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Das Tagebuch der Anne Frank

Das Jahr 1943

Zusammenfassung

Anne fühlt sich von den Anderen schlecht behandelt und leidet unter den Maßregelungen und Zurechtweisungen mehr, als sie zeigt:
»Jeder findet mich übertrieben, wenn ich etwas sage, lächerlich, wenn ich schweige, frech, wenn ich eine Antwort gebe, gerissen, wenn ich eine gute Idee habe, faul, wenn ich müde bin, egoistisch, wenn ich einen Bissen zu viel esse, dumm, feige, berechnend usw. usw. [...] Und obwohl ich darüber lache und tue, als wäre es mir egal, macht es mir sehr wohl etwas aus [...].« (30.01.43, S. 89)

Margot und Peter findet Anne langweilig und still und stört sich daran, dass sie ständig an das gute Vorbild der beiden Älteren erinnert wird. Die konfliktreiche Beziehung Annes zu ihrer Mutter tritt in den Einträgen aus dem Jahr 1943 deutlich zutage, wiederholt verweist Anne auf deren Härte und das Fehlen von Zuneigung zu ihrer Mutter. Als Annes Mutter an einem Abend anstelle des Vaters mit Anne beten möchte, wird sie von Anne zurückgewiesen und zeigt sich verletzt: »‚Liebe lässt sich nicht erzwingen.‘ Ein paar Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie zur Tür hinausging.« (02.04.43, 101 f.).

Zwischen Dussel und Anne entsteht ein Konflikt über die tägliche Arbeitszeit am Tisch, wobei Anne mit Hilfe ihres Vaters schließlich ein Zeitfenster zum Arbeiten erhält. Auch mit Dussel und Frau van Daan, die Anne für falsch erzogen halten, gibt es Streit.
Im Juni feiert Anne ihren 14. Geburtstag und erhält neben Süßigkeiten und Büchern auch ein vom Vater selbst verfasstes Gedicht über sie selbst, das sie in ihrem Tagebuch wiedergibt (13.06.42, S. 110 f.). Im Sommer, als die Untergetauchten sich bereits ein Jahr im Versteck befinden, beschreibt Anne ausführlich und humoristisch einen typischen Tagesablauf im Hinterhaus und hält fest, was alle Versteckten sich wünschen, wenn der Krieg vorbei ist und sie wieder frei sind. Sie selbst sehnt sich nach freier Bewegung und ihrem Zuhause. Anne hat begonnen, eine Geschichte zu schreiben, was ihr viel Freude bereitet; ihre »Federkinder«, wie sie die beschriebenen Seiten nennt, stapeln sich bereits (07.08.43, S. 127).

Der Abtritt Mussolinis, das Verbot der faschistischen Partei in Italien und die bedingungslose Kapitulation Italiens sorgen bei den Untergetauchten für Hoffnung auf ein näher rückendes Ende des Krieges, jedoch verbreiten sich im Herbst schlechte Stimmung und die Angst vor einem weiteren langen Winter im Versteck. Das Geld der van Daans geht zur Neige, nur der Verkauf von Habseligkeiten kann Abhilfe schaffen. Zwischen den Erwachsenen gibt es Spannungen, beispielsweise wird den van Daans vorgeworfen, Lebensmittel zu unterschlagen. Anne hat keinen Appetit und ist niedergeschlagen: »Draußen hört man keinen Vogel singen, eine tödliche und bedrückende Stille liegt über allem. Diese Schwere hängt sich an mir fest, als würde sie mich in die Tiefe ziehen. Vater, Mutter und Margot lassen mich dann oft gleichgültig« (S. 140), schreibt sie am 29. Oktober 1943 in ihr Tagebuch.

Im November beruhigen sich die Streitigkeiten zwischen den Erwachsenen und Anne hält fest, dass alle im Hinterhaus, wie auch sie, von Stimmungen abhängig sind. Ende November hat Anne einen Traum von ihrer früheren Freundin Hanneli, in dem diese in Lumpen gekleidet und abgemagert ist und Anne traurig und vorwurfsvoll ansieht. Sie betet für Hanneli und bereut frühere Fehler im Umgang mit der Freundin. Anne leidet darunter, dass sie selbst in Sicherheit ist, während andere deportiert werden und sterben. Wenn sie sich nach Freiheit und Vergnügungen sehnt, verspürt sie dabei zugleich ein schlechtes Gewissen und straft sich als undankbar und selbstsüchtig.
Zu Nikolaus verfassen Anne und ihr Vater ein Gedicht und bereiten Geschenke in den Schuhen vor, was für Heiterkeit im Hinterhaus sorgt.

Während des Jahres berichtet Anne immer wieder von Ereignissen aus der Außenwelt, von Hunger, Angst, Krieg und Deportationen; bei nächtlichen Bombenangriffen sucht sie Zuflucht bei ihrem Vater. Einmal sorgen Geräusche im abendlichen Firmengebäude für Schrecken, ein anderes Mal sind Einbrecher im Haus und ein weiteres Ereignis besorgt Anne: Das Firmengebäude, in dem das Versteck liegt, wird im Februar 1943 überraschend verkauft und der neue Besitzer kommt zur Besichtigung, woraufhin Herr Kleimann vorgibt, den Schlüssel zum Hinterhaus vergessen zu haben. Keines der Ereignisse führt jedoch zur Entdeckung des Verstecks. Immer wieder berichtet Anne auch von Besuchen der Helfer/-innen im Hinterhaus und davon, wie es ihnen geht.

Analyse

Als pubertierende Teenagerin hat es Anne im Versteck auf engem Raum mit ihren Eltern und anderen Erwachsenen, die sie maßregeln, nicht leicht – zumal es keine Möglichkeit gibt, der Situation zu entfliehen. Anne ist wütend, fühlt sich unverstanden und liegt regelmäßig mit ihrer Mutter, Dussel und Frau van Daan im Streit. In ihrem Tagebuch kann sie schwierige Situationen jedoch oftmals durch Humor entschärfen und so eine Distanz zum nervenaufreibenden Geschehen einnehmen. Das Abweisen der Mutter, als diese anstelle des Vaters mit Anne beten möchte, offenbart die tiefe Kluft zwischen Anne und ihrer Mutter. In ihren Tagebucheinträgen werden die mangelnde Zuneigung und die Wut auf die Mutter deutlich, die in Annes Augen die Mutterrolle nicht erfüllen kann.

Anne ist in ihren Tagebucheinträgen aus dem Jahr 1943 wiederholt niedergeschlagen und sehnt sich nach Freiheit und Ausgelassenheit, sie kehrt nach Phasen der Traurigkeit jedoch stets wieder zu ihrem gewohnt lockeren Erzählton zurück. Der eindrückliche Traum der abgemagerten und um Hilfe flehenden Hanneli zeigt, dass Anne intensiv an all jene denkt, über deren Fortleben sie nichts weiß. Im Hinterhaus hat sie keinerlei Kontakt zu ihren Freundinnen und kann über deren Schicksale nur mutmaßen. Wie Anne selbst feststellt, bildet Hanneli, die ihr im Traum erscheint, ein »Symbol des Elends [ihrer] Freunde und aller Juden« (06.01.44, S. 162). Im Sommer 1943 beginnt sie neben dem Tagebuchschreiben in einem Entwicklungsschritt auch mit dem Verfassen eigener fiktiver Geschichten. Im Tagebuch äußert sie sich jedoch nur sehr spärlich über das, was sie schreibt.

Veröffentlicht am 10. Oktober 2022. Zuletzt aktualisiert am 10. Oktober 2022.