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Jugend ohne Gott

Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1937
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Über das Werk

Der Roman »Jugend ohne Gott« von Ödön von Horváth erschien am 26. Oktober 1937 im Amsterdamer Exilverlag Allert de Lange und wurde sogleich ein großer internationaler Erfolg; er bedeutete für Ödön von Horváth den internationalen Durchbruch als Autor. Bis 1939 wurde der Roman in 10 Sprachen übersetzt und erhielt viel positive Kritik, sowohl aus den Zeitungen der Exilpresse als auch in internationalen Medien. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde das Werk 1938 wegen seiner pazifistischen Tendenzen auf die »Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums« gesetzt. Horváth war bis dahin eher als Dramatiker vor allem von Volksstücken bekannt, »Jugend ohne Gott« war sein zweiter Roman nach »Der ewige Spießer« (1930). 

Bis heute begründet der Roman neben dem Volksstück »Geschichten aus dem Wiener Wald« (1930) Horváths Ruhm als »Klassiker der Moderne«. Nachdem der Autor nach seinem frühen Tod 1938 lange Zeit als fast vergessen galt, fand ab den 1960er Jahren im Zuge der Studentenproteste und dem Willen zur gesellschaftlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit eine Wiederentdeckung seiner dramatischen Werke, etwas später dann auch seiner Prosawerke statt. Inzwischen ist »Jugend ohne Gott» Schullektüre geworden, wird aber auch für die Bühne und den Film adaptiert. Aufgrund der aufrüttelnden Warnung des Buches vor den Auswirkungen eines totalitären, menschenverachtenden Systems auf die Menschen, allen voran die Jugend, hat der Roman bis heute nichts von seiner Aktualität verloren.

Seine Bedeutung wurde nach seinem Erscheinen 1937 sogleich von den Kritiken erkannt und aufgegriffen. Er ermöglichte als erstes Werk der Exilliteratur einen Einblick in das Erziehungssystem eines totalitären Staates wie beispielsweise des nationalsozialistischen Deutschlands und der »Deformierung der Jugendlichen im Faschismus« (Krischel, S. 25). Zwar werden der NS-Staat und die Handlungszeit im Roman nie explizit genannt, die Parallelen zum Deutschland ab 1933 waren vor allem für die Zeitgenossen jedoch offensichtlich. So wurde das Werk als Entlarvung der Verführungskraft des Faschismus für eine orientierungslose und emotional vernachlässigte Jugend verstanden. Horváths erklärtes Ziel war es, »die Auswirkungen der vom Kleinbürgertum getragenen faschistischen Ideologie« (ebd.) zu untersuchen. 

Diese Thematik ist auch autobiografisch bedingt, da Horváth selbst nach seiner Flucht 1933 noch einmal nach Deutschland zurückkehrte und von 1934 bis Herbst 1935 in Berlin lebte und versuchte, dort beruflich, trotz eines Aufführungsverbotes seiner Stücke, in der Filmindustrie Fuß zu fassen. Dies ist auch der Hintergrund für die den Roman bestimmende Thematik der Schuld und des Ringens des Ich-Erzählers mit Gott bzw. dem eigenen Gewissen. Hier kann von einer Auseinandersetzung des Autors mit seiner eigenen Zeit als äußerlich angepasster Mitläufer des Systems gesprochen werden, der mit seinem eigenen Verhalten abrechnet und seine innere Wandlung beschreibt, vom »angepassten Opportunisten zum wahrheitsliebenden Emigranten« (Tworek, Kommentar zu 155).

»Jugend ohne Gott« erzählt aus der Perspektive des Ich-Erzählers die Geschichte eines 34-jährigen Gymnasiallehrers, der sich in einer wachsenden Entfremdung zu seinen Schülern und der ihn umgebenden Gesellschaft befindet, die von einem totalitären, faschistischen Regime beherrscht wird. Der Lehrer passt sich lange Zeit an, obwohl sich in ihm Widerstand gegen die menschenfeindliche Grundhaltung seiner Umgebung regt. Erst der Mord an einem seiner Schüler während eines Zeltlagers, an dem der Lehrer sich mitschuldig fühlt, bringt ihn dazu, auf die Stimme seines Gewissens zu hören. Indem er im anschließenden Gerichtsprozess die Wahrheit sagt, erlebt er eine innere und äußere Wandlung. Nachdem der Lehrer eigene Ermittlungen anstellt, um den wahren Täter zu überführen und dieser sich schließlich in die Enge getrieben das Leben nimmt, verlässt der Lehrer das Land, um eine Stelle an einer Missionsschule in Afrika zu übernehmen. Der Zeitraum der Handlung erstreckt sich vom 25. März eines unbekannten Jahres bis zu einem Zeitpunkt im Herbst desselben Jahres. Wichtige Schauplätze der Handlung sind das Gymnasium, das Zeltlager, in dem seine Schüler eine vormilitärische Ausbildung erhalten sowie das nahegelegene Dorf, der Gerichtsprozess nach dem Mord sowie verschiedene Orte in der Stadt, in der der Lehrer lebt und unterrichtet.

Veröffentlicht am 1. September 2015. Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023.

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