Othello

Figuren

Figurenkonstellation

• Othello

  Othello ist ein venezianischer General schwarzer Hautfarbe. Selbst gibt er an, königlicher Abstammung zu sein, doch hat er diese seine Herkunft in der venezianischen Gesellschaft noch nicht bekannt und geltend gemacht. Sein hohes Ansehen gründet sich allein auf seine militärischen Verdienste. Als General konnte er sich nicht vorstellen, seine Freiheit jemals durch eine Heirat zu beschränken, doch während einer neunmonatigen Dienstpause, die ihn zum zivilen Leben zwingt, verliebt er sich in die Tochter seines Gastfreundes Brabantio, in Desdemona. Zwar charakterisiert er sein Auftreten und Reden als ungeschlacht und seiner Profession entsprechend, doch kann er sich rhetorisch ohne Weiteres vor dem venezianischen Rat behaupten – ja die Demutsgeste, mit der er sein rhetorisches Ungenügen ausstellt, kann geradezu als Beweis seiner rhetorischen Fertigkeit gelten.

  Die Einschätzung seines Charakters, auf die Jago seine Intrige gründet: dass er, ungeübt in der Liebe, ein rasches Opfer der Eifersucht werden müsste, trifft zu. Die Zweifel, die ihn zuerst noch quälen, adressiert er nur wieder an Jago, dessen Redlichkeit für ihn jenseits jeden Verdachts steht. Sobald Jago eine Art von Beweis liefern kann, ist die Sache für ihn ausgemacht. Kaum ist er in der Lage, in Gesellschaft die Fassung zu bewahren.

  Als Desdemona tot ist und Othello seinen Irrtum erkennt, findet er in seinen letzten Reden zu etwas wie heroischer Größe zurück.

• Desdemona

  Desdemona ist die Tochter des venezianischen Ratsherren Brabantio. Sie gehört den höchsten Gesellschaftskreisen an. Viele reiche Venezianer wurden ihr als Ehemänner angetragen, sie aber schlug sie alle aus und entschied sich für Othello, der in ihrem Elternhaus häufig zu Gast war und von seinen Kriegserlebnissen berichtete. Diese Entscheidung setzt sie zusammen mit Othello gegen den heftigen Widerstand ihres Vaters durch.

  Sie ist willensstark und von unabhängigem Geist. Zugleich ist sie gewillt, als Ehefrau sich ihrem Ehemann vollständig unterzuordnen. Auch seine eifersüchtigen Beschimpfungen versucht sie ihm zu verzeihen, und noch sterbend die Schuld an ihrer Ermordung von ihm zu nehmen.

  Sie geht mit Othello nach Zypern, ist also bereit, seinen militärisch geprägten Lebensstil zu übernehmen.

  Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sie Othello wirklich untreu geworden ist, oder nur daran dachte, ihm untreu zu werden. Wenn sie sich für Cassios Wiedereinsetzung stark macht, übernimmt sie die typische Rolle der Ehefrau eines einflussreichen Mannes: Ihr Einfluss besteht in dem Einfluss, den sie auf ihren Gatten hat. Bittsteller können sich an sie in der Hoffnung wenden, durch sie schneller in das Aufmerksamkeitsfeld ihres Mannes zu gelangen. Hält sie ein Gesuch für gerecht, ist sie durchaus bereit, sich dafür mit einiger Beharrlichkeit einzusetzen. Dass sie in der Sache Cassios übersieht, dass sie durch ihren Einsatz für Verleumder angreifbar wird, zeigt an ihr eine Naivität, wie sie auch Othello eignet: die mangelnde Umsicht willensstarker, auf direkte Wirkungen fokussierter Menschen.

