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Emilia Galotti

Erster Aufzug

Zusammenfassung

Hettore Gonzaga, Prinz von Guastalla, sitzt an seinem Arbeitstisch. Während er Bittschriften der Bürger durchgeht, fällt ihm der Name »Emilia« vor die Augen. Der Name versetzt ihn in einen Liebesrausch, denn er erinnert ihn an die bürgerliche Emilia Galotti, die er vor wenigen Wochen in einer Vegghia traf. Ohne zu zögern, unterzeichnet er die Bitte dieser anderen Emilia. Als ihm dann ein Brief seiner Geliebten Gräfin Orsina überreicht wird, zeigt er hingegen kein Interesse. Er liest ihn nicht. Seine einstige Liebe zu Orsina ist erloschen.

Der Maler Conti besucht den Prinzen. Er bringt ihm zwei Gemälde mit. Auf dem einen ist die Gräfin Orsina abgebildet. Es handelt sich dabei um einen ursprünglichen Auftrag des Prinzen, doch erhält das Bild nun ähnlich wenig Aufmerksamkeit von ihm wie zuvor ihr Brief. Dann zeigt Conti dem Prinzen das zweite Bild. Es ist das Porträt einer Frau namens Emilia Galotti. Diese Frau ist dem Prinzen alles andere als unbekannt. Der Prinz ist wie hypnotisiert von ihrer Schönheit und kauft dem Maler das Bild ab.

Als Marinelli, der Kammerherr des Prinzen, erscheint, berichtet er von der bevorstehenden Vermählung des Grafen Appiani. Die künftige Braut ist Emilia Galotti. Über diese Nachricht zeigt sich der Prinz schockiert und verzweifelt. Er gesteht Marinelli seine Liebe zu Emilia Galotti. Daraufhin bietet Marinelli dem Prinzen seine Hilfe an. Sie schmieden einen Plan, die noch am selben Tag anstehende Hochzeit zu sabotieren. So soll Graf Appiani im Auftrag des Prinzen nach Massa gehen. In der Zwischenzeit versucht der Prinz, Emilia bei der Messe anzutreffen. Er beabsichtigt, ihr seine Gefühle zu gestehen.

Analyse

Im ersten Aufzug wird der Leser in die Welt des Prinzen Hettore von Guastalla eingeführt. Ein Prinz widmet sich den Bittschriften der Bürger. Außerdem wird er von diversen Personen aufgesucht, die ihm hierarchisch unterstellt sind: Dem Kammerdiener, dem Maler Conti und Marinelli. Anhand dieser Aspekte wird gleich eine essenzielle Komponente des Dramas sichtbar: Es handelt sich um eine Ständegesellschaft. Ein Charakteristikum für das bürgerliche Trauerspiel aus den 1770er Jahren ist die Thematisierung des Adels und der Bürger.

Überdies wird auch die zweite essenzielle Komponente kenntlich. Der Prinz hat sich in eine bürgerliche Frau, Emilia Galotti, verliebt. Er zieht diese bürgerliche Frau sogar seiner einstigen Geliebten, der Gräfin Orsina, vor. Demzufolge kommt es hier zu einer untypischen Liebesgeschichte. Doch empfindet Emilia wohl nicht dieselben Gefühle für den Prinzen. Dies kann daran festgemacht werden, dass sie die Braut des Grafen Appiani werden soll. Obwohl die Nachricht über ihre bevorstehende Hochzeit den Prinzen in ein Loch aus Verzweiflung fallen lässt, was an Ausrufen wie »Nimmermehr!«(S. 14, Z. 34) oder »So bin ich verloren! – So will ich nicht leben!« (S. 15, Z. 32) kenntlich wird, ist die bloße Akzeptanz der Tatsachen keine Option für ihn. Vielmehr fragt er Marinelli: »Was würden Sie tun, wenn Sie an meiner Stelle wären?« (S. 17, Z.15f.). Mit dem Ausdruck »an meiner Stelle« wird explizit auf seine Stellung als Prinz von Guastalla hingewiesen, denn sein Handlungsspielraum übersteigt nicht nur den eines durchschnittlichen Bürgers, sondern auch den eines durchschnittlichen Adligen, wie dem des adligen Kammerherrn Marinelli. Er muss folglich sein Schicksal nicht akzeptieren, weil ihm die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, den Lauf der Geschichte zu beeinflussen. Demgemäß betitelt Marinelli die Angelegenheit als Kleinigkeit und ihm wird genehmigt, »alles« (S. 17, Z. 27) Nötige zu tun, um die Hochzeit Emilias mit Graf Appiani zu sabotieren.

Der Prinz will sein Objekt der Begierde um jeden Preis, weshalb er dem Gelingen des Planes von Marinelli nicht sein volles Vertrauen schenkt: »Und wenn nun doch alles verloren wäre? [...] Warum will ich mich auch auf ihn allein verlassen?« (S. 18, Z. 14f.). Wie in einem Wahn beschließt er, Emilia bei der Messe aufzusuchen. Dass ihm alles andere unwichtig ist, wird verdeutlicht, als ein Ratsmitglied ihm ein Todesurteil überreicht. Der Prinz soll dieses unterschreiben und antwortet mit: »Recht gern.—Nur her! geschwind.« (S. 19, Z. 17). An dieser Stelle wird außerdem Kritik an der (willkürlichen) Macht der Aristokratie ausgeübt. Dies wird durch den Kommentar Camillos erkennbar: »Recht gern?—Ein Todesurteil recht gern?« (S. 19, Z. 29). Dementsprechend werden im ersten Kapitel die Weichen gestellt für Konflikte zwischen Adel und Bürger und den Beginn einer Tragödie.

Hinsichtlich der Tragödie ist anzumerken, dass Lessing sich bekannterweise an der Dramentheorie von Aristoteles orientierte. Der erste Aufzug dient klassisch als eine Exposition. Dies bedeutet, dem Leser werden bedeutende Figuren, der Ort, die Zeit und ein für den restlichen Handlungsverlauf einschneidender Moment präsentiert. Zwar sprechen nur der Prinz und Marinelli aktiv im ersten Aufzug, doch werden zumindest Emilia Galotti und ihre Familie, Graf Appiani sowie Gräfin Orsina im Gespräch erwähnt. Bezüglich des Ortes wird das Kabinett des Prinzen genannt und zeitlich beginnt die Handlung an einem Morgen. Letztlich ist als einschneidender Moment die geplante Sabotage der bevorstehenden Hochzeit Emilias festzustellen.

Veröffentlicht am 13. Februar 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Februar 2023.