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Fabian

Kapitel 16–20 (S. 183–233)

Zusammenfassung

Fabian fühlt sich leer und unverstanden, denn gerade als er beschlossen hat, sein Leben für Cornelia zu ändern, Verantwortung zu übernehmen und zu handeln, wird er von ihr verlassen. Ziellos fährt er mit der U-Bahn durch Berlin und denkt über sein Schicksal nach. In Wedding steigt Fabian aus und wird Zeuge von gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und einer Masse von Demonstrierenden.

Fabian gelangt schließlich zu einem Rummelplatz. Hier begibt er sich in ein Zelt, in dem er Bekanntschaft mit einer Kunstreiterin macht. Er lässt sich mit der Unbekannten auf ein kurzes Liebesabenteuer in ihrer Wohnung ein, wobei er ständig an Cornelia denken muss.

Die Frau mit dem Namen Mucki erzählt ihm, sie sei eigentlich Verkäuferin in einem Handschuhgeschäft und fragt Fabian, ob er denn bis morgen bleiben wolle.

Fabian erfährt, dass sie verheiratet ist, doch ihr Mann befindet sich gerade auf Geschäftsreise. Da sie nicht alleine bleiben möchte, lädt sie ihn ein, die nächsten zehn Tage bei ihr zu bleiben.

Er willigt ein und geht kurz telefonieren. Noch einmal erkundigt er sich bei Zacharias aus dem Zeitungsverlag, ob er nicht doch noch eine Chance auf eine Arbeitsstelle dort habe. Zacharias hat leider keine positiven Nachrichten für ihn.
Zu Mucki zurückgekehrt, wird er von ihr umsorgt und bewirtet. Nach dem Essen verlässt Fabian die Wohnung, um Cornelia im Café zu treffen. Sie erwartet ihn dort schon, und bei ihrem Versuch, sich bei ihm zu entschuldigen, fängt sie sofort an zu weinen. Fabian klärt sie darüber auf, dass sie in Zukunft immer damit rechnen müsse, zwecks ihrer Karriere mit Männern schlafen zu müssen, die ihr sonst im Weg stünden. Daraufhin steht Cornelia auf und geht. Er läuft ihr nach und entschuldigt sich bei ihr für die Kränkung. Über Cornelias Kuss, den sie ihm nun zum Abschied noch gibt, empfindet er Ekel.

Fabian möchte nicht nach Hause gehen, denn da erwartet ihn nur ein einsames Zimmer. Aus diesem Grund geht er wieder in die Müllerstraße zu Mucki, die sich über seine Rückkehr freut. Gerade als sie das Essen auftischt, kommt jedoch ihr Ehegatte nach Hause. Dieser ist wütend über den ungebetenen Gast und wird gegenüber Fabian, der nun aufsteht und gehen möchte, handgreiflich.

Als Fabian nach Hause kommt, wird er schon von der Vermieterin erwartet, die ihm aufgeregt berichtet, die Polizei sei dagewesen, um ihn abzuholen. Sie gibt ihm eine Adresse, und Fabian stürzt aus dem Haus, um sich sofort dorthin zu begeben. Beim Atelier der lesbischen Bildhauerin angekommen, stellt sich heraus, dass sein Freund Labude sich das Leben genommen hat. In einem Abschiedsbrief an Fabian erklärt er ihm, dass die Ablehnung seiner Habilitationsschrift über Lessing, an der er fünf Jahre lang gearbeitet hatte, ihm nach der Trennung von seiner Verlobten psyschisch den Rest gegeben habe. Er hinterlässt Fabian zweitausend Mark.

Labude wird mit einem Krankenwagen nach Hause transportiert, wobei Fabian ihn begleitet und sich dabei an das letzte Zusammensein mit seinem Freund in Berlin erinnert. Hier hatten sie in der Nacht zwei miteinander verfeindeten Arbeitern die Schusswaffe weggenommen, mit der Labude sich nun in den Kopf geschossen hatte.

Fabian bleibt bei seinem toten Freund und führt mit ihm ein Zwiegespräch. Er bedauert, dass Labude einem Selbstbild nachgehangen hat, das nicht in diese Realität hineinpasste. Dabei breitet er ein düsteres Bild der Zukunft aus, in der die Menschen sich gegenseitig nur noch bekämpfen werden. In dieser Welt wäre sein Freund mit seinen politischen Visionen nicht ernst genommen worden. Fabian bedauert, dass Labude nicht in der Lage gewesen war, das Leben nur zu genießen.

Labudes Vater, der Justizrat, trägt den Tod seines Sohnes mit Fassung. Im Gespräch mit Fabian erfährt er, dass die Ablehnung der Habilitationsschrift über Lessing der Grund für Labudes Selbstmord gewesen sein soll. Sofort versucht er, den Geheimrat zu erreichen, um Näheres über die Umstände zu erfahren. Er bekommt jedoch nur seine Gattin an den Apparat, die ihm versichert, dass der Geheimrat letztens noch positiv über diese Arbeit gesprochen habe.

