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Leonce und Lena

Historischer Hintergrund und Epoche

Büchner reichte »Leonce und Lena« ursprünglich zu einem Wettbewerb im Jahre 1836 ein, der die beste deutsche Komödie küren sollte (Garland). Da sein Beitrag allerdings zu spät eintraf, konnte er nicht mehr berücksichtigt werden (ebd.). Büchner überarbeitete das Drama im Herbst und Winter desselben Jahres (ebd.). Nach seinem Tod wurde es in der Zeitschrift »Telegraph für Deutschland« im Mai 1838 leicht verändert veröffentlicht und von Büchners Bruder Ludwig im Jahre 1850 in vollständiger Fassung in dem Band »Nachgelassene Schriften« herausgegeben (ebd.).

Büchner lebte in Zeiten des Aufruhrs und Wandels, und das ist auch deutlich spürbar in seinen Schriften, die alle von einer Krisenstimmung durchzogen sind (Reddick, 290). Büchner hatte das Streben der Aufklärung nach Fortschritt, Freiheit, Gleichheit und individueller Würde übernommen und blieb sein ganzes Leben lang ein revolutionärer Idealist (ebd.). In einem Brief vom April 1833 beschreibt Büchner sich als revolutionsbereiten Mann, der sogar bereit wäre, Gewalt zu gebrauchen, jedoch nicht weiß, wo er anfangen soll: »Man wirft den Jungen den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, daß wir im Lock stecken mit geschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Munde.« (Grosse, 73) Denn viel mehr noch als seine Zeitgenossen war Büchner sich bewusst, wie weit seine Gesellschaft davon entfernt war, den idealen Zustand zu erreichen, welchen die Intellektuellen der Vormärz-Bewegung anstrebten: Denn die politische, soziale und wirtschaftliche Realität sah deutlich anders aus, als es sich die Revolutionäre des Vormärz erhofften (Reddick, 290).

Büchner empfindet Hoffnungslosigkeit: Wie soll dieser Zustand jemals enden? Er schreibt:

    Ich studierte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, Allen und Keinem verliehen. Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich. (Grosse, 75)

Die Idee, dass Menschen nichts weiter als Puppen sind, wird zu einem konstanten Motiv in Büchners Werken. Auch im »Hessischen Landboten«, einem im Jahre 1834 von Büchner verfassten Pamphlet, welches die Missstände seiner Zeit kritisiert, ist dieses Motiv enthalten: »Kommt ja ein ehrlicher Mann in einen Staatsrat, so wird er ausgestoßen. Könnte aber auch ein ehrlicher Mann jetzo Minister sein oder bleiben, so wäre er, wie die Sachen stehn in Deutschland, nur eine Drahtpuppe, an der die fürstliche Puppe zieht.«

Büchners Schriften spiegeln seine Frustration und Hoffnungslosigkeit wider. Seine Protagonisten befinden sich häufig am Rande der Verzweiflung, so auch Leonce und Lena. Sie sind fähig, die Gesellschaft besser zu durchblicken als ihre Zeitgenossen – und sie gehen an ihren Erkenntnissen zugrunde. Folglich versuchen sie auf verschiedenen Wegen, ihrer Welt zu entfliehen. Büchner stellt in seinen Werken genau diese verzweifelte Suche nach Wegen aus der Realität der Gegenwart dar und verarbeitet damit seine eigene Frustration angesichts der scheiternden Revolution des Vormärz.

Veröffentlicht am 3. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 3. Juli 2023.