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Die Küchenuhr

Figuren

Figurenkonstellation

Die Küchenuhr – Figurenkonstellation
  • Der junge Mann

    Der junge Mann ist die zentrale Figur der Kurzgeschichte. Über sein Äußeres wird nur gesagt, dass er ein altes Gesicht habe und den Gang eines Zwanzigjährigen.
    Er wird durchgehend mit dem Personalpronomen der dritten Person Singular bezeichnet, so als sei er bereits vor Textbeginn eingeführt worden. In der Hand hat er die Küchenuhr – den zentralen Gegenstand der Kurzgeschichte.
    Von allen Figuren der Kurzgeschichte ist er die vielseitigste und lebendigste. Er kann Dinge zeigen, alle der Reihe nach ansehen, sein Tonfall kann entschuldigend, verlegen, freudig und leise sein, er kann mit den Fingerspitzen vorsichtig auf der Uhr herumfahren und ihr zunicken.
    Offenbar hat er seine nächsten Angehörigen sämtlich bei einem Bombardement verloren, dem auch sein Elternhaus zum Opfer fiel. In den Trümmern hat er nach Überresten des elterlichen Hausrates gesucht und nur die Küchenuhr gefunden.
    Sein Charakter muss als optimistisch, selbstbewusst und extrovertiert beschrieben werden. Sein Umgang mit dem traumatischen Ereignis besteht darin, sich, mit der Uhr als Zeugen, auf die positiven Aspekte der verlorenen Zeit zu konzentrieren. Von dem Unglück selbst und seinem Verlust zu reden, blockt er ab, oder nimmt das Interesse daran bei den anderen nur verlegen zur Kenntnis.

  • Die Frau mit dem Kinderwagen

    Auf der Bank sitzt auch eine Frau mit Kinderwagen, in den sie verlegen hineinsieht, als der junge Mann das erste Mal von der übriggebliebenen Uhr berichtet. Sie hat zwei Wortmeldungen: Einmal erinnert sie ihn daran, dass die Uhr doch kaputt sei, das andere Mal fragt sie nach dem Schicksal seiner Familie. Dass sie durchgehend mit dem bestimmten Artikel geführt wird, legt nahe, dass sie die einzige Frau auf der Bank ist.

  • Der Mann

    Eine Charakterisierung des Mannes auf der Bank ist insofern eine zweifelhafte Sache, als die Figurengrenzen nicht eindeutig sind. Möglich, dass der Mann, der am Anfang auf seine Schuhe schaut, der die Erklärung wegen des Stehenbleibens der Uhr vorschlägt, und der am Ende an das Wort Paradies denkt – dass dies alles derselbe Mann ist, möglich ist aber auch, dass es sich um drei verschiedene Männer handelt. Verlegenheit, eine rationalistische Welthaltung und die stumme Rührung durch das von dem jungen Mann Erzählte sind jedenfalls die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sich auf der einen Figur konzentrierten oder auf drei Figuren zu verteilen wären.

  • Die Anderen

    Eine Wortmeldung gibt es nur noch von jemand Unbestimmtem, der die Vermutung ausspricht, der junge Mann habe wohl alles verloren. Ansonsten gleichen sich die anderen, die auf der Bank sitzen, darin, dass sie alle keinen intensiven Blickkontakt zu dem jungen Mann aufbauen oder zulassen.

  • Die Mutter

    Die Mutter erscheint als eine Figur, die Ambivalenzen aushält: Obwohl sie die späten Heimkünfte ihres Sohnes tadelt oder wenigstens bedauert, überwiegt in ihr der Hang zur Fürsorge, und sie steht jedes Mal, wenn er heimkehrt, auf, um ihm das Abendessen warm zu machen und abzuräumen, wenn er schon in seinem Zimmer liegt. Gegen die Kälte zieht sie sich eine Wolljacke und einen Schal an, jedoch in der Nacht Schuhe anzuziehen lehnt sie ab, und erträgt lieber die kalten Fliesen.

    Sie ist offenbar, wie alle nächsten Angehörigen des jungen Mannes, bei einem Bombeneinschlag ums Leben gekommen.

Veröffentlicht am 7. September 2023. Zuletzt aktualisiert am 7. September 2023.