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Warten auf Godot

Rezeption und Kritik

Becketts Stück war überraschend erfolgreich. Wirkliche Verrisse gab es nicht, allerdings kam bald das geflügelte Wort, in Becketts Text passiere nichts, zweimal. (Bahadur 2023). Es ist möglich, dass sich die Kritik dem Stück gegenüber hilflos sah. Weil das Stück einerseits formal so streng ist, andererseits aber jede Deutung zurückweist, ist kaum etwas an »Warten auf Godot« auszusetzen. Dass die Protagonisten letzten Endes zwei Clowns sind, verstärkt die Problematik. Ein formal strenges Stück, das sich des Personals eines Zirkus bedient, entzieht sich der Kritik.

Allerdings kann auch nicht gesagt werden, dass das Stück im klassischen Sinne einflussreich war. Becketts eigene Produktion wurde zunehmend sprachfixierter. Zudem nahmen die formalen Experimente bei dem irischen Autor dramatisch zu. »Warten auf Godot« ist nicht nur das erste Stück, das Beckett zur Aufführung brachte, es ist auch das letzte, das noch in der Tradition des klassischen Theaters steht. 

Sein folgendes Stück »Endspiel« (1956) ist bereits viel weiter entfernt vom Erwartungshorizont klassisch-bürgerlichen Theaters. Das Stück »Glückliche Tage« (1960) schließlich kann als Becketts letztes gegenständliches Stück beschrieben werden. Von da an wurden seine Stücke zusehends abstrakt und experimentell. 

Becketts »Warten auf Godot« hat auf andere Autor:innen vor allem in sprachlicher Hinsicht Einfluss gehabt. Die Klarheit der Sprache, sowie das Spiel mit ihr, finden sich später auch bei deutschsprachigen Autoren wieder. Stücke der Österreicher Elfriede Jelinek und Peter Handke sind Beispiele für Beckettschen Einfluss. 

Auch der Philosoph Günter Anders hielt viel von Beckett, ebenso sein Kollege Theodor W. Adorno. Beide Philosophen sahen in Becketts Stücken eine Chiffre für den Menschen in der verwalteten Welt. Beckett wurde in ihren Interpretationen in die Nähe Kafkas gerückt. Interessant ist, dass sich Becketts Kenntnisse über Kafka auf den unvollendeten Roman »Das Schloß« beschränken.

Tatsächlich besteht auch eine Nachdichtung von »Warten auf Godot« von Miodrag Bulatovic  (vgl. Kaiser 1971). Hier werden Estragon und Wladimir zu selbstbewussten Figuren, die ihren Symbolcharakter offen ansprechen. Davon abgesehen aber sind die Figuren kaum geeignet, in ein anderes Setting verlegt zu werden. Sicherlich hängt das damit zusammen, dass die Figuren so offen clownesk sind. Als traditionsreiche Kunstfigur ist der Clown so dominant, dass es sich bei den Figuren Estragon und Wladimir viel eher um Sonderfälle handelt, als dass der Clown eine bloße Abstraktion der beiden Figuren wäre. Dadurch verschließen sich Estragon und Wladimir jeglicher Adaption. Die Figuren sind so sehr an das Setting und ihre Rolle als Clowns gekettet, dass sie außerhalb dieses Kosmos überhaupt nicht funktionieren können.

Im Übrigen erklärt dies auch die auffallende Stille negativer Kritik. In sich ist das Stück so stimmig, dass es schwerlich mit einem Ideal verglichen werden kann. Sein Vorzug liegt darin, dass es letztlich doch konventionelles Theater ist. Gleichzeitig wird dieser Charakter durch den ungemeinen Wortwitz wieder unterwandert: der Wortwitz offenbart den satirischen Anspruch. Damit ist »Warten auf Godot« ein echt postmodernes Theaterstück. Das erklärt den ungebrochenen Erfolg dieses Stücks.

Veröffentlicht am 25. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 25. Juli 2023.