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Fabian

Prüfungsfragen

  • Der Roman »Fabian« wird in der literaturwissenschaftlichen Forschung als ein bedeutendes Werk der Neuen Sachlichkeit gewertet. Welche Aufgabe hat Kästner im Sinne dieser literarischen Strömung seinem Hauptprotagonisten Faber zugewiesen?

    Kästner konzipiert seinen Hauptprotagonisten Fabian als einen distanzierten, scharfsichtigen und relativ emotionslosen Beobachter seiner Zeit, durch dessen Augen die Leserschaft einen möglichst neutralen Blick auf die gesellschaftspolitischen Zustände werfen soll. Ziel ist es, dass seine realitätsnahen Beobachtungen durch eine leicht verständliche und klare Ausdrucksweise einer breiten Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Dazu bedient sich der Autor überwiegend eines journalistischen Reportagestils, der sich durch kurze und prägnante Sätze auszeichnet.

    Mit diesem Entwurf der Figur des Fabian gelingt es Kästner, die Themenfelder, die der Neuen Sachlichkeit zugeschrieben werden, gut abzudecken, nämlich das moderne, hektische Leben einer Großstadt, das Aufkommen der Massenmedien, die neue Ausrichtung der Geschlechterrollen sowie die Darstellung des politischen und moralischen Verfalls eines Systems und die sozialen Missstände, die unweigerlich darauf folgen.

  • Welche gravierenden Schicksalsschläge erleidet Fabian, und inwiefern beeinflussen sie sein weiteres Leben?

    Durch ein anonymes Kündigungsschreiben wird Fabian ebenso wie viele andere Millionen Menschen in dieser Zeit durch das Schicksal der Arbeitslosigkeit getroffen. Gerade hat er sich jedoch in Cornelia, eine junge Rechtsanwältin, verliebt. Er entwirft in Gedanken Pläne für die Zukunft und ist glücklich, endlich mit ihr ein Ziel vor Augen zu haben, nämlich Verantwortung zu tragen und eine Familie zu gründen. Doch durch den Jobverlust rückt dieser Traum schnell in weite Ferne.

    Cornelia trennt sich nämlich von ihm, sodass Fabian einen weiteren Schicksalsschlag verkraften muss. Enttäuscht und desillusioniert wegen ihres Verhaltens gibt er sich wieder seinen erotischen Abenteuern hin, die ihm nichts bedeuten.

    Durch den dritten Schicksalsschlag, den Selbstmord seines Freundes Labude, wird das Leben Fabians vollständig aus der Bahn geworfen. Entfremdet von sich und der Welt – er spürt nicht einmal mehr innerlich Schmerz und Trauer um den geliebten Freund – fühlt er sich in der Großstadt Berlin einsam und deplatziert, sodass er beschließt, in seine alte Heimatstadt Dresden zu flüchten. Er zweifelt nun an sich und der Menschheit und glaubt nicht mehr daran, dass der Mensch jemals in der Lage sein wird, mit Vernunft und Moral eine Veränderung des Systems herbeiführen zu können.

  • Welches Bild zeichnet Kästner von der Großstadt Berlin in der Endphase der Weimarer Republik?

    Nach der Währungsreform im November 1923 trat eine relativ stabile Phase in der Weimarer Republik ein, in der sich das gesellschaftliche Leben einigermaßen normalisierte. Diese Jahre werden auch gern als die »Goldenen Zwanziger Jahre« (circa 1924–1929) bezeichnet, in der in der Großstadt Berlin mit einem wiedererwachten neuen Lebensgefühl auch eine rege Kulturszene entstand, die von Kästner eindrücklich beschrieben wird. Die deutsche Bevölkerung fand Gefallen an der konsum- und freizeitorientierten Massenkultur, die dank der fortschreitenden Technik – im Film sowie auch in anderen Medien – nun in ihrem Leben Einzug hielt.

    Kästner kannte sich selbst in der Berliner Szene gut aus, da er zu der Zeit in Berlin lebte und auch als Kabarettautor arbeitete. So hat er für seinen Roman hauptsächlich zahlreiche Schauplätze des Vergnügens und der Zerstreuung ausgewählt, wie Nachtclubs, Kinos, Theater und Kabaretts, um für seine Leserschaft relativ realitätsnah das damalige pulsierende, moderne und freizügige Großstadtleben darzustellen.

