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Schachnovelle

Historischer Hintergrund und Epoche

Die »Schachnovelle« lässt sich in den historischen Kontext des Nationalsozialismus einordnen. Das Werk  wurde 1941 und demnach genau zu dieser Zeit verfasst. Die Novelle entstand in der letzten Lebensphase Stefan Zweigs im brasilianischen Exil. 

Es lässt sich durchaus ein persönlicher Bezug feststellen, da Zweig, wie auch in seinem autobiografischen Werk »Die Welt von Gestern« deutlich wird, sehr unter dem Nazi-Regime und seinem Exil gelitten hat. Nachdem der Nationalsozialismus erst in Deutschland und schließlich auch in seiner Heimat Österreich erstarkte, verlor Stefan Zweig alles, was ihm wichtig war: Sein Vermögen und seine geschätzten kulturellen Güter, ebenso wie Familie und Freunde. Es treibt ihn um, in der Sprache der Nationalsozialisten zu schreiben (Zweig, 2003).

Ein Blick in die Geschichte Österreichs verrät, dass der Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland sich alles andere als plötzlich ereignete. Nach Psota (2018) bildeten bereits seit den 1920er Jahren »Deutschnationalismus, Antisemitismus sowie die Rassen- und Erbbiologie das politisch-ideologische Fundament für eine radikale politische Machtübernahme« (Psota, 2018, S. 119).

Zweig flüchtete so noch vor Hitlers Einmarsch in Wien, im Februar 1934, nach London. Da er als ehemaliger reichsdeutscher Bürger angesehen wurde, verhalf ihm jedoch auch die britische Staatsbürgerschaft nicht zu persönlichem Glück. Zweig reiste viel und ließ sich schließlich in Brasilien nieder. Dieses Land gefiel ihm sehr, dennoch stürzten ihn sein Exil und die damit einhergehende Hilflosigkeit in eine tiefe Depression.

Einem Schriftstellerkollegen teilte Zweig Anfang 1942 mit:

    Wie kann ich atmen, schlafen und essen, wenn ich weiß, dass die sinnloseste Zerstörung am Werk ist, dass tausende und abertausende unschuldiger Menschen dahingerafft werden. Schaffen heißt doch aufbauen und wie kann ich etwas aufbauen, wenn ich zu gleicher Zeit die satanischste Vernichtung am Werke weiß (Michels, 2023, S. 76).

Am 22. Februar 1942 nahmen sich Stefan Zweig und seine Frau Lotte gemeinsam mit einer Überdosis Schlafmittel das Leben. Es lässt sich die These aufstellen, dass Dr. B. innerhalb der Novelle als Identifikationsfigur für den Autor selbst fungiert. Ebenso wie Zweig ist Dr. B. ein intellektueller und vermögender Österreicher, der zwar keiner der verfolgten Minderheiten angehört, aber dennoch bedeutend unter den politischen Entwicklungen leidet. 

Zweig gelingt es, die grausamen Methoden des Nationalsozialismus in »Schachnovelle« aufzugreifen und entsprechende Folgen zu veranschaulichen. Dr. B. steht hier stellvertretend für die Opfer der damals gängigen Methode der Isolationshaft, welche auch für viele Intellektuelle eingesetzt wurde. In seinem Werk stellt Zweig einen direkten geschichtlichen Bezug her. Dr. B. wurde verhaftet, sobald der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, als Reaktion auf den Einmarsch Hitlers am 11. März 1938, abdankte (vgl. 52). 

In einer 1941 gehaltenen Rede formulierte Zweig seine Gedanken zu der Freiheit der Seele, welche auch innerhalb der »Schachnovelle« einen großen Raum einnehmen wie folgt:

    [...] nie und niemals hat andererseits die Menschheit so klar erkannt, wie unentbehrlich Freiheit für die Seele des Menschen ist. Nie haben so viele Menschen so einmütig Tyrannei und Unterdrückung gehasst, nie so viele Menschen gelechzt nach erlösender Botschaft wie nun mit dem Knebel im Munde (Zweig, 1941).
Veröffentlicht am 5. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 5. September 2023.