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Der Sandmann

Figuren

Figurenkonstellation

Der Sandmann – Figurenkonstellation
  • Nathanael

    Nathanael ist die Hauptfigur der Erzählung und von Geburt an eine sensible, emotionale Künstlernatur. Er verkörpert somit die Epoche der Romantik. Er ist außerdem fantasievoll, intelligent und selbstverliebt. Durch sein Kindheitstrauma verfolgt ihn lebenslang die Angst vor dem Sandmann und dem Verlust seiner Augen.

    Nathanael wächst mit seinen Geschwistern bei den Eltern auf. Sein Vater ist sehr mit der Arbeit beschäftigt und hat daher nicht viel Zeit für seine Familie. Er liest den Kindern aber oft nach dem Abendessen vor, woran alle großen Spaß haben. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass die Eltern sehr nervös wirken und die Kinder mit den Worten »Der Sandmann kommt« früh ins Bett schicken, woraufhin Nathanael jedes Mal seltsame Geräusche vernimmt. Die Kinderfrau erzählt ihm von der Schauergestalt des Sandmanns, der schlafunwilligen Kindern die Augen raubt, um sie an Raubvögel zu verfüttern. Er ist daraufhin überzeugt, dass der Sandmann seinen Vater des Nachts besucht und böse Absichten hat. Das macht ihm Angst und beflügelt seine sowieso schon ausgeprägte Fantasie noch weiter. Als er seinen Vater eines Nachts beobachtet, stellt er fest, dass es sich bei dem nächtlichen Besucher um den Advokat Coppelius handelt, den er fortan für den Sandmann hält. Er bildet sich ein, Coppelius habe versucht, ihm die Augen zu stehlen, was in ihm ein lebenslanges Trauma auslöst. Als sein Vater bei einem weiteren Besuch Coppelius, bei dem sie seltsame Experimente durchführen, stirbt, gibt Nathanael Coppelius die Schuld dafür.

    Als Nathanael als Erwachsener in einer anderen Stadt studiert, begegnet ihm dort der italienische Wetterglashändler Coppola, in dem er Coppelius wiederzuerkennen glaubt. Dies erinnert ihn an sein Kindheitstrauma und jagt ihm große Angst ein. Ob es sich allerdings wirklich um Coppelius handelt, kann der Leser nicht mit Sicherheit sagen, denn »Nathanael ist kein zuverlässiger Zeuge und Berichterstatter der Geschehnisse. Immer wieder überlagern Wahnvorstellungen und Illusionen seine Wahrnehmungen und Erinnerungen. Zwischen Wirklichkeit und [F]antasie kann er nicht unterscheiden« (Bekes 23 f.). Diese Eigenschaft wird noch verstärkt, nachdem er ein Perspektiv von Coppola kauft und Olimpia dadurch ansieht. Hierdurch wird seine Wahrnehmung komplett verzerrt und er verliert die Fähigkeit, rational zu denken. Dadurch erwacht Olimpia in seinen Augen zum Leben und er projiziert seine Ideale, Hoffnungen und Gefühle auf sie und glaubt, sich in sie zu verlieben, verliebt sich aber in Wirklichkeit in sich selbst. »Sie entspricht seinem Wunschbild der perfekten Zuhörerin. Olimpia verkörpert somit eine ins Künstliche verschobene Clara, deren Vorteil es ist, Nathanaels elementar narzisstisches Verlangen zu befriedigen« (Leingang 30). Als er herausfindet, dass sie nur eine mechanisch betriebene Holzpuppe ist, verliert er den Verstand, was ihn schließlich in den Selbstmord treibt.

  • Clara

    Clara ist die Ziehschwester und Verlobte Nathanaels. Sie ist fantasievoll, unbekümmert, kindlich, von zartem Gemüt, sehr intelligent und analytisch, logisch, schweigsam und interessiert sich sehr für Psychologie. Sie verkörpert aufklärerisches Denken und steht somit in Kontrast zu dem romantischen Nathanael. Bereits ihr Name weist auf ihre Denkweise hin. »Ihr Selbstbewusstsein ist Resultat ihrer Überzeugung, dass der Mensch kraft seiner Vernunft Klarheit und Eindeutigkeit in sein Leben bringen kann« (Schwake 109). So versucht sie, Nathanael zu beruhigen, indem sie logische Erklärungen für seine Erlebnisse, Ängste und Gefühle aufzeigt. Sie glaubt nicht an das Übernatürliche und ist deshalb unbeschwert. Sie findet großen Gefallen an Nathanaels fröhlichen Gedichten, mystische, düstere Dichtungen langweilen sie jedoch zutiefst, da sie damit nichts anfangen kann.

