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Narziß und Goldmund

Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1930
Originalsprache
Deutsch

Über das Werk

»Narziß und Goldmund« ist ein 1930 im S. Fischer Verlag veröffentlichter Roman von Hermann Hesse. Sein Autor bezeichnete das Werk als Erzählung. Nach Form und Umfang kann es aber auch als Roman klassifiziert werden. Zu Hesses Lebzeiten war es das erfolgreichste Buch des Autors. Es wurde in 30 Sprachen übersetzt.

Erzählt wird die Geschichte der Freundschaft zweier gegensätzlicher Männer. Narziß ist asketischer Mönch und Denker, Goldmund Künstler und Weltmensch. Die Handlung ist im Mittelalter der Spätgotik angesiedelt, zeitweise lässt sich dieser Umstand jedoch leicht vergessen, wenn der Roman sich eher wie eine zu Hesses Lebzeiten spielende Geschichte liest. Die einsame Geistigkeit des Narziß und sein Leben im Kloster werden nur zu Anfang und Ende des Buches geschildert, der deutliche Schwerpunkt liegt auf Goldmunds Abenteuern und Liebeserlebnissen außerhalb der Klostermauern. 

Der Roman gliedert sich in zwanzig Kapitel, die alle ungefähr von gleicher Länge sind. Im Verlauf der Handlung finden die Protagonisten, insbesondere Goldmund, immer mehr zu sich selbst. Damit steht das Werk auch in der Tradition des in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert sehr beliebten Bildungsromans, in dem der Protagonist wichtige Lektionen über die Gesellschaft lernt und seine eigene Persönlichkeit vervollkommnet. Ebenfalls lassen sich Parallelen zu dem aus Spanien stammenden Genre des Schelmenromans ziehen, da Goldmund wie ein picaro gern und viel von seinen (insbesondere erotischen) Abenteuern berichtet.

Das Werk ist auf struktureller wie sprachlicher Ebene von einer auffälligen Dialektik durchzogen. Dieses Merkmal ist sehr typisch für Hesse und lässt sich auch in anderen seiner Werke wiederfinden, wie beispielsweise in der Novelle »Unterm Rad« oder im »Steppenwolf«. In »Narziß und Goldmund« werden einander zwei Welten gegenübergestellt: einerseits die der Idee, des Geistes und des Göttlichen, der sich Narziß verschrieben hat, andererseits die der Leidenschaften, Sinne und Kunst, der sich Goldmund hingibt. Diese scheinen gerade am Anfang sehr gegensätzlich und miteinander unvereinbar. Das wird einerseits durch Motive wie die des Klosters und der daran grenzenden Wälder unterstrichen, andererseits durch die Gespräche der Protagonisten, die ebenfalls als dialektische Debatten aufgebaut sind und teilweise mehrere Seiten umfassen. Im Laufe des Romans löst sich die scheinbare Unvereinbarkeit der beiden Welten aber auf und Narziß und Goldmund erkennen, dass Liebe und Freundschaft sehr wohl auch in den Mauern eines Klosters und Nachdenklichkeit und Demut auch in der sinnlichen und triebhaften Natur existieren können.

Die beiden Freunde lernen im Laufe des Romans sehr viel voneinander. Zunächst ist es insbesondere Goldmund, der von Narziß wie von einer Art Psychotherapeut dazu gebracht wird, die unterdrückten Erinnerungen an seine Mutter und damit die von ihr symbolisierte sinnliche Seite seiner Persönlichkeit wiederherzustellen (Lubich, 189f). Gerade zum Ende hin kehrt sich die Lehrer/Schüler-Dynamik der beiden Protagonisten aber auch um. Goldmund lehrt Narziß, wie sich Emotionen mit seinem keuschen und disziplinierten Klosterleben vereinbaren lassen. Jener ist anfänglich nicht in der Lage gewesen, Goldmund seine Liebe zu gestehen; letztendlich kann er sich aber dazu durchringen. 

Der Roman erfreute sich bereits nach seiner Erstveröffentlichung großer Beliebtheit in der Leserschaft und wurde aufgrund seiner Zeitlosigkeit und gleichzeitigen Aktualität gelobt (Herforth, 109). Manche Stimmen äußerten sich auch deutlich zurückhaltender und kritisierten die schablonenhaften Charaktere und die angebliche Trivialität des Romans (ebd, 112). Dennoch gilt »Narziß und Goldmund« heute als eines der beliebtesten Werke Hesses und wurde sogar 2019 von Stefan Ruzowitzky verfilmt. 

Veröffentlicht am 25. September 2019. Zuletzt aktualisiert am 30. September 2023.