    Doch Kästner offenbart seiner Leserschaft ebenso die Schattenseiten der Großstadt, die für das Individuum hauptsächlich aus Schnelllebigkeit, Anonymität und Orientierungslosigkeit bestehen. Sie liegen unter dieser scheinbar leichten Berliner Lebensart verborgen und treten insbesondere dann ans Licht, wenn man, wie Fabian, zu den Erwerbslosen gehört, für die die Gesellschaft keine Verwendung findet.

  • Kästner greift im Roman ein brisantes Thema aus der Spätphase der Weimarer Republik auf: die Massenarbeitslosigkeit. Wie wird diese Problematik vom Autor literarisch verarbeitet?

    In der Spätphase der Weimarer Republik waren fast sechs Millionen Menschen arbeitslos, was sich insbesondere in der Hauptstadt Berlin bemerkbar machte. Auf seinen Streifzügen durch Berlin trifft Fabian auf zahlreiche Menschen aus verschiedenen Milieus, deren Leben sich durch die Arbeitslosigkeit drastisch verändert hat. Durch die Darstellung der damit verbundenen sozialen Probleme macht der Autor auf deren Schicksal aufmerksam. Frauen sind gezwungen, sich zu prostituieren. Männer, die bis vor Kurzem noch einen guten Job hatten, sind nun auf Almosen angewiesen. Kinder werden aus Verzweiflung zu Dieben. Aus dieser desolaten sozialen Lage erwächst schnell eine politisch angespannte Situation. In den gewalttätigen Zusammenstößen und Demonstrationen, die in den Straßen Berlins stattfinden und von Kästner eindrücklich geschildert werden, spiegelt sich die wachsende Unzufriedenheit der damaligen Bevölkerung wider.

  • In den Zwanzigerjahren scheinen die traditionellen Geschlechterrollen langsam aufzubrechen, womit sich für viele Frauen neue Lebensentwürfe ergeben. Welches Bild entwirft Kästner in seinem Roman von der neuen, modernen Frau?

    In der Begegnung mit Irene Moll wird Fabian mit einem ihm bisher fremden Selbstverständnis der Frau konfrontiert. Da sie die Ehe mit ihrem Mann nicht befriedigt, wählt sie mit seinem Einverständnis ihre Liebhaber aus. Sie tritt selbstbewusst, energisch und durchsetzungsfähig auf und fordert wie selbstverständlich die Befriedigung ihrer Wünsche von den Männern ein. Schließlich gründet sie ein Männerbordell für betuchte Damen, damit sie ebenso wie die Männer ihre sexuellen Neigungen ausleben können. Das traditionelle Rollenverständnis der Frau, die dem Mann untertan ist, wird damit aufgebrochen.

    Auch in der Figur Cornelia Battenberg zeichnet Kästner ein Bild vom Lebensstil der »neuen Frau«, das als ein typisches Phänomen der Zwanzigerjahre bezeichnet werden kann. Sie hat Jura studiert und strebt ihre finanzielle sowie emotionale Unabhängigkeit an. Für ihre Karriere ist sie bereit, sogar ihre Liebe zu Fabian zu opfern, wenn sie damit ihr eigenes berufliches Fortkommen sichern kann.

  • Fabian und seine Mutter haben eine besonders innige Beziehung zueinander. Welchen Einfluss übt sie auf sein Leben aus?

    Als einzige Frau entspricht die Mutter Fabians in der Geschichte dem traditionellen Rollenbild der Frau, denn sie geht ganz darin auf, ihren Sohn, den sie noch immer ihren »guten Jungen« nennt, zu bemuttern.

    Gegenüber Fabian legt sie eine hohe Erwartungshaltung an den Tag, denn sie wünscht sich nichts sehnlicher, als dass er wieder nach Dresden zu ihr zurückkommt und endlich ein »normales Leben« führt, das für sie aus einer anerkannten Arbeit und einer Familiengründung besteht. Fabian spürt den Druck, der von der Mutter ausgeht, schämt sich und hat ein schlechtes Gewissen, dass er nicht in der Lage ist, die Wünsche seiner Mutter zu erfüllen. Dies verstärkt Fabians Gefühl der Schuld, der Mutter nicht gerecht werden zu können und in seinem Leben versagt zu haben.

  • Fabian und Labude verbindet eine enge Freundschaft. Erläutern Sie die unterschiedlichen Weltanschauungen der beiden Hauptprotagonisten!