    Auf Nathanaels Gedicht über Coppelius, der ihr Liebesglück zerstört, reagiert sie schockiert und ablehnend: »Nathanael – mein herzgeliebter Nathanael! – wirf das tolle – unsinnige – wahnsinnige Märchen ins Feuer« (Hoffmann 28). Sie hat zwar Mitleid mit Nathanael, da sie merkt, dass er leidet, aber es mangelt ihr an dem Einfühlungsvermögen und Feingefühl, das nötig ist, um einen so sensiblen Menschen wie ihn zu verstehen und zu trösten. Deshalb ist er von ihren Erklärungen und Beruhigungsversuchen oftmals beleidigt. So glaubt sie auch, dass, nachdem sie Nathanael seine Kindheitserlebnisse rational erklärt hat, dieser nun keine Angst mehr haben sollte und sagt ihm »Sei heiter – heiter!« (Hoffmann 18). Es wird deutlich, dass sie sein Trauma nicht ernst nimmt, da sie trotz ihres logischen Denkens zu naiv ist. »Sie hält sein Problem für selbstverschuldet, weil Nathanael sich ihrer Ansicht nach in eine Sache verrennt, statt sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und die Wirkungsmechanismen zu verstehen« (Schwake 112).

    Letztendlich scheint es unmöglich, alle Aspekte der Geschichte allein mit Logik zu erklären, wie Clara es versucht hat, »denn ihr Denken kann beispielsweise keine Erklärung dafür anbieten, warum in der Selbstmordszene am Ende tatsächlich Coppelius auftaucht, der eine zutreffende Vorhersage macht und dessen Anwesenheit offensichtlich und sofort negative Konsequenzen mit sich bringt« (Schwake 113).

  • Coppelius

    Coppelius ist ein Rechtsanwalt, der mit Nathanaels Vater alchemistische Experimente durchführt und regelmäßig ins Haus kommt, um mit der Familie zu Mittag zu essen. Nathanael beschreibt ihn als hässliche, unheimliche Gestalt. Coppelius sei groß, breitschultrig, habe einen dicken Kopf, ein erdgelbes Gesicht, grünliche Katzenaugen, ein schiefes Maul, ein hämisches Lachen, und sei immer in Grau gekleidet. Diese Beschreibung erinnert stark an den Teufel.

    Coppelius ist zudem sadistisch und hasst Kinder. Deshalb verdirbt er ihnen auch die kleinste Freude, indem er mit seinen dicken, haarigen Fingern ihre Süßigkeiten berührt, die dadurch für sie ungenießbar werden, da er weiß, dass sie sich vor seinen Händen ekeln.

    Er scheint Nathanaels Vater in irgendeiner Weise von sich abhängig gemacht zu haben. Dies würde erklären, weswegen Coppelius ihn zwingen kann, die Experimente durchzuführen, obwohl der Vater sie scheinbar nicht freiwillig durchführt. Auch wäre dies eine Erklärung dafür, weshalb Coppelius so oft zum Essen kommt, obwohl die ganze Familie ihn verabscheut.

    Er greift den kleinen Nathanael an, als dieser ihn und den Vater bei einem nächtlichen Experiment beobachtet. Ob er ihm allerdings wirklich, wie Nathanael behauptet, die Augen rauben wollte und ihm stattdessen aber Hände und Füße abgeschraubt und an verschiedenen Stellen wieder angeschraubt hat, ist fragwürdig, da es sich hierbei höchstwahrscheinlich um eine Wahnvorstellung des Kindes handelt. Es ist also unmöglich, zu sagen, was wirklich passiert ist.

    Als Nathanaels Vater bei einem der Experimente umkommt, flieht Coppelius aus der Stadt und taucht erst kurz vor Nathanaels Selbstmord wieder auf. Dabei sagt er voraus, dass Nathanael springen wird, nur, um dann wieder zu verschwinden.

    Coppelius ist für Nathanael mit Coppola und dem Sandmann identisch, aber ob dem wirklich so ist, bleibt bis zum Schluss offen.

  • Coppola

    Coppola ist ein italienischer Wetterglashändler, der Nathanael seine Waren anbietet. Er ist laut Nathanael in Wahrheit Coppelius und somit der Sandmann. Sein Auftauchen löst in Nathanael die alte Angst vor Coppelius/dem Sandmann aus und stößt die verhängnisvolle Kette von Ereignissen an, die Nathanael ins Unglück stürzt.