Der Vater zerschlägt das Portrait Lessings an der Wand und beginnt, die Schrift seines Sohnes zu lesen.

Fabian verlässt das Haus. Er fühlt sich leer und ausgebrannt, denn durch die Geschehnisse ist er nicht einmal mehr fähig, ein Gefühl wie Trauer oder Schmerz zu empfinden. Traurig läuft er durch die Straßen Berlins, wobei er auch an dem Platz vorbeikommt, an dem Rathenau ermordet wurde. In einem Bierlokal hört er den Gesprächen der Menschen zu und empfindet sie als sinnlos.

Zuhause angekommen erwarten ihn die Bewerbungsschreiben, die zurückgekommen sind.

Am nächsten Morgen treten die Geschehnisse, die sich am Vortag ereignet hatten, Fabian schlagartig wieder in sein Bewusstsein. Er beschließt, den Geheimrat aufzusuchen, um aufzuklären, was es mit der Schrift Labudes auf sich hat. Auf der Straße trifft er auf Cornelia, die ihm aus einem Wagen zuwinkt. Ihr Angebot, ihn in die Universität zu fahren, nimmt Fabian an.

Auf der Fahrt erzählt sie ihm von ihrer neuen Filmrolle, die der Regisseur Makart ihr zugewiesen hat. Noch einmal warnt Fabian seine Ex-Freundin vor diesem Mann. Zudem schenkt er Cornelia tausend Mark, die Hälfte des Geldes, das er von Labude bekommen hat.

In der Universität trifft Fabian auf die Eltern Labudes, die ebenfalls gekommen sind, um Näheres über die seltsamen Umstände der Habilitationsschrift ihres Sohnes zu erfahren. Im Gespräch mit dem Geheimrat stellt sich heraus, dass er die Schrift Labudes als exzellente Arbeit eingestuft hat. Sein Assistent mit Namen Weckherlin war der Übeltäter, der die falsche Nachricht einer Ablehnung Labude überbracht hat. Er behauptet, es sei nur ein Scherz gewesen. Daraufhin prügelt Fabian den Assistenten fast zu Tode. Der Geheimrat entlässt diesen auf der Stelle.

Analyse

Im weiteren Verlauf der Geschichte wird den Leserinnen und Lesern immer klarer, dass die Redewendung »Der Gang vor die Hunde«, die Kästner ursprünglich für seinen Roman als Untertitel gewählt hatte, sich bewahrheitet. Fabians Schritte führen nun unweigerlich immer weiter nach unten.

Cornelias unmoralisches Verhalten hat Fabian zutiefst getroffen. Ihre Vorstellung, dass sie trotz ihrer Liebschaft mit dem Regisseur die Beziehung mit ihm weiterführen möchte, ist für ihn moralisch untragbar.

Fabian hat kein Verständnis mehr für ihr Selbstmitleid, das Cornelia bei einem Treffen an den Tag legt. »Kalt und kleinlich« (S. 200) setzt er ihr auseinander, dass sie ihr Schicksal selbst gewählt hat und sich nun auch damit abfinden soll. Er gibt ihr noch folgenden Ratschlag mit auf den Weg: »Du hast dir den Kopf abgehackt, gib acht, dass es wenigstens nicht umsonst war.« (S. 202). Ihr Abschiedskuss ekelt ihn, da er daran denken muss, wen ihre Lippen schon vorher berührt hatten (S. 202).

Gerade als Fabian voller Hoffnung und Zuversicht bereit war, sein Leben für sie und mit ihr zu verändern, hat sich dieser Plan nun schlagartig in Luft aufgelöst. Zynisch stellt er fest: »Sie schenkte ihm großzügig jene Freiheit wieder, von der sie ihn befreit hatte.« (S.184) Die Folge ist, dass Fabian immer tiefer in die Selbstentfremdung und Orientierungslosigkeit rutscht. Mit dieser desolaten Gefühlslage ändert sich auch seine Wahrnehmung des Großstadtlebens. Das »hoffnungslose, unbarmherzige Labyrinth« (S. 181) mit »seinen Straßenfluchten und Häuserblocks« (ebd.) setzt Fabian immer mehr zu, sodass ihm schwindelig davon wird.

