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Emilia Galotti

Rezeption und Kritik

Es gibt unterschiedliche Ansichten dazu, was Lessing zu »Emilia Galotti« inspiriert haben könnte. Lessing war bei der Uraufführung im Jahre 1772 nicht anwesend. In einem Brief an seine Frau Eva König begründete er dies mit Zahnschmerzen. Zeitgenössische Leser sahen in seinem Werk eine Kritik am Hofleben und der absoluten Herrschaftsform. 

Überdies galt besonders die Figur der Gräfin Orsina als eine Anspielung auf die Gräfin Maria Antonia Pessina von Branconi. Sie war die Geliebte des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand zu Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel. Es kann spekuliert werden, ob Lessing der Uraufführung am Geburtstag der Herzogin Philippine Charlotte deshalb absichtlich fernblieb. Lessings Werk erntete viel Lob in der Öffentlichkeit. Er wurde u. a. als deutscher Shakespeare beschrieben (Fick, S. 368). Es kam zu zahlreichen Aufführungen von »Emilia Galotti« in Großstädten wie Berlin, Hamburg und Wien. 

Allerdings galt der Inhalt des Stücks auch als problematisch. Das bürgerliche Trauerspiel und dessen Tugendideale waren zu der Zeit noch nicht gänzlich als Gattung etabliert. Den Vater, der seine Tochter im Namen der Tugend opfert, betrachteten viele Zeitgenossen als kritisch (Fick, S. 367). Dies wird exemplarisch sichtbar an der Kritik des deutschen Schriftstellers Johann Jakob Engel aus dem Jahre 1774: »warum den Dolch nicht ins Herz des Räubers und seines nichtswürdigen Gehülfen, sondern in das Herz seines eigenen Kindes stossen? - Freylich ist der Mann, den er dann umbringen würde, der Prinz; aber die er jetzt umbringt, ist seine Tochter« (Briefe über Emilia Galotti, zit. n. Elke Monika Bauer, S. 636). Folglich war die Kritik zwiegespalten. Lessing rechtfertigte sich vor dieser Kritik, indem er stets auf sein antikes Vorbild von Titus Livius verwies. Emilia sei als eine bürgerliche Virginia zu verstehen. 

Auch in der Sphäre der Dichter galt »Emilia Galotti« als Inspiration, wie etwa in Schillers »Kabale und Liebe« und Goethes »Die Leiden des jungen Werther« erkenntlich wird. Im Letzteren heißt es: »Emilia Galotti lag auf dem Pulte aufgeschlagen« (Die Leiden des jungen Werther, S. 165). Doch im Verlauf des 19. Jahrhunderts war die Kritik zu Lessings Werk überwiegend negativ konnotiert. Der Tod Emilias zur Rettung ihrer Tugend galt als nicht nachvollziehbar für ein solch tragisches Ende, wie Friedrich Hebbel anmerkte (Fick, S. 355). 

Heutzutage gilt Lessing als einer der bekanntesten deutsche Dichter der Aufklärung und sein Werk »Emilia Galotti« wird nach wie vor im Theater aufgeführt. Über die Jahre wurde das Trauerspiel in verschiedenen Medien veröffentlicht, u. a. kam es zu Vertonungen, Hörspielen und Verfilmungen. Die erstmalige Verfilmung wurde im Jahre 1913 unter der Regie Friedrich Fehérs veröffentlicht. Allerdings gibt es auch moderne Verfilmungen, wie die des Regisseur Henrik Pfeifer. In seiner Version von »Emilia Galotti« spielt die Handlung nicht im italienischen Guastalla, sondern in Berlin.

Veröffentlicht am 13. Februar 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. April 2023.