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Fräulein Else

Prüfungsaufgaben

  • Worin liegt die Kernproblematik des Textes?

    Elses Vater hat hohe Schulden und soll verhaftet werden, falls er die Schulden nicht begleichen kann. Deswegen soll Else den Bekannten der Familie, Dorsday, um die benötigte Summe bitten. Dieser willigt unter der Bedingung ein, Else für fünfzehn Minuten nackt sehen zu dürfen. Else muss sich also entscheiden, ob sie ihre Autonomie über ihren Körper wahrt oder ihren Vater vor dem Gefängnis rettet.

  • Inwiefern kann Elses Mutter als manipulativ charakterisiert werden?

    Es ist nicht Elses Vater, der um die Unterstützung der Tochter bittet, sondern Elses Mutter. Sie schildert ihrer Tochter in einem Brief die Problematik und will sie dazu bewegen, mit Dorsday zu sprechen, um dessen Hilfe einzuholen. Dabei verhält sich die Mutter insofern manipulativ, als dass sie Else dazu drängt, dieses Problem zu lösen. Sie setzt Else unter Druck, legt die Lösung des Konflikts in den Verantwortungsbereich der Tochter und weist ihr die Schuld für den Fall zu, dass ein Abwenden des Problems scheitern sollte (»Glaub‘ mir, du vergibst dir nicht das Geringste, mein geliebtes Kind.«).

  • Was bezweckt Else mit dem Vorhaben, sich nicht nur vor Dorsday, sondern vor allen Hotelgästen nackt zu zeigen?

    Else will der Situation damit die Exklusivität und Dorsday die Freude nehmen, außerdem meint sie, sich auf diese Weise zumindest einen Teil ihrer Autonomie erhalten zu können. Des Weiteren bedeutet dieser Akt einen Ausbruch für sie, Else macht sich dadurch frei von gesellschaftlichen Erwartungen und Zwängen – allerdings kann es danach auch kein Zurück mehr für sie geben; der Ausbruch ist endgültig.

  • Inwiefern ist »Fräulein Else« als innerer Monolog gestaltet und welche Wirkung hat das auf den Leser?

    Die Erzählung ist als innerer Monolog gestaltet, was sich daran erkennen lässt, dass die gesamte Handlung von Else geschildert und kommentiert wird; der Fokus liegt allein auf ihr. Durch diese Technik gewinnt der Text an Authentizität und Nähe zu Else, es fällt dem Leser leichter, sich in die Protagonistin hineinzuversetzen und mit ihr zu fühlen. Durch die Technik des inneren Monologs wird allerdings auch der Eindruck unzuverlässigen Erzählens transportiert.

  • Inwiefern wirkt die Erzählweise unzuverlässig?

    Die Erzählweise wirkt unzuverlässig, weil der Leser einzig auf die Äußerungen der psychisch labilen Else angewiesen ist – eine Garantie dafür, dass das Geschilderte tatsächlich der Wahrheit entspricht, liegt nicht vor. Dieser Eindruck einer unzuverlässigen Erzählweise wird zudem dadurch akzentuiert, dass Else sich nervös, hektisch und sprunghaft gibt. Ihre Sprunghaftigkeit kommt beispielsweise dadurch zum Ausdruck, dass sie immer wieder überlegt, sich das Leben zu nehmen, den Gedanken dann wieder verwirft und später erneut aufgreift.

  • Begeht Else am Ende Suizid? Begründe deine Entscheidung.

    Zwar gibt der Text keine zweifelsfreie Antwort darauf, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Else am Ende Suizid begeht. Begründen lässt sich diese Annahme damit, dass Else im Verlauf des Textes oft darüber nachdenkt, sich zu töten und auch konkrete Vorstellungen dazu entwickelt. Darüber hinaus kann sie nicht mehr in ihr altes Leben zurückkehren, nachdem sie sich vor den Hotelgästen entblößt hat (»Alle, alle sollen sie mich sehen! Dann gibt es kein Zurück, kein nach Hause zu Papa und Mama, zu den Onkeln und Tanten.«).

