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Othello

Zitate und Textstellen

  • »Tush, never tell me! I take it much unkindly | That thou, Iago, who hast had my purse | As if the strings were thine, shouldst know of this.« / »Ach, sei mir still! Ich nehm dir das sehr übel, | Jago, daß du, dem meine Börse offenstand, | Als wär der Inhalt dein, davon längst weißt.«
    – Roderigo zu Jago, 8/9

    Das Stück setzt offenbar inmitten des Gespräches zwischen Jago und Roderigo ein. Mit »this« / »davon« ist wohl die heimliche Hochzeit Othellos und Desdemonas gemeint, die Roderigos Pläne natürlich erst einmal zunichte machen muss. Jago wäre, als Geldempfänger Roderigos, verpflichtet gewesen, ihn davon in Kenntnis zu setzen, sobald er selbst davon erfuhr und so beteuert Jago in seiner Replik denn auch, selbst erst gerade davon erfahren zu haben. Die drei Eröffnungsverse setzen für das Verhältnis der beiden den gültigen Ton. Othello und Desdemona sind nur verhüllt – als das eigentliche Gesprächsthema, das der Zuschauer erst hinterher rekonstruieren kann – anwesend.

  • »Look to her, Moor, if thou hast eyes to see. | She has deceived her father, and may thee.« / »Halt sie im Auge, Schwarzer, du wirst sehn: | Wie sie mich heut betrügt, wird’s dir mal gehn!«
    – Brabantio zu Othello, 50/51

    Eine der wenigen gereimten Stellen innerhalb einer Szene. Die Warnung, die Brabantio ausspricht, wird Jago im dritten Akt wieder aufgreifen: »She did deceive her father, marrying you, | And when she seemed to shake, and fear your looks, | She loved them most.« / »Sie hinterging den Vater, als sie Sie nahm; | Und als sie tat, als wärn Sie ihr ein Graus, | War sie zutiefst verliebt.« (132/133) Was sich hier ausdrückt, ist ein in der patriarchalen Geschlechterordnung angelegtes Paradox. Othello kann Desdemonas Liebe gewinnen und ihre Heirat gegen den Willen ihres Vaters durchsetzen. Zur Frau erhält er dann aber nicht mehr die tadellose Desdemona, in die er sich verliebte, sondern eine Frau, die, indem sie sich ihrem Vater widersetzte, schon einmal aus der patriarchalen Ordnung ausgebrochen ist. Indem er sie heiratet, gewinnt er über sie die Autorität, die zuvor der Vater innehatte. Wenn sie gegen den Vater rebellieren, wenn sie ihn täuschen konnte, kann auch er sich ihres Gehorsams nicht mehr vollständig versichert halten.

    Brabantio sieht sich, nachdem es ihm misslungen ist, Desdemona zurückzugewinnen und er sie verstoßen hat, trotz seines Rassismus stärker mit Othello, als dem Nachfolger seiner Autoritätsrolle, verbunden, als mit ihr, die ihn getäuscht hatte.

  • »Put money in thy purse.« / »Mach Geld locker.«
    – Jago zu Roderigo, 52/53

    Der Satz prägt sich dem Zuschauer vor allem deshalb ein, weil er so oft wiederholt wird, nämlich mit leichten Variationen acht Mal auf knapp zwei Seiten. Er charakterisiert treffend das eigentliche Verhältnis Jagos und Roderigos: Jago benutzt Roderigo vor allem als Geldgeber. Um die häufigen Wiederholungen zu plausibilisieren, ist auf der Bühne an eine weitere Bedeutung zu denken, etwa: Roderigo möchte Jago unterbrechen und Jago blockiert den Versuch mit diesem Satz.

  • »He’s had most favourable and happy speed: | Tempests themselves, high seas, and howling winds, | The guttered rocks and congregated sands, | Traitors enscarped to clog the guiltless keel, | As having sense of beauty, do omit | Their mortal natures, letting go safely by | The divine Desdemona.« / »Der hatte einen Schutzengel an Bord: | Die Stürme selbst, die Seen und wilden Winde, | Die Zackenriffe und die Schwemmsandbänke, | Die tückisch abgetaucht auf Kiele lauern – | All die, als ob sie Sinn für Schönheit hätten, | Vergessen ihre Mordnatur, um Desdemona, | die göttliche, gefahrlos ziehn zu lassen.«
    – Cassio zu Montano, 62–64/63–65

    Die Stelle illustriert den geschraubten, artifiziellen, an der Dichtung geschulten Stil Cassios. Er reagiert hier auf die Nachricht von der Ankunft Jagos, mit dessen Schiff auch Desdemona anlangt. Die petrarkisierende (an die von Francesca Petrarca ausgehende Liebeslyrik anknüpfende) Schwärmerei für Desdemona ist nichts als ein höflicher Gestus, zielt mehr auf eine Zur-Schau-Stellung der eigenen rhetorischen Fähigkeiten.

  • »Ha! I like not that.« / »Ha! – das gefällt mir nicht!«
    – Jago zu Othello, 118/119

    Die hingeworfene, scheinbar nur zu sich selbst gesagte Bemerkung bildet den ingeniösen Auftakt der Täuschung Othellos. Tatsächlich ist das Verhalten, auf das Jago Bezug nimmt – Cassio vermeidet eine Begegnung mit Othello und verlässt Desdemona, bevor Othello sie erreicht hat –, mit der Demütigung, die Cassio erlitten hat, hinreichend motivierbar. Genau dieser Erklärung entzieht Jago aber die Glaubhaftigkeit, wenn er insinuiert, ein solches Verhalten sähe Cassio unähnlich. Der ganze kurze Wortwechsel bleibt gewissermaßen in der Schwebe, denn Desdemona kommt und begrüßt ihren Ehemann. Jago kann sogar später, als er mit Othello wieder allein ist, darauf verzichten, von sich aus auf die Situation noch einmal zu sprechen zu kommen: Othello selbst bringt die Sache wieder auf, nachdem Jago gefragt hat, ob Cassio eigentlich Vermittler zwischen Desdemona und Othello gewesen war (vgl. 124/125).