• Jago

  Jago dient als Fähnrich unter Othello. Er sieht sich als verdienten und erfahrenen Soldaten – im Unterschied zu Cassio, dessen militärische Bildung lediglich theoretischer Natur sei. Er rechnete sich Chancen auf den Leutnantsposten aus, und dass er zugunsten Cassios übergangen wurde, ärgert ihn. Ein weiterer Grund für den Hass gegen Othello, den er angibt, ist das vor einiger Zeit in Umlauf gekommene Gerücht, Othello habe seine Frau verführt. Emilia bestreitet diesen Vorwurf aber und sieht in dem Gerücht das Werk eines geschickten Intriganten. Die Ehe zwischen Jago und Emilia ist von Streit geprägt.

  Die Figur ist von der Personifizierung des Lasters, der Figur »Vice«, in den morality plays des ausgehenden Mittelalters inspiriert. Diese Figur bedurfte für ihre Verführungsversuche, ihre Täuschungen und Gemeinheiten freilich keiner psychologischen Motivation. Die Einschätzungen, wieweit sich Jagos intrigantes Verhalten tatsächlich durch die von ihm in Anschlag gebrachten Sachverhalte motivieren lasse, divergieren.

  Tatsächlich zeigt sich Jago nicht so sehr als ein sorgsamer Architekt einer bis ins Detail durchgeplanten Intrige, sondern als Improvisator mit Lust an der Ausnutzung neu sich ergebender Gelegenheiten. Spätestens, nachdem Othello die Eifersucht gepackt und er seine Morddrohung gegen Jago für den Fall ausgesprochen hat, dass er betrogen werde, kann Jagos Verhalten schlicht mit dem Willen zur Selbsterhaltung begründet werden. Davor aber gibt es keine Anzeichen dafür, dass er das, was der Zuschauer gewiss als das größte Verbrechen des Stücks ansieht, die Ermordung Desdemonas, geplant oder gewollt habe.

• Cassio

  Cassio wurde von Othello zum Leutnant befördert. Er wird nach dem Tod Othellos auf Zypern als Kommandeur eingesetzt. Der Florentiner ist an einer Militärakademie gut ausgebildet worden, doch fehlt es ihm, wie Jago ihm vorwirft, an militärischer Praxis. Er pflegt eine gehobene, ja geradezu manierierte Sprache, und sein sehr höflicher Umgang mit Frauen macht ihn für Jagos Intrige geeignet. Er unterhält ein lockeres Verhältnis zu der Kurtisane Bianca. Er verträgt keinen Alkohol und leidet stark, als Othello ihn wegen der Händel mit dem zyprischen Gouverneur Montano absetzt.

• Emilia

  Emilia ist die Ehefrau Jagos und die Aufwärterin Desdemonas. Sie durchschaut als erstes die Intrige ihres Mannes und klärt Othello unter Aufopferung ihres Lebens über den Weg auf, den das Taschentuch Desdemonas in Wirklichkeit genommen hat – und damit über die gesamte Intrige. Wird ihr Loyalitätskonflikt so im Finale klar zugunsten Desdemonas entschieden, gibt sie zuvor, im dritten Akt, das aufgehobene Taschentuch widerwillig ihrem Gehorsam fordernden Gatten. Sie ist die erste, die direkt auf die Anschuldigungen Othellos antwortet und Desdemona verteidigt – doch Othello hält sie deshalb für eine Mitwissende des Ehebruchs, eine Vermittlerin zwischen Desdemona und Cassio. Während Desdemona sich ganz ihrem eifersüchtigen Gatten unterwirft und seinen Zornausbruch bei sich mit politischen Angelegenheiten zu entschuldigen sucht, schlägt Emilia ihr eine etwas derbere, lebensklügere Haltung vor.

• Roderigo

  Roderigo ist ein reicher venezianischer Adliger, der vergeblich um Desdemona geworben hatte und nun mit Hilfe Jagos versucht, dieselbe mit Hilfe von Geschenken und auf dem Weg gewaltsamer Intrige doch noch zu gewinnen. Dabei wird er von Jago durchweg getäuscht, wird sich dieser Täuschung immer wieder bewusst und dann doch von Jago wieder von der Aussicht auf Erfolg überzeugt. Jago benötigt ihn vor allem in der Auseinandersetzung mit Cassio: Er hilft mit, seine Absetzung zu bewirken, und er soll ihn am Ende umbringen – was aber misslingt. Überlebend würde Roderigo für Jago zum Problem, weil er die Edelsteine und Geschenke zurückfordern könnte, die Jago an Desdemona übergeben zu haben vorgibt.