    Fabian gibt sich mit seinen unterqualifizierten Jobs in dem herrschenden Gesellschaftssystem zufrieden, denn Karriere, Geld und Macht sind ihm zuwider. So hat er sich in seiner passiven Beobachterrolle eingerichtet und sieht keinen Sinn darin, sich aktiv für eine bessere Gesellschaft einzusetzen und zu kämpfen. Denn überall herrscht Unmoral, sodass er lieber wartet und beobachtet, ob sich die Menschen doch noch besinnen und zu Vernunft und Moral zurückkehren. Fabian fehlt jedoch der Glaube daran.

    Sein Freund Labude nimmt die Gegenposition ein. Er hat sein Leben gut durchorganisiert, hat ein genaues Ziel vor Augen und ist bestrebt, dies mit allen Mitteln durchzusetzen. Labude glaubt fest daran, dass man aktiv politisch tätig sein muss, um den Wandel eines Systems durchzusetzen. Gemeinsam mit den linksgerichteten Kräften in der Republik engagiert er sich dafür, eine Partei zu gründen, die letztendlich den Wandel zu einer besseren Gesellschaft herbeiführen soll. Da sich der Mensch dann daran anpasst, kehrt er auch wieder zur Moral zurück.

  • Warum kann der Roman »Fabian« im Hinblick auf die Endphase der Weimarer Republik auch als ein bedeutendes historisches Zeitdokument gewertet werden?

    Kästner, der in der Zeit der Entstehung des Romans selbst in Berlin gelebt hat, zeichnet ein relativ realitätsnahes Bild der damaligen gesellschaftspolitischen Verhältnisse in der Spätphase der Weimarer Republik. Die aktuellen Zeitverhältnisse, die im Mittelpunkt des Romans stehen, werden nicht nur detailliert geschildert, sondern darüber hinaus erfolgt auch deren kritische Betrachtung. Letzteres übernimmt überwiegend sein Hauptprotagonist Fabian, aber auch durch die Geschichten der anderen Figuren, mit denen dieser in Kontakt tritt, informiert der Autor seine Leserschaft über den politischen und gesellschaftlichen Zerfall der deutschen Gesellschaft. In dem hochexplosiven Gemisch aus wirtschaftlicher Krise, politischer Radikalisierung, neuen Strömungen in Kunst und Kultur sowie dem Aufbrechen traditioneller Geschlechterrollen, das Kästner zu Papier gebracht hat, liegen auch schon die Gründe verborgen, warum es letztendlich zum rasanten Aufstieg der Nationalsozialisten kommen konnte.

  • Welche Rolle spielt die Figur des Herrn Professor Kollrepp (der Erfinder) im Roman?

    Kästner lenkt den Blick seiner Leserschaft mit der Charakteristik dieser Figur auf die Schattenseiten des schnell voranschreitenden technischen Fortschritts und warnt vor deren Gefahren. Professor Kollrepp hat als Unternehmer Maschinen erfunden, die in der Textilindustrie zu einer Massenproduktion der Waren geführt haben. Dies kam zwar der Wirtschaft zugute, führte jedoch schnell zur Entlassung von Arbeitskräften, deren Lebensgrundlage nun dadurch zerstört wurde. Der Erfinder zieht sogar den Vergleich zu einem Krieg, indem er die Maschinen als Waffen bezeichnet, die durch ihren Einsatz unsagbares soziales Elend produziert haben. Er fühlt sich schuldig und kann mit diesem schlechten Gewissen sein Leben als Unternehmer nicht mehr weiterführen. Der Erfinder beschließt, sein Geld zu verschenken und lieber auf der Straße zu leben.

  • Welche Kritik übt Kästner in seinem Roman an den Medien?

    Allgemein betrachtet haben die Medien eine Informationsfunktion inne, denn sie haben den Auftrag, eine breite Öffentlichkeit objektiv und verständlich über Geschehnisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu berichten.

    Kästners Hauptprotagonist Fabian wird in einer Zeitungsredaktion Zeuge, wie dieser Auftrag ohne Skrupel von einem Redakteur namens Münzer korrumpiert wird. »Von oben« kommt der Befehl, den Leitartikel zu ändern, sodass nun Zeilen frei werden, für die kein passendes Thema vorliegt. Kurzerhand wird hier eine Falschmeldung von Straßenkämpfen aus Indien eingefügt. Auch die Rede des Reichskanzlers manipuliert Münzer, indem er sie nach Gutdünken auf ein Minimum zusammenstreicht. Kästner deutet damit an, dass es letztendlich das eigennützige, unmoralische Verhalten der Menschen ist, die ihren Einfluss – hier derjenige auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit – dazu nutzen, die Gesellschaft zu spalten.

Veröffentlicht am 26. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 26. Oktober 2023.