Seine Streifzüge durch die Stadt, die er vorher noch aus Abenteuerlust und Neugier betrieben hatte, verändern sich nun in orientierungslose, sinnlose Fahrten, ohne dass er weiß, was er hier noch, allein und verlassen, zu suchen hat: »Fabian sah das alles, als führen nur seine Augen und Ohren durch Berlin, und er selber sei weit, weit weg. Sein Blick war gespannt, aber das Herz war besinnungslos.« (S. 183)

Kästner beschreibt eindrücklich eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen der Staatsgewalt und demonstrierenden unzufriedenen »Arbeitermassen« (S. 185) auf dem Weddingplatz, an dem Fabian zufällig vorbeikommt. Einige Straßen weiter geben sich die Menschen auf einem Rummelplatz schon wieder der Zerstreuung und dem Vergnügen hin. Kästner liefert seiner Leserschaft damit ein Stimmungsbild der Metropole in dieser krisenhaften, von Extremen geprägten Zeit. Die prekäre, unsichere gesellschaftspolitische Lage führt auf der einen Seite immer mehr zu Unruhen und Demonstrationen. Auf der anderen Seite tritt bei der Bevölkerung aber auch ein Bedürfnis zutage, das Leben noch zu feiern, so lange es geht, sozusagen noch einen letzten »Tanz auf dem Vulkan« aufzuführen, bevor er ausbricht.

Auch Fabian ist nach Zerstreuung zumute, um Cornelia zu vergessen, sodass er sich auf ein erotisches Abenteuer mit einer unbekannten Frau einlässt. Dass sie ihm gleichgültig ist und ihm nur als Objekt dient, an dem er seinen verletzten Stolz rächen kann, zeigt sich an seinem groben Verhalten: Ohne viel Feingefühl fällt er »über die nackte erschrockene Verkäuferin her« (S.193), sodass sie sogar Angst vor ihm bekommt.

In dieser Szene wird deutlich, dass Fabian seine eigenen hohen moralischen Ansprüche nicht einhalten kann. Sein Jobverlust sowie die Trennung von Cornelia haben ihm so zugesetzt, dass er jetzt selbst höchst unmoralisch handelt und von seinen ehemals menschlichen und sozialen Verhaltensweisen nichts mehr übrig geblieben zu sein scheint.
Als nächsten Schicksalsschlag muss Fabian den Selbstmord seines Freundes Labude verkraften. Auch er fühlte sich, wie Fabian, zuletzt einsam, nutzlos und dieser Gesellschaft nicht mehr zugehörig. Die Trennung von seiner Freundin, das Scheitern seines politischen Ziels und letztendlich die Ablehnung seiner Habilitationsschrift, auf die er fünf Jahre seiner Lebenszeit verwendet hat, waren der Auslöser für diesen Schritt. Sein Selbstwertgefühl wurde insbesondere durch Letzteres zerstört: »Die Ablehnung meiner Arbeit ist, faktisch und psychologisch, mein Ruin, vor allem psychologisch.« (S. 209)

In einem Zwiegespräch mit dem toten Freund wirft Fabian ihm vor, dass er mit einem falschen Selbstbild durchs Leben gegangen sei: »Dein Charakter existierte in deiner Vorstellung, und als die zerstört wurde, blieb nichts mehr übrig als ein Schießeisen […].« (S. 217) Labude ist sozusagen an seinen eigenen hochgesteckten Zielen gescheitert.

Sein Vater, der zugibt, dass er für seinen Sohn nie da war: »Ich war kein Vater, der für den Sohn lebt. Ich bin ein vergnügungssüchtiger Herr, der in das Leben verliebt ist« (S. 219), interessiert sich nun zum ersten Mal für dessen Habilitationsschrift. Die Liebe zu seinem Sohn, die er abstreitet, zeigt sich schließlich doch noch, aber nur in Form eines Gewaltaktes. Er zertrümmert das Bild Lessings, da dieser, wenn auch indirekt, am Tod seines Sohnes eine Mitschuld trage.

Der Tod seines Freundes hat Fabian so geschockt, dass jegliches Gefühl aus ihm gewichen ist: »Die Trauer, die ihn ausfüllte, war empfindungslos, der Schmerz war kalt.« (S. 222) Wieder streift er durch die nächtlichen Straßen der Stadt »ganz allein mit sich selber« (ebd.), wobei sich sein Gemütszustand jetzt noch einmal verschlechtert hat.

In diesem Zustand schickt Kästner seinen Hauptprotagonisten auch an der »Rathenau-Eiche« (S. 222) vorbei und verweist damit auf den sinnlosen Tod von Walter Rathenau, der am 24. Juni 1922 von antisemitischen, rechtsradikalen Gegnern der Weimarer Republik ermordet wurde. Damals erschütterte eine Serie von Attentaten die Republik, mit der die junge Republik zerstört werden sollte. Auch der jüdische liberale Reichsaußenminister Rathenau fiel diesen Anschlägen zum Opfer.

Als sinnlos stellt sich im Nachhinein auch Labudes Tod heraus, denn ein Gespräch mit seinem Doktorvater, dem Geheimrat, ergibt, dass er die Arbeit »als reifste literaturhistorische Leistung der letzten Jahre« (S. 230) beurteilt hatte. Sein Assistent erlaubte sich jedoch aus Neid einen Scherz und behauptete gegenüber Labude, er wäre mit seiner Arbeit durchgefallen. Fabian verliert nun vollkommen die Kontrolle über sich: »Besinnungslos, wie ein automatischer Hammer, schlug er zu, immer wieder.« (S. 232)

Veröffentlicht am 25. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023.