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Jugend ohne Gott

Der Antikriegsroman »Jugend ohne Gott« von Ödön von Horváth erschien 1937 in einem Amsterdamer Exilverlag. Die Hauptfigur ist ein junger Geschichtslehrer, der als namenloser Ich-Erzähler seinen Alltag im Dritten Reich schildert.

Werkdaten

Titel
Jugend ohne Gott
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1937
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Inhaltsangabe

Der Antikriegsroman »Jugend ohne Gott« von Ödön von Horváth erschien 1937 in einem Amsterdamer Exilverlag. Die Hauptfigur ist ein junger Geschichtslehrer, der als namenloser Ich-Erzähler seinen Alltag im Dritten Reich schildert. Obwohl er gegen die Nationalsozialisten ist, verhält er sich aus Angst systemkonform. Erst als in seiner Klasse ein Mord geschieht, zwingt ihn sein Gewissen zur Stellungnahme.


An seinem 34. Geburtstag korrigiert ein Geschichtslehrer Schüleraufsätze. Schaudernd liest er die rassistischen Ausführungen seiner Schüler zum Thema Kolonien, lässt jedoch selbst die übelsten Textstellen unkommentiert. Da er seine Eltern finanziell unterstützt, will er seinen Beamtenstatus nicht gefährden. Bei der Rückgabe der Arbeiten erlaubt er sich die Bemerkung, dass auch »Neger« Menschen seien. Die Schüler verlangen daraufhin einen anderen Lehrer. Der Direktor ist auf der Seite des Lehrers und weist die Jungen in ihre Schranken.

Die Schüler hassen nun ihren Lehrer. Auch er beginnt, Gegner in ihnen zu sehen. Innerlich verzweifelt über ihre Verrohung, wagt er nicht, ihnen offen die Stirn zu bieten. Stattdessen flüchtet er sich in Kneipenbesuche mit einem suspendierten Altphilologen, genannt Julius Caesar, und Liebesabenteuer mit einer Fremden.

Bei der Beerdigung eines Jungen aus seiner Klasse schockiert den Lehrer die Kälte und Gefühllosigkeit der Schüler N und T. In den Osterferien fährt die Klasse aufs Land in ein paramilitärisch organisiertes Zeltlager. Während seine Schüler begeistert exerzieren, diskutiert der Lehrer, der nicht mehr an Gott glaubt, mit dem Dorfpfarrer über Kirche und Politik. Der Geistliche schärft ihm ein, die Jungen von den Mädchen fernzuhalten, die unweit vom Lager untergebracht sind.

Als der Fotoapparat eines Schülers gestohlen wird, beginnt der Lehrer Nachtwachen zu halten. Dabei beobachtet er, wie Schüler Z von einem Fremden einen Brief entgegennimmt. Heimlich liest er den Brief sowie das Tagebuch des Jungen. Z schreibt darin, dass jeder, der das Buch anrühre, sterben müsse. Der Lehrer hält dies für kindisches Pathos. Er erfährt auch, dass Z sich mit einem Mädchen namens Eva trifft, der Anführerin einer Diebesbande, unternimmt jedoch nichts.

Z merkt, dass in seinem Tagebuch gelesen wurde und verdächtigt seinen Zeltnachbarn N. Die beiden werden daraufhin getrennt. Der Lehrer verschiebt es immer wieder, Z die Wahrheit zu sagen. Dabei kommt es ihm vor, als beobachte ihn Schüler T und kenne sein Geheimnis. Eines nachts entdeckt der Lehrer Eva und Z im Gebüsch und will die beiden zur Rede stellen. Er schafft es nicht und tastet sich unverrichteter Dinge zurück durch das Dunkel. Dabei meint er in ein Gesicht zu fassen.

Am folgenden Tag will er Z endlich gestehen, das Tagebuch gelesen zu haben. Dieser kommt ihm jedoch zuvor: N habe es inzwischen zugegeben und ihn um Verzeihung gebeten. Obwohl der Lehrer weiß, dass Z lügt, widerspricht er nicht. Unterdessen ist N verschwunden. Am letzten Tag des Zeltlagers finden Waldarbeiter seine Leiche. Im Verhör gibt Z zu, seinen Mitschüler erschlagen zu haben. Der Lehrer wird von seinem Gewissen gequält, schweigt aber weiter.

Vor Gericht vertritt der Verteidiger die These, Z habe sich zwar mit N geschlagen, die Mörderin aber sei Eva. Z wolle sie mit seinem Geständnis schützen. Im Zeugenstand offenbart der Lehrer, dass nicht N, sondern er das Tagebuch des Z gelesen habe. Der Staatsanwalt droht mit einer Anklage wegen Irreführung der Behörden.