    Als Coppola ihm »sköne Oke« verkaufen will, ruft er erneut die Erinnerung an Nathanaels Kindheitstrauma hervor, da dieser glaubt, es handle sich dabei um menschliche Augen. Coppola verkauft Nathanael ein Perspektiv, durch das ihm Olimpias Augen lebendig erscheinen. Anschließend macht er sich mit einem hämischen Lachen davon, das von seinen schlechten Absichten zeugt. Coppola selbst hat Olimpias Augen hergestellt. Er stiehlt die Puppe von Spalanzani und lacht dabei erneut hämisch wie Coppelius. Anschließend verschwindet er aus der Stadt.

  • Professor Spalanzani

    Spalanzani ist Nathanaels italienischer Physikprofessor und der »Vater« von Olimpia. Er wollte den perfekten künstlichen Menschen erschaffen und findet Gefallen daran, dass Nathanael seine Erfindung umwirbt und sie für echt hält, da er es als Kompliment für seine Arbeit ansieht und als Beweis, dass sein Automat nicht von einem echten Menschen zu unterscheiden ist.

    Deshalb klärt er Nathanael nicht auf und lässt den Dingen ihren Lauf, aus Ehrgeiz und Hochmut. Er muss jedoch nach dem der Enthüllung folgenden Skandal die Universität verlassen und wird von der Gesellschaft für seine Täuschung geächtet.

  • Olimpia

    Olimpia ist eine Automatenpuppe, die der Gesellschaft als Spalanzanis Tochter vorgestellt wird. Sie ist Spalanzanis Lebenswerk, an dem er zwanzig Jahre lang gearbeitet hat, um Räderwerk, Sprache und Gang zu perfektionieren. Coppola hat ihre Augen hergestellt.

    Sie erwacht nur in Nathanaels Fantasie zum Leben, der seine Gefühle auf sie projiziert und dadurch in ihr seine große Liebe gefunden zu haben glaubt. Sie wird schließlich von Coppola gestohlen.

  • Siegmund

    Siegmund ist ein Studienfreund Nathanaels und die Stimme der Vernunft in dessen Leben, die jedoch ignoriert wird. Er spürt, dass mit Olimpia etwas nicht stimmen kann, da sie nicht menschlich wirkt, und versucht, Nathanael zur Vernunft zu bringen. Dieser ist jedoch bereits zu weit von der Realität entfernt.

  • Lothar

    Lothar ist der Ziehbruder und Vertraute Nathanaels und Claras leiblicher Bruder. Er gibt ihr Unterricht in Logik und Psychologie. Er liebt seine Schwester sehr und verteidigt sie nach ihrem Streit mit Nathanael. Diese Diskussion eskaliert jedoch und führt zum Duell zwischen den beiden. Das Duell wird jedoch von Clara im letzten Moment verhindert.

    Lothar rettet Clara vor Nathanael, als dieser im Wahn versucht, sie vom Ratsturm zu werfen.

  • Nathanaels Mutter

    Nathanaels Mutter ist eine sehr fürsorgliche und liebevolle Frau. Sie ist nicht mit den nächtlichen alchemistischen Experimenten des Vaters einverstanden und hasst den widerwärtigen Coppelius.

    Sie nimmt Nathanaels Sorge wegen der seltsamen nächtlichen Geräusche nicht ernst und sagt ihm nur »der Sandmann kommt« (Hoffmann 6), weshalb er sich schreckliche Dinge ausmalt. Später sagt sie ihm zwar, es gäbe gar keinen Sandmann, aber da ist seine Angst vor der schrecklichen Version des Sandmanns, von der die Kinderfrau ihm erzählt hat, schon so tief verwurzelt, dass er seiner Mutter nicht glaubt. Er fühlt sich mit seinen Ängsten alleingelassen.

  • Nathanaels Vater

    Nathanaels Vater ist immer sehr beschäftigt und verbringt nur bei den Mahlzeiten Zeit mit der Familie. Er erzählt den Kindern aber nach dem Abendessen oft Geschichten und fördert so ihre Fantasie und ihr Interesse an Literatur.

    Er ist geheimnisvoll und verschwiegen in Bezug auf seinen nächtlichen Besucher, was dazu führt, dass Nathanael immer neugieriger wird und anfängt, die Erklärung dafür im Übernatürlichen zu suchen.

    Er scheint selbst Angst vor Coppelius zu haben, denn er verhält sich unterwürfig und scheint in irgendeiner Weise von ihm abhängig zu sein. Deshalb führt er mit Coppelius alchemistische Experimente durch, bei denen er schließlich stirbt.

Veröffentlicht am 12. Oktober 2022. Zuletzt aktualisiert am 15. Februar 2023.