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Emilia Galotti

Vierter Aufzug

Zusammenfassung

Als Claudia zu ihrer Tochter Emilia ins Zimmer auf dem Lustschloss stürmt, tritt der Prinz heraus. Marinelli überbringt ihm die Neuigkeiten über den Tod des Grafen Appianis. Dabei inszeniert Marinelli dies als ein unvorhersehbares Unglück. Der Prinz glaubt ihm. Gleichzeitig plagen den Prinzen Sorgen und Zweifel, ob Emilia und der Rest der Welt diesen Tod als einen bloßen Zufall akzeptieren werden.

Daraufhin kündigt Battista einen weiteren Gast an: Die Gräfin Orsina. Der Prinz versteckt sich im Kabinett, denn er möchte sie nicht sprechen. Marinelli soll Orsina abwimmeln. Über die unübliche Abweisung zeigt sich Orsina empört. In ihrem Brief vom frühen Morgen an den Prinzen bat sie um ein Treffen in Dosalo. Da der Prinz kurz danach nach Dosalo zu seinem Lustschloss aufbrach, sah sie das Treffen der beiden als gestattet an. Doch Marinelli teilt ihr mit, dass der Brief noch ungeöffnet sei. Die Empörung in Orsina steigt. Weil sie nicht geht, kommt der Prinz aus dem Kabinett. Er weist sie zurück, indem er sagt, er sei nicht allein.

Um Orsina zu beruhigen, entscheidet Marinelli, ihr einen Teil der Wahrheit zu beichten: Die Braut Appianis rettete sich nach einem Überfall in das Schloss des Prinzen. Im Zuge des Gesprächs erfährt Orsina, dass es sich dabei um Emilia Galotti handelt. Die Gräfin bricht in Gelächter aus. Sie deklariert den Prinzen als Mörder Appianis. Dies schlussfolgert sie, weil sie von ihren Botschaftern über das Vorkommnis zwischen Emilia und dem Prinzen in der Messe in Kenntnis gesetzt wurde.

Dann kommt Odoardo Galotti ins Schloss herein. Er sucht Emilia und seine Frau. Marinelli macht sich auf, den Prinzen zu informieren. Davor warnt er Odoardo, Orsina keinen Glauben zu schenken. Während Odoardo wartet, offenbart Orsina ihm den Tod Appianis. Auch von dem Treffen Emilias mit dem Prinzen in der Kirche berichtet sie. Allerdings sieht Orsina den Prinzen und Emilia als Verbündete. Mit diesen Neuigkeiten konfrontiert, zeigt sich Odoardo ungläubig. Gleichzeitig leitet ihn die Wut. Er sucht nach einer Waffe. Da bietet Orsina ihm ihren Dolch an, welchen Odoardo dankend entgegennimmt.

Infolgedessen erscheint Claudia. Sie erzählt ihrem Mann von den Geschehnissen. Außerdem beteuert sie ihre und Emilias Unschuld an dem Vorfall. Dann bittet sie Odoardo, in die Stadt zurückgebracht zu werden. Da er keinen Wagen hat, bittet er Gräfin Orsina, seine Frau mitzunehmen. Orsina willigt ein. Doch für Emilia sieht Odoardo anderes vor. Sie soll nicht mehr in die Stadt Guastalla zurück, sondern mit ihrem Vater gehen.

Analyse

Nachdem der Höhepunkt erreicht worden ist, folgt die fallende Handlung. Der Prinz erfährt vom Tod Appianis und spricht sich von jeglicher Schuld frei. Obwohl der Prinz, bzw. seine Liebe für Emilia, die Schuld an allem Übel trägt, so ist es doch Marinelli, der bei der Ausführung die Strippen in der Hand hält. Selbst in dieser heiklen Situation versucht Marinelli, seine Taten zu vertuschen. Dies zieht den Prinzen jedoch nicht aus der Affäre. Er war nämlich derjenige, der Marinelli erlaubt hat, »alles, was diesen Streich abwenden kann« (S. 17, Z. 27f.) zu tun.