Eva sagt aus, dass sie N nach seiner Schlägerei mit Z gefolgt sei. Sie habe gesehen, wie ein fremder Junge N erschlagen habe. Ihre Beschreibung des Unbekannten passt auf T. Der Lehrer glaubt Eva und stellt T zur Rede. Der Schüler gibt zu, den Lehrer beobachtet und sein Geheimnis gekannt zu haben. T‘s Gesicht war es auch, das der Lehrer im Dunkeln ertastet hatte. Den Mord an N leugnet T; auch er bezichtigt Eva der Tat.

Der Lehrer wird vom Dienst suspendiert und wartet auf den Prozessfortgang. Durch die Erleichterung seines Gewissens hat er zum Glauben zurückgefunden. Schüler B, ein Gleichgesinnter, der in einem geheimen Debattierklub verbotene Literatur liest, besucht ihn. Mit Hilfe der Klubmitglieder und Julius Caesars gelingt es dem Lehrer, T in die Enge zu treiben. Der innerlich verwahrloste Junge, Sohn eines reichen Fabrikbesitzers und einer UFA-Schauspielerin, wollte einem Menschen beim Sterben zusehen. N war dabei ein Zufallsopfer. T gesteht in einem Abschiedsbrief den Mord und erhängt sich.

Z wird freigesprochen; er hatte Eva für die Mörderin gehalten und sie durch seine Aussage schützen wollen. Auch die Lüge, N habe das Lesen seines Tagebuches zugegeben, gehörte zu seiner Strategie. Die Anklage gegen den Lehrer wird fallengelassen. Der Dorfpfarrer macht ihm das Angebot, auf eine Missionsstation in Afrika zu gehen. Der Lehrer trifft Vorbereitungen für seine Abreise.


Horváths Werk »Jugend ohne Gott« wurde nach seinem Erscheinen in mehrere Sprachen übersetzt. 1938 setzten die Nationalsozialisten den Roman auf ihre »Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums«. Heute gilt er als moderner Klassiker. Die zentrale Fragestellung des Werkes lautet: Kann man angesichts der Härte und unerträglichen Grausamkeit der Welt an einen gerechten Gott glauben? Zahlreiche innere Monologe des Lehrers, in denen er Antworten auf diese Frage sucht, durchziehen den Roman. Im Ersten Weltkrieg hat er den Glauben verloren. Durch eigene Aufrichtigkeit und konsequentes Verhalten findet er zu einem Gottesbegriff, der nicht streng religiös, sondern humanistisch geprägt ist: Die Wahrheit und das eigene Gewissen sind für ihn identisch mit Gott.

Viele seiner Schüler, deren prägende Entwicklungsjahre ausschließlich in die Zeit der Diktatur fielen, haben jedoch keinen Zugang zu christlich-humanistischen Werten. Ihre innere Kälte und Gleichgültigkeit zeigt Gemeinsamkeiten mit den Haltungen heutiger Rechtsextremer. Angesichts zunehmender Fremdenfeindlichkeit und rassistischer Angriffe auf Flüchtlingsheime besitzt der Roman bedrückende Bezüge zur Gegenwart, die ihn aktuell besonders lesenswert machen.

Veröffentlicht am 1. September 2015. Zuletzt aktualisiert am 27. September 2022.

Autor des Werkes

Österreichisch-ungarischer Schriftsteller
Ödön Josip von Horváth entstammte dem ungarischen Kleinadel und wurde am 9. Dezember 1901 in Fiume, dem heutigen Rijeka (damals ungarisch, heute kroatisch), geboren.

Kurze Zusammenfassung

Als sich ein Lehrer in einem faschistischen Staat nicht systemkonform verhält, kommt es mit seiner Klasse, den Schülereltern und dem Vorgesetzten zum Konflikt. Während eines Zeltlageraufenthalts des Lehrers mit seiner Klasse gerät einer seiner Schüler durch das Fehlverhalten des Lehrers in Verdacht des Einbruchs und der Sachbeschädigung. Kurz danach wird dieser Schüler ermordet aufgefunden. Ein Mitschüler gerät unter Mordverdacht. Über den Prozess findet der Lehrer zu seinem Gottesglauben zurück und gesteht seine eigene Schuld. Der Lehrer versucht den wirklichen Mörder, einen Schüler seiner Klasse, zu überführen. In die Enge getrieben, begeht dieser Selbstmord. Der Lehrer verlässt daraufhin Deutschland und geht an eine Missionsschule in Afrika.

Lektürehilfe

Königs Erläuterungen zu »Jugend ohne Gott«

Verlässliche Interpretationshilfe
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