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Emilia Galotti

Fünfter Aufzug

Zusammenfassung

Während Marinelli den Prinzen beruhigt, bereitet Odoardo sich rachsüchtig auf die Konfrontation mit dem Prinzen vor. Marinelli kommt zunächst allein. Dabei schildert Odoardo seine Pläne, Emilia mit sich zu nehmen. Vergeblich versucht Marinelli, ihn umzustimmen. Er holt schließlich den Prinzen. Als der Prinz erfährt, Emilia solle in ein Kloster, versucht auch er, Odoardo davon abzubringen.

Um Emilia in Guastalla zu behalten, präsentiert Marinelli nun eine neue Strategie. Emilia und ihre Mutter sollen bezüglich des Todes Appianis verhört werden. Bis dahin darf die Familie Galotti nicht miteinander sprechen. Zusätzlich sollen sie verwahrt werden. Odoardo ist außer sich, doch der Prinz lenkt ein: Er bietet an, Emilia im Hause seines Kanzlers zu verwahren. Nach dieser Diskussion wird Odoardo gebeten, zu gehen. Allerdings besteht er darauf, seine Tochter Emilia vorher nochmal zu sprechen. Auch hier lenkt der Prinz ein.

Völlig durcheinander wartet Odoardo auf Emilia. Er weiß nicht, was oder wem er glauben soll. So möchte er gerade gehen, als Emilia auftaucht. Sie erscheint ruhig. Ihr Vater berichtet vom Tod des Grafen Appiani. Außerdem erläutert er ihre bevorstehende Verwahrung im Hause der Grimaldis durch den Prinzen. Emilia ist entsetzt. Schließlich glaubt Odoardo der Unschuld seiner Tochter. Er offenbart ihr seine rachsüchtigen Absichten und deutet auf den Dolch.

Doch Emilia sieht den Dolch als ihre eigene Erlösung. Um ihre Unschuld zu wahren, möchte sie sich selbst erstechen. Odoardo versucht, sie umzustimmen, aber vielmehr kann Emilia ihn überzeugen. Letztlich ersticht Odoardo seine eigene Tochter. Sie fällt in seine Arme. Daraufhin treten der Prinz und Marinelli wieder herein. Beide sind vom Anblick Emilias schockiert. Odoardo wirft ihnen den Dolch vor die Füße. Er verlässt das Schloss, um sich selbst auszuliefern. Aufgrund seines Zorns verweist der Prinz Marinelli auf ewig aus dem Fürstentum. Der Prinz bleibt allein zurück.

Analyse

Im fünften Aufzug tritt schließlich die Katastrophe ein. Dabei wird der Konflikt durch eine Tragödie gelöst. Der Prinz fühlt sich durch das Erscheinen Odoardos bedroht. Die Bedrohung bezieht sich allerdings nicht auf das Aufdecken seiner Schuld am Tode Appianis. Vielmehr ist sein Hauptaugenmerk, wie so oft, nur auf Emilia: »aber Emilien, anstatt sie nach der Stadt zu führen, mit sich nimmt? bei sich behält? oder wohl gar in ein Kloster, außer meinem Gebiete, verschließt?« (S. 79, Z 26f.). Demgegenüber stellt sich Marinelli, der ebenfalls wie so oft versucht, die Wahrheit zu vertuschen und Strippen zu ziehen. Dafür ist er bereit, einen Bruchteil der Wahrheit zu preiszugeben: »Man hat Verdacht, daß es nicht Räuber gewesen, welche den Grafen angefallen« (S. 84, Z. 27) und »Daß ein Nebenbuhler ihn aus dem Wege [hat] räumen lassen« (S. 84, Z. 30f.). Doch ähnlich wie beim Überfall verdreht er die Tatsachen.

Als Emilia und ihr Vater aufeinandertreffen, versucht Odoardo die Wahrheit darüber herauszufinden, ob seine Tochter wirklich tugendhaft oder mit dem Prinzen verbündet ist. Sowie er von ihrer Unschuld und ihrer Tugend überzeugt ist, offenbart er seine Absicht, Rache mit einem Dolch auszuüben. Emilia sieht nur noch einen Ausweg für sich aus diesem Konflikt: die Selbsttötung. Doch es ist nicht ihr Leben, welchem sie ein Ende setzen möchte, vielmehr möchte sie ihre Unschuld retten. In der Gewalt des Prinzen zu bleiben und von diesseitigen Gelüsten zu erliegen, sind für sie schlimmer als der Tod: »Verführung ist die wahre Gewalt« (S. 90, Z. 14.). So ist das Sterben für die Rettung der Religion und des eigenen Seelenheils ihre Motivation: »Für ihre Nichts Schlimmers zu vermeiden, sprangen Tausende in die Fluten und sind Heilige!« (S. 90, Z. 23). Odoardo lässt sich von dem Plädoyer seiner Tochter mitreißen und ersticht Emilia.

Die Heldin der Geschichte stirbt: »Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert« (S. 91, Z. 15). Die Rose ist als ein Symbol des Geheimnisses oder der Verschwiegenheit zu deuten. Der Tod hat Emilia, die sinnbildlich als Rose steht, gebrochen. Ihre Schönheit und Unschuld folgen ihr in den Tod. Den Sturm könnte man zweierlei deuten. Entweder steht dieser symbolisch für den Prinzen, welcher Emilia die Schönheit und Unschuld nicht nehmen konnte oder er steht für die Verführungen, welche Emilia die Unschuld ebenso nicht entreißen konnten.

Die Interpretation liegt nahe, dass Odoardo von Anfang an Recht behalten hat. Als Emilia alleine zur Messe ging, zeigte er sich besorgt. Claudia sagte hierzu: »Die wenigen Schritte—« (S. 22, Z. 1), woraufhin Odoardo antwortet: »Einer ist genug zu einem Fehltritt!—« (S. 22, Z. 2) und »Aber sie sollte nicht allein gegangen sein.—« (S. 22, Z. 6f.). Denn die Befürchtung: »Das gerade wäre der Ort, wo ich am tödlichsten zu verwunden bin!« (S. 26, Z. 22f.) hat sich bewahrheitet. Es war der Vorfall bei der Messe, der die Katastrophe befeuert hat. Wäre sie in Begleitung dorthin gegangen, dann hätte der Prinz nicht an sie herantreten können. Auch Orsina hätte dann nicht von ihren Kundschaftern vom Treffen zwischen dem Prinzen und Emilia mitbekommen, sodass sie ihre Rache plante. Ohne sie hätte Odoardo folglich auch keinen Dolch gehabt, mit dem Emilia letztlich erstochen worden ist. Auch das bereits erwähnte Argument, dass das unausgesprochene Wort zum Verhängnis wird, kann hier nochmals aufgegriffen werden. Die Figuren sprechen die Konflikte nicht direkt an, vielmehr handeln sie eigensinnig. Hätte der Prinz Emilia lange vor ihrem Hochzeitstag seine Gefühle gestanden, so wären die Dinge eventuell anders verlaufen. Ähnlich verhält es sich mit Orsina. Auch für Emilia kann dieses Argument angezogen werden. Hätte sie Graf Appiani von dem Vorfall bei der Messe berichtet, so kann spekuliert werden, dass er den Prinzen um seiner Ehre willen konfrontiert hätte.

Veröffentlicht am 13. Februar 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Februar 2023.