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Fabian

Sprache und Stil

Kästner hat in seinem literarischen Schaffen kein Genre gescheut und gehört zu den wenigen Kunstschaffenden in Deutschland, die sich für alle Medien offen zeigten. So arbeitete er als Lyriker, Schriftsteller, Kinderbuch-, Drehbuch- und Kabarettautor sowie als Journalist. Diese berufliche Vielseitigkeit macht sich in seinem Roman »Fabian« insbesondere im Erzählstil bemerkbar, der der Neuen Sachlichkeit zugeordnet werden kann.  

Der szenische Aufbau der Handlung erinnert sehr an die Abfolge filmischer Szenen, was als Hinweis auf das neue Medium Film, das gerade in der Spätphase der Weimarer Republik als Massenmedium aufstieg, gedeutet werden könnte.

Die aneinandergereihten Szenen verdeutlichen, dass Kästner beim Schreiben oftmals wie ein Drehbuchautor filmisch gedacht haben muss, denn die Szenen ließen sich eins zu eins auf die Leinwand bringen. Kurze, prägnante Sätze und knappe, auf den Punkt gebrachte Dialoge sind weitere Kennzeichen dieses Stils. Dadurch wird zum einen der Handlung eine gewisse Dynamik verliehen, die wiederum die Schnelllebigkeit und Hektik einer Großstadt widerspiegelt; zum anderen werden den Leserinnen und Lesern durch die Dialoge die Gedanken und Meinungen der jeweiligen Figuren nähergebracht.

Zudem baut Kästner andere Medien in seine Geschichte mit ein, wie beispielsweise den Brief von Fabians Mutter (S. 48f.), seiner Geliebten Cornelia (S. 181) und den Abschiedsbrief seines Freundes Labude (S. 208). Auch zwei längere Zitate aus den Werken der Philosophen Descartes (S. 52) und Schopenhauer (S. 152) sind in seinem Roman zu finden.

Die stichwortartigen Überschriften der einzelnen Kapitel erinnern an die Headlines von Printmedien. Die Aneinanderreihung der einzelnen Schlagzeilen, die Fabian in der Eingangsszene in einem Café liest, ähneln einem Reportagestil, den Journalistinnen und Journalisten für ihre Arbeit verwenden.

Die Geschichte des Hauptprotagonisten Fabian wird aus einer um Sachlichkeit und Neutralität bemühten Perspektive geschildert. Fabian bekommt die Rolle eines passiven und nüchternen Beobachters zugewiesen, durch dessen Blickwinkel die Ereignisse geschildert werden. Dabei steht der Anspruch eines neutralen Berichtens im Vordergrund, wobei durchaus eine subjektive Betrachtungsweise mit einfließen kann. 

Kästner bedient sich in seinem Roman einer einfachen Alltagssprache, in der viele Begriffe und Redewendungen aus der Umgangssprache verwendet werden: »Alter Junge, wie geht’s dir denn?« (S. 82) oder »Quatsch mit Sauce« (S. 144).

Ziel ist es, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zu erreichen, um diese über die realitätsnahe Wirklichkeit zu »informieren«. Es geht Kästner um eine sachliche und nüchterne Aufklärung der politisch-ökonomischen Krise in der Weimarer Republik und deren fataler Folgen für die Gesellschaft.

Auffällig ist, dass der Autor in der Wahl seiner Sprache teilweise die unterschiedlichen Sprachwelten seiner Figuren berücksichtigt. Je nachdem, aus welcher sozialen Schicht sie kommen, haben sie andere Ausdrucksweisen. So bedienen sich die Rechtsanwälte Labude und Moll, aber auch Fabian selbst überwiegend eines gewählten Ausdrucks. Die Prostituierten, die in den Nachtclubs arbeiten, verwenden im Gegensatz dazu häufig eine derbe und obszöne Sprache aus dem Milieu: »Bin ich dazu in den Puff gegangen, dass ich wieder zuwachse?« (S. 258)

Ein weiteres Stilmittel, welches im Roman verwendet wird, ist die Personifikation, das heißt, Kästner ordnet vielen leblosen Dingen menschliche Eigenschaften zu, wie beispielsweise: »[…] und die Sterne am Himmel konnten sich schämen« (S. 11) oder: »Sogar die Bäume hatten Sorgen.« (S. 123) Damit wird der Text sprachlich aufgelockert und wirkt somit lebendiger.

Eine weitere sprachliche Auffälligkeit ist, dass Kästner mit medizinischen Vergleichen arbeitet, die sich insbesondere auf den desolaten Zustand dieser Welt beziehen: »Der Kontinent hat den Hungertyphus« (S. 74) oder: »Der Globus hat die Krätze« (S. 138). Dadurch berücksichtigt der Autor die Lebenswirklichkeit seiner Leserschaft, die den Inhalt durch diese Vergleiche besser versteht. Denn jedem Menschen sind diese Krankheiten vertraut.

Erwähnenswert ist des Weiteren, dass der gesamte Text mit zahlreichen satirisch-ironischen Bemerkungen durchsetzt ist. Der Wortwitz und die Schlagfertigkeit, die Fabian sowohl in seinen scharfen Beobachtungen als auch in der Kommunikation mit seinen Mitmenschen an den Tag legt, erinnern oft an eine kabarettistische Darbietung. 

So ist dieser Großstadtroman als brillante »Satire« weniger als eine exakte Abbildung der Wirklichkeit, sondern eher als eine Art »Zerrspiegel« zu sehen, den er »seiner Epoche« vorhält, wie Kästner in seinem Vorwort selbst schrieb (S. 6f.). 

Veröffentlicht am 26. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 26. Oktober 2023.