Es dauerte eine lange Zeit, bis Büchners Werke wertgeschätzt und aufgeführt wurden: Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen die Theater, sich für sie zu interessieren (Garland). Man bewunderte Büchners Innovation der dramatischen Form und seine radikale sozialkritische Einstellung. Das unbeendete Stück »Woyzeck« ist heutzutage das am meisten aufgeführte Drama Büchners und damit auch sein berühmtestes (ebd.).
Die Person Büchners ist unter Akademikern allgemein umstritten. Einerseits werden seine Werke politisch interpretiert und im Kontext sozialen und historischen Wandels analysiert (Lyon, 197). Der ungarische Philosoph Georg Lukács bezeichnete Büchner als »plebejischen Revolutionär«, der die wirtschaftlichen Grundlagen der Befreiung der Arbeiterklasse erkannte (ebd.). In diesem Sinne wird Büchner als Widerständler gesehen, der gegen die Unterdrückung der Armen kämpft, bevor das Konzept der proletarischen Klasse überhaupt formuliert worden war (ebd.). Andererseits gibt es eine scheinbar entgegengesetzte Interpretation von Büchner, nach der seine Dramen dem Ästhetizismus angehören und weniger von Politischem oder Gesellschaftlichem handeln, als vielmehr von Individuen und existentiellen philosophischen Fragen (ebd.). Diese beiden Interpretationen – die »politische« und die »ästhetische« – schließen sich jedoch nicht gegenseitig aus (Lyon, 198).
»Leonce und Lena« ist das am wenigsten bekannte Drama Büchners und fand erst sehr spät Anerkennung. Der Dichter und Literaturwissenschaftler Friedrich Gundolf (1880–1931) sah die Komödie als einen Rückfall in die Literaturkomödie der Romantik und behauptete, sie bestehe allein aus »aufgestutzten Literaturschablonen« (Grosse, 86) – damit war er nicht der Einzige. Auch im Theater dauerte es lange, bis das Stück zum festen Bestandteil des Büchner-Repertoires wurde. Zwar erlebte es im Jahre 1895 seine Uraufführung, bis zu seinem eigentlichen Durchbruch sollte es aber noch einige Jahrzehnte dauern (ebd.). »Leonce und Lena« ist zwar heutzutage noch immer weniger bekannt als »Woyzeck« und »Dantons Tod«, wird jedoch inzwischen genau wie diese beiden Stücke als wesentlicher Teil des deutschen Theaterkanons gesehen (ebd.).
