseinandergesetzt. Dies prägte in hohem Ausmaß auch sein Werk. Hermann Hesses Elternhaus war protestantisch-pietistisch; der Familie – auch im weiteren Sinne – gehörten zahlreiche Theologen, Prediger und Missionare an. Schon früh begann der eigensinnige Hermann gegen die Strenge und Starre seiner Erziehung zu rebellieren. Wie zu jener Zeit üblich, versuchten der Vater und die christlichen Schulen den Willen des Heranwachsenden zu brechen. Dies führte zu einer kritischen Haltung Hesses gegenüber dem Christentum.
Hermann Hesse war fasziniert von seinem »indischen« Großvater Dr. Hermann Gundert (1814–1893). Als Missionar, Übersetzer und Entwickler des Schulwesens hatte Gundert in Indien große Verdienste erworben. Er kannte sich im Hinduismus und Buddhismus aus. Auch Hesses Vater Johannes war einige Jahre in Indien gewesen. Neben dem Christentum kam der junge Hermann Hesse also schon früh mit anderen Weltreligionen in Kontakt. Ab 1905 vertiefte er sich darüber hinaus in die chinesische Philosophie und den Taoismus.
In seiner lebenslangen Beschäftigung mit dem Phänomen der Religion entwickelte Hermann Hesse die Vorstellung einer universellen Mystik. Auf dieser Basis ließen sich alle Religionen verbinden und zusammenführen. Hesse suchte nach der Harmonie zwischen allen Menschen und Religionen. Insbesondere die Erzählung »Siddhartha« sowie sein Alterswerk »Das Glasperlenspiel« spiegeln seine Suche nach dem einen Gott wider.
Dogmatische Strömungen innerhalb der Religionen und Konfessionen betrachtete Hermann Hesse dagegen mit Skepsis: »Ich glaube, eine Religion ist so gut wie die andere. Es gibt keine, in der man nicht ein Weiser werden könnte, und keine, die man nicht auch als dümmsten Götzendienst betreiben könnte.« [Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse, Frankfurt 1974 S. 203/4 (1943)]