  • Welche Bedeutung hat die Aussage »Adresse bleibt Fiala« für die Erzählung?

    Elses Mutter teilt der Tochter in einem Telegramm mit, dass sich die erforderliche Summe erhöht habe, der Adressat aber derselbe bleibe: »Adresse bleibt Fiala.« Else wiederholt diese Phrase immer wieder und scheint dadurch in Hysterie und Verzweiflung zu geraten. Die Aussage steht sinnbildlich dafür, dass sich Elses Situation verschlimmert und immer weiter verschlimmern wird: So wie die Adresse Fiala, »bleibt« auch Elses Dilemma bestehen.

  • Else tendiert dazu, die anderen Figuren in ihren Gedanken zu verurteilen. Nenne dazu drei konkrete Beispiele aus dem Text.

    Else verurteilt Cissy, indem sie über diese denkt: »Warum sagt Cissy ‚Dinner‘?« Besonders deutlich wird Elses verurteilendes Verhaltensmuster in Bezug auf Dorsday, über den sie sagt: »Widerlicher Kerl. Ich hasse ihn. Alle Menschen hasse ich.« Dass sie ihren Hass unmittelbar danach auch auf alle anderen Menschen bezieht, lässt vermuten, dass sie insgeheim alle Menschen verurteilt, in ihnen den Grund für ihre gegenwärtige Situation sieht und diese negativen Gefühle auf Dorsday projiziert. Die Hassgefühle, die sie ihm allein schon aufgrund seiner Forderung entgegenbringt, werden dadurch weiter verstärkt. Neben Dorsday dient auch die eigene Mutter, die Else durch den Brief erst in ihre ausweglose Situation bringt, als Projektionsfläche für Elses Hass auf die Menschheit: »Mama ist ziemlich dumm. Von mir hat sie keine Ahnung. Andere Menschen auch nicht.«

  • Inwiefern ist das Verhältnis zwischen Else und ihrem Vater problematisch?

    Die erst neunzehnjährige Else soll ihren Vater vor dem Gefängnis bewahren, der Vater ist also abhängig von ihr. Aber auch Else scheint (emotional) abhängig von ihm zu sein, was möglicherweise aus sexuellem Missbrauch resultiert. Obwohl ihr Vater sie in diese Situation bringt, verteidigt Else ihn, macht darauf aufmerksam, dass er »seelengut« sei. Zwar kritisiert sie ihn auch für sein Verhalten, allerdings ist diese Kritik nicht so stark ausgeprägt wie die an ihrer Mutter. Zu beiden Elternteilen, insbesondere aber zum Vater, bestehen tiefgreifende Konflikte, die letzten Endes ungelöst bleiben.

  • Wie setzt der Text ein und welche Wirkung hat das auf den Leser?

    Die Erzählung setzt damit ein, dass Paul Else fragt: »Du willst nicht mehr weiterspielen, Else?« Auf diese Weise ist der Leser direkt im Geschehen, ohne dass es eine Hinführung zur Situation gibt. Der Text gewinnt dadurch an Spannung und Nähe. Darüber hinaus präfiguriert diese Frage das Schicksal der Protagonistin in zweifacher Weise: »Weiterspielen« meint einerseits das Spielen gesellschaftlicher Rollen, kann andererseits aber auch synonym für »leben« stehen. Als Else auf die Frage des Cousins mit »Nein, Paul, ich kann nicht mehr, Adieu« antwortet, ist also angedeutet, dass Else ihre gesellschaftliche Rolle nicht mehr »weiterspielen« möchte, in einem weitergehenden Schritt aber auch nicht mehr weiterleben kann.

Veröffentlicht am 30. September 2022. Zuletzt aktualisiert am 4. Oktober 2022.