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Leonce und Lena

Aufbau des Werkes

»Leonce und Lena« ist in drei Akte unterteilt. Von diesen ist der erste Akt mit vier Szenen am längsten, der zweite und dritte sind mit jeweils drei Szenen ungefähr gleich lang. Im ersten Akt lernen wir die Protagonisten des Dramas kennen: zunächst die aus dem Königreich Popo, Leonce und Valerio, dann die aus dem Königreich Pipi, Lena und ihre Gouvernante. Im zweiten Akt begegnen die Titelhelden des Dramas einander. Im dritten findet das Finale statt – die Hochzeit.

Der simple und übersichtliche Aufbau des Stückes entspricht damit der Einfachheit und Geradlinigkeit der Handlung (Grosse, 43). Büchner hält sich fast vollkommen an die vom antiken Dichter Aristoteles in der Poetik aufgestellten Prinzipien zur Komposition eines Dramas. Er folgt der Einheit der Handlung: Neben der Liebesgeschichte von Leonce und Lena gibt es keine weiteren Handlungsstränge und es treten nur wenige Figuren auf (ebd.). Ebenso folgt er der Einheit der Zeit: Die gesamte Handlung muss innerhalb sehr weniger Tage stattfinden. Genaue Zeitangaben fehlen, aber es ließe sich sogar annehmen, dass zwischen dem Aufbruch der Protagonisten aus ihren jeweiligen Königreichen und ihrem Zusammentreffen nicht mehr als zwei Tage verstreichen. Nur die Einheit des Ortes hat Büchner nicht ganz eingehalten.

Auch die Dramenpyramide Gustav Freytags hält Büchners Komödie nahezu tadellos ein. In einem ersten Schritt werden dem Publikum Ort und Zeit des Geschehens vorgestellt, und auch die Protagonisten lernt es kennen. Indem Büchner seine Figuren miteinander reden oder Monologe halten lässt, kreiert er aussagekräftige Porträts von ihnen. Auch der Grundkonflikt der Handlung – die Hochzeit, welche gegen den Willen der Kinder stattfinden soll – wird aufgeworfen. In einem zweiten Schritt steigt die Spannung der Handlung; Leonce und Lena beschließen beide, aus ihrem Königreich zu fliehen. Es folgt der dritte Schritt (Höhepunkt und Peripetie), als das Liebespaar aufeinander trifft, sich küsst und beschließt zu heiraten. In einem vierten Schritt verlangsamt sich die Handlung bei den eher spannungslos verlaufenden Hochzeitsvorbereitungen, bevor sich in einem fünften Schritt der ursprüngliche Konflikt auflöst: Leonce und Lena heiraten, nehmen die Masken ab und erkennen sich. Glücklich führen sie ihr Leben fort.

Zwar folgt Büchners Drama weitgehend den strengen Strukturprinzipien des Aristoteles und Gustav Freytags, jedoch wird dabei auf der Handlungsebene im Grunde keinerlei Fortschritt erzielt. Es mögen sich eine formale Exposition, Peripetie und ein Finale finden lassen, aber eigentlich unterscheiden sich Ausgangssituation und Ende kaum: Leonce und Lena heiraten, und alles, was sie gegen diese Hochzeit unternommen haben, ist gescheitert. Ohne es zu wollen, sind sie einander in die Arme gelaufen. Sie konnten ihrem Schicksal nichts entgegensetzen. Dadurch entwirft Büchner subtil hinter der Fassade der Komödie eine fatalistische Welt. Seine Figuren können so viel Widerstand gegen ihr Schicksal leisten, wie sie wollen – in einer Welt, in der alles so vorherbestimmt ist wie in den Königreichen Popo und Pipi, werden sie damit keinerlei Erfolg haben. Der Fortschritt der Handlung ist dementsprechend nur Schein. Büchners Plot verläuft nicht so sehr progressiv, sondern vielmehr zyklisch.

Veröffentlicht am 3. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 3. Juli 2023.