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Mario und der Zauberer

Rezeption und Kritik

Die 1930 veröffentlichte Novelle wurde von der zeitgenössischen Literaturkritik mit großer Begeisterung aufgenommen: Sie wurde als »ein kleines Meisterwerk« bezeichnet, und man lobte die gehobene Sprache und gut durchdachte Handlung (Mommert, 7). Ein potenzieller politischer Hintergrund wurde in der Regel nicht in Erwägung gezogen (ebd, 8).

Inzwischen hingegen wird die Novelle sehr häufig als politische Parabel gesehen, mit der Mann den Faschismus literarisch verarbeitete (Garland). Das war jedoch nicht immer so, denn insbesondere in den Jahren nach der Veröffentlichung der Novelle stritt der Autor ab, dass es sich bei »Mario und der Zauberer« um ein Werk mit in erster Linie politischer Botschaft handele. In einem Brief an den Literaturkritiker Bedrich Fucík schrieb er im Jahre 1932: 

    »Was ›Mario und der Zauberer‹ betrifft, so sehe ich es nicht gern, wenn man diese Erzählung als eine politische Satire betrachtet. Man weist ihr damit eine Sphäre an, in der sie allenfalls mit einem kleinen Teil ihres Wesens beheimatet ist. Ich will nicht leugnen, daß kleine politische Glanzlichter und Anspielungen aktueller Art darin angebracht sind, aber das Politische ist ein weiter Begriff, der ohne scharfe Grenze ins Problem und Gebiet des Ethischen übergeht, und ich möchte die Bedeutung der kleinen Geschichte, vom Künstlerischen abgesehen, doch lieber im Ethischen als im Politischen sehen.« (Baker, 353)

In den darauffolgenden Jahren änderte Mann seine Ansicht allerdings und schien zunehmend bereit, seine Novelle auch als ein politisches Werk zu betrachten: Im Jahre 1936 (also vier Jahre nach dem eben zitierten Brief) erschien die US-amerikanische Ausgabe seines Werks, in deren Einleitung Mann damit zitiert wurde, dass er seine Novelle als eine »Geschichte mit moralischen und politischen Implikationen« (»tale with moral and political implications«) bezeichnete (ebd.). Zwölf Jahre später (1948) bezeichnete er sie dann bereits als eine »stark ins Politische hinüberspielende Geschichte, die mit der Psychologie des Faschismus [...] innerlich beschäftigt ist« (Baker, 355). In Italien wurde die Novelle tatsächlich auch verboten (ebd., 356).

Unter Kritikern herrscht noch immer keine endgültige Einigkeit, wie groß genau nun der Anteil des Politischen in »Mario und der Zauberer« ist. Dass der Faschismus jedoch eine gewichtige Rolle in der Interpretation der Novelle spielt, ist kaum noch umstritten. Einer der am häufigsten zitierten Kritiker, die Manns Novelle als prophetische Warnung an seine Zeitgenossen auslegten, ist Hans Mayer, der 1950 schrieb: »Das Ende Cipollas sollte der deutschen Jugend eine Warnung sein. Sie wurde nicht gehört.« (Baker, 355) Weitere grundlegende Werke, die die Rolle des Politischen in der Novelle hervorhoben, waren die Essaysammlung des Literaturwissenschaftlers Georg Lukács über Thomas Mann und Henry Hatfields 1946 veröffentlichte Rezension (ebd, 356). 

Heutzutage gilt die Novelle als eine der wichtigsten Kurzgeschichten Thomas Manns und ist in der Wissenschaft vielfach analysiert und interpretiert worden. Auch ein Film unter der Regie von Klaus Maria Brandauer kam 1994 in die Kinos.

Veröffentlicht am 21. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 21. August 2023.