Der Prinz akzeptiert den Tod Appianis als Unfall. Denn seine Sorge ist vielmehr, ob sein Ansehen darunter leiden wird: »ich glaub es.—Aber wer mehr? Auch die Mutter? Auch Emilia?—Auch die Welt?« (S. 59, Z. 5f.). Vor allem die Vorstellung, Emilia nicht für sich zu gewinnen, plagt ihn: »Oder ich muß von Stund’ an alle Absicht auf Emilien aufgeben« (S. 59, Z. 13f). Abermals ist seine Priorität nur Emilia. Allerdings zeigt auch Marinelli, wo seine Priorität liegt, nämlich die Nähe zum Prinzen nicht zu verlieren. Mit Erfolg überzeugt er den Prinzen, es sei seine eigene Schuld, wenn der Verdacht aufgrund des Vorfalls in der Messe auf ihn fallen würde: »und der Prinz indes den Grund meines Gebäudes untergrub?« (S. 60, Z. 21f.).

Die Handlung fällt weiter herab, als Gräfin Orsina plötzlich auftaucht. So wie der Prinz Emilia nicht rechtzeitig seine Liebe gestand, so hat er auch Orsina nicht rechtzeitig mitgeteilt, dass er sie nicht mehr liebt. Wieder hat das Unausgesprochene die Handlung beeinflusst. Dementsprechend wird Orsina vor vollendete Tatsachen gestellt, als Marinelli und schließlich der Prinz sie zurückweisen. Aber nicht einmal in diesem Moment wählt der Prinz explizite Worte: »Ich bin beschäftiget. Ich bin nicht allein.—Ein andermal, meine liebe Gräfin!« (S. 66, Z. 2f.). Orsina zeigt sich sichtlich niedergeschlagen, doch als ihr Marinelli von dem Unglück Appianis und Emilias berichtet, verschwindet ihre Trauer geschwind: »Bravo! o bravo! bravo! (In die Hände schlagend.)« (S. 67, Z. 34) und »Küssen möcht’ ich den Teufel, der ihn dazu verleitet hat!« (S. 67, Z. 36). Daraus kann interpretiert werden, dass Orsina froh ist, dass der Prinz böse Machenschaften verbirgt, denn er wird darunter leiden. Sie zeigt sich schadenfroh: »Ha! ha! ha! (Aus vollem Halse lachend.)« (S. 68, Z. 30.). Außerdem zeigt sich, dass der Vorfall bei der Messe, so wie Marinelli prophezeit hat, tatsächlich den Verdacht der Menschen auf den Prinzen ziehen wird. Orsina durchlief schließlich genau diesen Gedankengang.

Mit dem Erscheinen von Odoardo Galotti kommt es zum retardierenden Moment. Dies bedeutet, es findet ein Wendepunkt innerhalb der Handlung statt. Der tragische Ausgang könnte folglich abgewendet werden, sodass Spannung entsteht. Als Marinelli den Prinzen holen möchte, lässt er Odoardo und Orsina allein. Orsina ergreift die Chance und klärt Odoardo über alle Geschehnisse auf. Damit versucht sie, ihre eigene Rache am Prinzen zu verwirklichen: »Ich hab einen mitgebracht. (Einen Dolch hervorziehend.) Da nehmen Sie!« (S. 73., Z. 23.). Hier wird die Widersprüchlichkeit in Orsinas Handeln sichtbar. So hat sie nicht nur einen Dolch mit in das Schloss gebracht, sondern auch Gift. Denn sie kam in dem Glauben ins Schloss, dass der Prinz eine neue Geliebte habe, weil er zuvor bei der Messe von ihren Kundschaftern gesichtet worden war. Demzufolge hat sie ihre ganz eigene Intrige geplant, die sie nun durch Odoardo realisieren möchte. Folglich ermöglicht sich der retardierende Moment.

Veröffentlicht am 13. Februar 2023. Zuletzt aktualisiert am 13. Februar 2023.