Skip to main content

Schachnovelle

Abschnitt 1 (bis S. 18)

Zusammenfassung

Die Handlung beginnt auf einem Passagierdampfer, auf dem ein geschäftiges Treiben herrscht. Gegen Mitternacht soll der Dampfer ablegen und die Reise von New York nach Buenos Aires antreten. Der anonyme Ich-Erzähler befindet sich mit seiner Frau an Bord.

Der Ich-Erzähler erfährt von einem Freund, dass sich der amtierende Schachweltmeister Mirko Czentovic an Bord befindet. Auch dem Ich-Erzähler sagt dieser Name etwas. Er bringt ihn mit einer rasant steigenden Karriere in Verbindung. Sein Freund weiß als aufmerksamer Zeitungsleser noch wesentlich mehr über Czentovic.

Der junge Weltmeister ist keineswegs das, was sich die Gesellschaft unter einem klassischen Schachspieler vorstellt. Czentovic ist in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und seine Eltern verstarben früh. Er wuchs daraufhin als Pflegekind bei einem Pfarrer auf. Dessen Bemühungen, in die Bildung des Jungen zu investieren, zahlten sich nicht aus. Czentovic zeigte sich weitestgehend lernunfähig.

Sein Schachtalent wurde durch Zufall entdeckt. Bei der allabendlichen Partie des Gendarmeriewachtmeisters und des Pfarrers führte eine Unterbrechung dazu, dass Czentovic den Platz des Pfarrers einnahm. Czentovic schlug den Gendarmeriewachtmeister zu dessen Erstaunen. Das entdeckte Schachtalent schien eine Inselbegabung zu sein, doch das Interesse des Pfarrers war geweckt.

Czentovics Aufstieg in der Welt des Schachspiels begann. In Wien wurde er von einem ausgezeichneten Meister in der Schachkunst ausgebildet. Dabei war er jedoch nicht in der Lage, das Schachspiel auswendig zu lernen und in seine Phantasie zu übertragen. Er brauchte stets das Schachbrett greifbar vor sich. Sein Mangel an Imaginationskraft wurde zu einem regen Diskussionsthema.

Trotz seines Erfolges blieb das Verhalten des Jungen bäuerlich. Er trete schamlos, habgierig und abgehoben auf. Der Freund des Ich-Erzählers hinterfragt die Wirkung eines derartigen Erfolges auf ein beschränktes Gehirn.

Analyse

Das breit aufgestellte Wissen des Freundes des unbekannten Ich-Erzählers über Czentovic, welches er ausschließlich durch das Lesen von Zeitungen erworben hat (vgl. 8), deutet auf die ausgesprochene Berühmtheit des Schachspielers hin. Czentovic erzählt in der Novelle jedoch nie selbst von seiner Vergangenheit.

Zentral ist insbesondere die Inselbegabung Czentovics, welche während seiner Jugend bei dem Pfarrer entdeckt wurde. Anhand einer Enumeration wird verdeutlicht, wie weitreichend Czentovics Dummheit und Faulheit in der Kindheit waren: »das maulfaule, dumpfe, breitstirnige Kind« (9). Auch die Hyperbel: »Mirko starrte die schon hundertmal ihm erklärten Schriftzeichen immer wieder fremd an« (ebd.), untermauert seine mangelnde Intelligenz.

Czentovic kam zwar geforderten Aufgaben nach, zeigte jedoch in keiner Lebenssituation Eigeninitiative (vgl. 10). Als Czentovic überraschend den Gendarmeriewachtmeister in einer Schachpartie schlug, wurde der Pfarrer »ernstlich neugierig« (12) und plante weitere Überprüfungen seines Talents.

Czentovic zeigte sich auch während des Schachspiels dumpf und stumm: »Er spielte zäh, langsam, unerschütterlich« (ebd.), »Mirko, unbeweglich vier Stunden vor dem Brett sitzend« (14). Czentovics Unbeweglichkeit schlug sich ebenfalls auf seinen Geist nieder, nur das Schachspiel bildete eine Ausnahme. Aufgrund dessen wurde er erstmalig als »Champion« (ebd.) betitelt. Zum ersten Mal in seinem Leben wurde ihm Anerkennung zuteil. Er entfachte einen »Nationalstolz« (ebd.).

Auffällig ist, dass sich die mangelnde Intelligenz Czentovics auch in sein Schachspiel einschleicht und sie dennoch nicht seinen Erfolg beeinträchtigt: »Ihm fehlte vollkommen die Fähigkeit, das Schlachtfeld in den unbegrenzten Raum der Phantasie zu stellen« (15). Diese Darstellung Czentovics, innerhalb seiner Vorgeschichte, erfolgt stets mit einem wertenden Unterton. So wurde seine einseitige Begabung in Fachkreisen »bespöttelt« (ebd.). Der Erzähler bezeichnet den Umstand als »Defekt« (16). Diese Formulierung impliziert einen mangelnden Werts Czentovics und entmenschlicht ihn. Er wird wie eine Maschine beschrieben, die nicht vollständig funktionsfähig ist.

Die Widersprüchlichkeiten, die Czentovic vereint, scheinen ihn jedoch zu einer umso interessanteren Person zu machen, die häufig Gegenstand von Diskussionen wird (vgl. ebd.). Dennoch gelingt es Czentovic nicht, seine bäuerlichen Manieren abzulegen. Der Erzähler rückt sein Charakter zunehmend in ein negatives Licht: »Ungeschickt und geradezu schamlos plump suchte er zum Gaudium und zum Ärger seiner Fachkollegen aus seiner Begabung und seinem Ruhm mit einer kleinlichen und sogar oft ordinären Habgier herauszuholen, was an Geld herauszuholen war« (17).

Veröffentlicht am 5. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 5. September 2023.