  An keiner Stelle tritt Roderigo wirklich mit Desdemona in Kontakt und es ist unklar, ob sie sich seiner Liebe überhaupt bewusst ist. Die Figur gibt es nicht in Cinzios Novelle – sie ist Shakespeares Erfindung.

• Brabantio

  Brabantio ist ein angesehener venezianischer Ratsherr und der Vater Desdemonas. Als er von Jago und Roderigo über die Entführung seiner Tochter und den Eheschluss mit Othello informiert wird, bricht er in großen Zorn aus. Vor dem Rat erhebt er Anklage: Nur durch Zaubermittel könne der Mohr seine Tochter gewonnen haben. Er dringt aber nicht durch, weil Othello darlegen kann, wie er und Desdemona sich tatsächlich ineinander verliebten, und weil Desdemona sich frei zu Othello als ihrem Ehemann bekennt. Brabantio gibt sich geschlagen, obschon er dank seiner hohen Stellung durchaus die Mittel haben könnte, eine Scheidung zu erzwingen – wie Jago vermutet. Am Ende des Stücks ist er aus unbekannter Ursache bereits gestorben, kann also den Tod seiner Tochter nicht mehr beweinen.

• Doge

  Der Doge von Venedig richtet in der Klage gegen Othello, die Brabantio anstrengt, zugunsten Othellos. Er entsendet Othello nach Zypern, obgleich dort fähigere Leute bei der Hand wären, denn die öffentliche Meinung spricht sich für ihn, für Othello, aus.

• Montano

  Der zyprische Gouverneur Montano spielt rund um Cassios Absetzung eine wichtige Rolle. Er ist es, mit dem Cassio ins Gefecht gerät, weil er im Streit zwischen Cassio und Roderigo zu schlichten sucht. Außerdem ist er dabei, als Cassio zuvor zum Trinken überredet wird.

• Lodovico und Gratiano

  Lodovico und Gratiano sind Verwandte Brabantios. Sie werden nach Zypern entsandt, um Othello nach Venedig zurückzuberufen. Im fünften Akt kommen sie in beiden Szenen dazu – als Cassio verwundet und als Desdemona ermordet wurde. Lodovico hat das Schlusswort. Er hat nach dem Tod Othellos als Stellvertreter Venedigs die höchste Autorität, bestimmt über Othellos Erbe und die Kommandantur in Zypern und macht sich selbst auf, in Venedig von den Vorfällen Bericht zu erstatten.

• Bianca

  Bianca ist eine Kurtisane, die in einem amourösen Verhältnis mit Cassio steht. Wahrscheinlich ist sie aus Venedig nach Zypern mitgereist. Die Figur gibt es nicht bei Cinzio und wird vor allem für die erste Szene des vierten Akts gebraucht, in der Jago sein Gespräch mit Cassio über Bianca zum weiteren Beweis für Cassios Verhältnis mit Desdemona macht – denn Othello, außer Hörweite, glaubt, dies sei das Thema. Sie zeigt Cassio gegenüber eine gewisse Anhänglichkeit, bedauert sein Ausbleiben und will das Muster des Taschentuchs, das er ihr gegeben hat, für ihn nicht kopieren, weil er das Tuch für das Liebespfand einer Rivalin hält.

• Narr

  Der Narr, der offenbar zu Othellos Haushalt gehört, hat nur zwei kurze Auftritte: Er wird von seinem Herrn beauftragt, die Musikanten fortzuschicken, die Cassio bestellt hatte, und er übernimmt von Desdemona den Auftrag, Cassio von dem guten Fortgang seines Gesuchs zu informieren: Er müsse nur kommen, dann werde Othello ihn in seinen Rang wieder einsetzen.