  • »Let it alone. Come I’ll go on with you.« / »Komm, laß es, komm, ich geh jetzt mit dir hin.«
    – Othello zu Desdemona, 138/139

    Das Taschentuch, mit dem Desdemona Othellos schmerzende Stirn fest verbinden will, um seinen Kopfschmerzen abzuhelfen, findet er für den Zweck zu klein. Es fällt zu Boden. Meint er nun in der zitierten Passage mit »it« das Taschentuch – ›laß es liegen‹ – oder ihre Bemühung um ihn – ›laß gut sein‹? Die Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden, an ihrer Beantwortung hängt aber einiges für den Plot. Denn wenn das Taschentuch gemeint war, hätte Othello selbst verschuldet, dass sie es verlor: Sie kann es dann – auch aus seiner Sicht, wenn er sich dessen erinnern will – Cassio nicht gegeben haben.

  • »The moor already changes with my poison. | Dangerous conceits are in their natures poisons, | Which at the first are scarce found to distaste, | But, with a little act upon the blood, | Burn like the mines of sulphur. Enter Othello. I did say so. | Look where he comes! Not poppy, nor mandragora, | Nor all the drowsy syrups of the world, | Shall ever medicine thee to that sweet sleep | Which thou owed’st yesterday.« / »Der Schwarze wird schon anders durch mein Gift: | Wahnvorstellungen sind der Art nach Gifte, | Die anfangs gar nicht mal so übel schmecken, | Jedoch nach kurzer Einwirkung auf’s Blut | Wie Schwefelfeuer brennen. Othello tritt auf. Sag ich’s doch! | Wie er da kommt! Nicht Mohn und nicht Mandragora | Noch alle Schlummersäftchen dieser Welt | Beschern dir je nochmal so süßen Schlaf | Wie du bis gestern hattest.«
    – Jago zu sich selbst, 142/143

    Die Stelle zeigt Jago, der mitten im Geschehen kurz zurücktritt und die Wirkung seiner Einflüsterung mit dem Interesse eines Moralisten beobachtet – wie jemand, der die Wirkungen eines Experiments begutachtet. Viel hängt hier vom Schauspieler ab, und für die Auffassung der Rolle viel von dieser Stelle. Denkbar ist eine große Spannbreite von Interpretationen. Jago könnte tatsächlich hasserfüllt sprechen und sich zu seiner gelingenden Rache beglückwünschen; genauso gut möglich ist ein geradezu zärtlicher Ton.

    Stilistisch ist er übrigens ganz im hohen Register, wie er überhaupt die derbere Prosa nicht zu sich selbst, sondern nur zu Cassio und Roderigo spricht.

  • »He looks gentler than he did.« / »Er wirkt milder als vorhin.«
    – Emilia zu Desdemona, 216/217

    Othello hat am Ende des vierten Akts seine Fassung etwas wiedergewonnen. Die Ruhe ist aber trügerisch: Sie wird daherrühren, dass Othello den Entschluss zur Ermordung Desdemonas gefasst hat, dass er den Mord durch die Anweisungen an sie, Emilia zu entlassen, schon vorbereiten kann und dadurch dem Rachebedürfnis im Kleinen bereits Genüge tut. Das aufmerksame Lesen im Mienenspiel und Verhalten des Ehemanns, das Emilia hier für Desdemona übernimmt, ist bewegender Ausdruck der Abhängigkeit, ja der Ausgeliefertheit Desdemonas. Sie nimmt jedes Zeichen der Milde und der Zuwendung zum Anlass für Zuversicht, dabei müsste sie ihn, der für sie zur existenziellen Bedrohung geworden ist, fliehen.

  • »Put out the light, and then put out the light: […].« / »Jetzt lösch das Licht und dann… dann lösch das Licht.«
    – Othello zu sich selbst, 238/239

    Mit den Worten fordert Othello sich zum Mord der schlafenden Desdemona auf. Mit der wortgleichen Wiederholung des Satzes geht eine Verschiebung des Sinns einher. Die erste Aufforderung ist wörtlich zu verstehen: Gemeint ist die Kerze. Die zweite Aufforderung hingegen bezieht sich auf das Leben Desdemonas, das ihr geraubt werden soll. Die im Klangbild suggerierte Äquivalenz beider Vorgänge wird von Othello selbst als eine nur scheinbare Äquivalenz entlarvt: Während er die Kerze wieder anstecken kann, weiß er kein Feuer, das das Lebenslicht seiner Gattin wieder anzünden könnte. So wechselt er die Metapher: Die Rose, einmal gepflückt, muss welken.

  • »Kill me tomorrow: let me live tonight!« / »Nein, töt mich morgen, laß mich heut noch leben!«
    – Desdemona zu Othello, 244/245

    Die Erschütterung, die die Sterbeszene Desdemonas im Publikum über die Jahrhunderte hinweg auslöste, hat ihren Grund sicherlich in dieser wahrhaft unerträglichen Klimax des letzten Zwiegesprächs mit ihrem Gatten: Die stolze Desdemona, die ihre Unschuld beteuerte und ihrem Mann gehorsam sein wollte, fleht um ihr nacktes Überleben und verkürzt mit zunehmender Not die ausgebetene Zeit: von der Nacht zu einer halben Stunde, zur Dauer eines Gebets.

Veröffentlicht am 17. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 17. Oktober 2023.