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Die Physiker

1. Akt

Zusammenfassung

In dem privaten Sanatorium Les Cerisiers befinden sich die drei Hauptcharaktere, von denen jeder eine geistige Störung vorgibt. Johann Wilhelm Möbius hat während seiner Forschungen die sogenannte Weltformel entdeckt und fürchtet nun die Folgen dieser Entdeckung. Deshalb behauptet er immer wieder, dass er Gespräche mit König Salomo führe, der sich nur ihm zeige. Zweiter Patient ist Herbert Georg Beutler, der sich für Isaac Newton hält. Ein Wissenschaftler namens Ernst Heinrich Ernesti ist der dritte Patient. Dieser gibt vor, der berühmte Physiker Albert Einstein zu sein. Ernesti und Beutler sind in Wahrheit Spione verschiedener Länder, deren Ziel die Geheimnisse und Ergebnisse von Möbius` Forschung sind.

Zu Beginn des Aktes nimmt Inspektor Voß die Ermittlungen in einem Mordfall auf, da in der Anstalt eine Krankenschwester ermordet wurde, die für die Betreuung von Einstein zuständig war. Voß ist besonders misstrauisch, weil einige Wochen zuvor bereits die Krankenschwester von Newton auf ganz ähnliche Weise den Tod fand. Beiden Fällen gleich ist, dass die ermordeten Krankenschwestern ihre Täter geliebt haben und ihnen dabei helfen wollten, die Klink zu verlassen. Jedoch wurden weder Newton noch Einstein aufgrund ihrer angeblichen geistigen Zustände zur Rechenschaft für Ihre Taten gezogen. Später kommt Lina Rose, die Exfrau Möbius‘, mit den gemeinsamen Kindern zu Besuch, um sich endgültig zu verabschieden; durch einen Tobsuchtsanfall will er ihnen den Abschied erleichtern. Wenig später gestehen sich Möbius und seine Pflegerin Monika gegenseitig ihre Liebe. Monikas Heiratspläne jedoch lassen Möbius panisch werden; er erdrosselt Monika. Möbius schiebt bei den Ermittlungen seinen eingebildeten König Salomo vor, der ihm den Mord befohlen habe.

Analyse

Auffällig ist zunächst die Beschreibung einer harmonischen, idyllischen Umgebung: So ist die psychiatrische Klinik in der Nähe eines Seeufers und einer Universität gelegen, zu sehen sind »blaue Gebirgszüge, human bewaldete Hügel und ein beträchtlicher See«. Und auch wenn Friedrich Dürrenmatt anmerkt, dass diese Beschreibung lediglich der »Genauigkeit« diene und darüber hinaus »keine Rolle« spiele, so manifestiert sich dieses Bild dennoch im Kopf des Lesers und evoziert einen deutlichen Kontrast zum eigentlichen Schauplatz, dem Inneren des Sanatoriums. Auf diese Weise wirkt das Geschehen innerhalb der Klinik trist, einsam und nervös.

Als Inspektor Voß die Szenerie betritt, fällt vor allem seine Hektik auf, aber auch das Bestreben, für Gerechtigkeit und Ordnung zu sorgen, was sich im zweiten Akt umkehren wird. Zu Beginn verlangt Voß nach Zigaretten und Alkohol, was als Zeichen für Härte und Strenge gelesen werden kann. Als Newton ihm verkündet, dass nur die Patienten der Einrichtung rauchen dürfen, führt dies die fragwürdigen Regeln der Einrichtung vor Augen.
Dass sie sich selbst nicht an geltende Regeln hält, nicht einmal an die eigenen, offenbart die Leiterin Mathilde kurz darauf, als sie dem Inspektor das Rauchen gestattet. Sie präsentiert sich darüber hinaus als allwissend und allmächtig (»Für wen sich meine Patienten halten, bestimme ich. Ich kenne sie weitaus besser, als sie sich selber kennen«), zudem wird zum Ausdruck gebracht, dass sie in ihren Patienten keine Menschen mit Gefühlen, Ängsten und Problemen sieht, sondern vielmehr Versuchsobjekte, was dadurch betont wird, dass sie die Patienten ihres Sanatoriums nach Berufen verteilt.

Im Verlauf des ersten Akts bricht Möbius alle möglichen Kontakte zur Außenwelt ab: Zunächst erfolgt der endgültige Abschied von seiner Familie, der er diesen Abschied dadurch erleichtern will, dass er sich wie ein wütender, wahnsinniger Mann benimmt, der seine eigene Familie nicht erkennt. Darauffolgend tötet er die Krankenschwester Monika, die ihm zuvor einen Heiratsantrag macht und Alternativen außerhalb der Klinik aufzeigt. Um die Menschheit vor seinen Forschungen beschützen zu können, muss er jedoch in der Psychiatrie bleiben. Weil Möbius denkt, dass Monika nicht von einer gemeinsamen Zukunft ablassen wird und er letzten Endes doch zustimmen könnte, sieht er keinen anderen Ausweg als die Geliebte zu töten. Ihr Tod wird knapp in mehreren aneinandergereihten Sätzen beschrieben; auch zeigt Möbius keine Trauer oder Schuldgefühle, wodurch der Akt des Tötens hier mechanisch und beinahe wie die Ausführung eines Befehls wirkt. Damit soll möglicherweise ausgedrückt werden, dass die Wissenschaft ihn zu einer Marionette gemacht hat und ihm jegliche Möglichkeit für Liebe, Mitleid und andere Gefühle entreißt.

Veröffentlicht am 12. Oktober 2022. Zuletzt aktualisiert am 12. Oktober 2022.